Das "Buzzword" Digitalisierung beschäftigt weiter die Branche. Und das zu Recht, denn in Teilen arbeitet sie immer noch nach Organisationsprinzipien der letzten beiden Jahrhunderte.
Mit dem Namen Frederick Taylor verbindet sich das Führungskonzept des "Scientific Management", also der Betriebsführung nach wissenschaftlichen Kriterien. Schon im Jahr 1911 empfahl Taylor, leitende und ausführende Tätigkeit im Unternehmen klar zu trennen. Bis heute werden Verwaltungsbetriebe wie Versicherungs- und auch größere Vermittlungsgesellschaften nach diesem Prinzip gestaltet.
200 Jahre alte Managementprinzipien noch aktuell?
Mithilfe von Zeitstudien werden die Arbeitszeiten für sich wiederholende Tätigkeiten gemessen. Das ist Voraussetzung für eine extreme Arbeitsteilung, die zwar die Produktivität steigert. Aber der einzelne Mitarbeiter verliert den Überblick und dementsprechend das Verständnis für die Gesamtleistung seines Betriebs. Auch dieses Prinzip wird 200 Jahre später vielfach angewendet, wenn beispielsweise Callcenter-Kräfte oder Innendienstsachbearbeiter Zeitvorgaben für Kundengespräche und für die Bearbeitung von Anträgen und Schäden bekommen. Das Outsourcing von einzelnen Tätigkeiten wie das Scannen von Briefwechsel in Indien oder die Buchung von Reisen über polnische Firmen wird so möglich.
Nur wenige Jahre nach Taylor vor genau 200 Jahren veröffentlichte Henry Fayol Überlegungen zur effizienten Organisation von Verwaltungsbetrieben. Eines seiner Prinzipien war die Einheit der Auftragserteilung: Jeder Mitarbeiter soll seinen klar benannten Vorgesetzten haben und nicht etwa mehreren gleichzeitig unterstellt werden. Die Folge sind sehr tief hierarchisch gegliederte Betriebe, wie man das ebenfalls in Versicherungsunternehmen beobachten kann: Vier, fünf, sechs Managementebenen sind keine Seltenheit. Das bremst die Bereitschaft, Verantwortung für die kundengerechte Erledigung einer Gesamtaufgabe zu übernehmen.
Unternehmen ohne klare Struktur? Undenkbar!
Es verwundert nicht, dass Versicherungs- wie Vermittlerbetriebe verunsichert und nervös auf die Herausforderung moderner Unternehmensmodelle wie der "Fintechs" beziehungsweise "Insurtechs" reagieren. Nach der Vorstellungswelt der Versicherungsmanager dürfte ein Unternehmen ohne klare Hierarchie, ohne umfassende Organisationsregeln und mit einer vage umschriebenen Geschäftsidee gar nicht existieren. Virtuelle Unternehmen durch Netzwerkkooperationen selbstständiger Unternehmen und freiberuflicher Dienstleister passen nicht ins Weltbild.
Vor allem Versicherungsvermittler sollten sich von den 200 Jahre alten Managementweisheiten so weit lösen, dass sie wieder schnell und flexibel auf Marktherausforderungen reagieren können. Das Umdenken beginnt dabei im Kopf: Traditionen zu wahren ist nur sinnvoll, wenn man sie immer wieder an der Realität anpasst.
Was Amazon kann…
So klingt es nur in den Ohren von Versicherungsmanagern radikal, wenn der Allianz-Chef fordert, dass die Abwicklung von Kundenanliegen genauso funktionieren sollte, wie man es von Bestellungen bei Amazon und anderen Plattformen im Internet gewohnt ist. "Oliver Bäte, der Verunsicherer", titelte passenderweise die "Wirtschaftswoche". Für Versicherungsvermittler dagegen sollte es selbstverständlich sein, Kundenanliegen in einer aus der Internetwelt gewohnten Geschwindigkeit zu erledigen - sollte man meinen.
Nicht jede InsurTech-Idee ist auf Dauer erfolgreich. Das erlebt Berichten zufolge derzeit Knip. Das Unternehmen hat den Aufwand der manuellen Erfassung von Maklermandaten für die in ihrem digitalen Versicherungsordner registrierten Kunden wohl unterschätzt. Auch andere Insurtechs stoßen auf Widerstände, verlieren Manager und befriedigen die hochfliegenden Erwartungen der Geldgeber nicht.
Daraus die Konsequenz zu ziehen, dass sich ein klassischer Vertreter oder Makler nicht mit der Digitalisierung beschäftigen sollte, wäre falsch. Viele der Ideen der Insurtechs sind so gut, dass sie von klassischen Unternehmen verbessert zum Erfolg gebracht werden. Hier sollten die Vermittler dabei sein, um ihr Geschäftsmodell zukunftssicher zu machen.
Wertschöpfungskette analysieren
Eine gute Hilfe dabei ist eine Analyse der eigenen Wertschöpfungskette. Dieses Modell zeigt Schritt für Schritt auf, wie Wertschöpfung im Unternehmen entsteht, und erleichtert die Optimierung.
Dazu ein paar Ideen für die "Digitize your life" oder besser "Digitize your company"-Überlegungen zunächst für die primären Wertschöpfungsaktivitäten, die direkt mit dem Kunden zu tun haben:
Nur wer die Abläufe versteht, kann Verantwortung übernehmen
Auch die sekundären Wertschöpfungsaktivitäten, mit denen die Ressourcen des Vermittlerunternehmens gewährleistet werden, können in Teilen digital effizienter umgesetzt werden. Für die Personalsuche stehen ausgefeilte Personalportale mit Managementfunktionen für die Bewerberauswahl zur Verfügung. Buchhaltung und andere Verwaltungstätigkeiten sowie Telefondienste lassen sich auf Dienstleister verwalten, mit denen Daten und Informationen online ausgetauscht werden.
Das Entscheidende ist, anders als nach klassischen Managementprinzipien schlanke, schnell auf Kundenwünsche reagierende, hierarchiearme Betriebe zu schaffen. Die Mitarbeiter müssen verstehen können, wie die Gesamtleistung des Betriebs funktioniert und dafür Verantwortung übernehmen. Die Digitalisierung von Aufgaben eröffnet Freiräume, um sich dem Kunden wieder zuzuwenden - dann, wenn es der Kunde braucht und zu schätzen weiß.
Bild: © Idprod /istock
Mit dem Namen Frederick Taylor verbindet sich das Führungskonzept des "Scientific Management", also der Betriebsführung nach wissenschaftlichen Kriterien. Schon im Jahr 1911 empfahl Taylor, leitende und ausführende Tätigkeit im Unternehmen klar zu trennen. Bis heute werden Verwaltungsbetriebe wie Versicherungs- und auch größere Vermittlungsgesellschaften nach diesem Prinzip gestaltet.
200 Jahre alte Managementprinzipien noch aktuell?
Mithilfe von Zeitstudien werden die Arbeitszeiten für sich wiederholende Tätigkeiten gemessen. Das ist Voraussetzung für eine extreme Arbeitsteilung, die zwar die Produktivität steigert. Aber der einzelne Mitarbeiter verliert den Überblick und dementsprechend das Verständnis für die Gesamtleistung seines Betriebs. Auch dieses Prinzip wird 200 Jahre später vielfach angewendet, wenn beispielsweise Callcenter-Kräfte oder Innendienstsachbearbeiter Zeitvorgaben für Kundengespräche und für die Bearbeitung von Anträgen und Schäden bekommen. Das Outsourcing von einzelnen Tätigkeiten wie das Scannen von Briefwechsel in Indien oder die Buchung von Reisen über polnische Firmen wird so möglich.
Nur wenige Jahre nach Taylor vor genau 200 Jahren veröffentlichte Henry Fayol Überlegungen zur effizienten Organisation von Verwaltungsbetrieben. Eines seiner Prinzipien war die Einheit der Auftragserteilung: Jeder Mitarbeiter soll seinen klar benannten Vorgesetzten haben und nicht etwa mehreren gleichzeitig unterstellt werden. Die Folge sind sehr tief hierarchisch gegliederte Betriebe, wie man das ebenfalls in Versicherungsunternehmen beobachten kann: Vier, fünf, sechs Managementebenen sind keine Seltenheit. Das bremst die Bereitschaft, Verantwortung für die kundengerechte Erledigung einer Gesamtaufgabe zu übernehmen.
Unternehmen ohne klare Struktur? Undenkbar!
Es verwundert nicht, dass Versicherungs- wie Vermittlerbetriebe verunsichert und nervös auf die Herausforderung moderner Unternehmensmodelle wie der "Fintechs" beziehungsweise "Insurtechs" reagieren. Nach der Vorstellungswelt der Versicherungsmanager dürfte ein Unternehmen ohne klare Hierarchie, ohne umfassende Organisationsregeln und mit einer vage umschriebenen Geschäftsidee gar nicht existieren. Virtuelle Unternehmen durch Netzwerkkooperationen selbstständiger Unternehmen und freiberuflicher Dienstleister passen nicht ins Weltbild.
Vor allem Versicherungsvermittler sollten sich von den 200 Jahre alten Managementweisheiten so weit lösen, dass sie wieder schnell und flexibel auf Marktherausforderungen reagieren können. Das Umdenken beginnt dabei im Kopf: Traditionen zu wahren ist nur sinnvoll, wenn man sie immer wieder an der Realität anpasst.
Was Amazon kann…
So klingt es nur in den Ohren von Versicherungsmanagern radikal, wenn der Allianz-Chef fordert, dass die Abwicklung von Kundenanliegen genauso funktionieren sollte, wie man es von Bestellungen bei Amazon und anderen Plattformen im Internet gewohnt ist. "Oliver Bäte, der Verunsicherer", titelte passenderweise die "Wirtschaftswoche". Für Versicherungsvermittler dagegen sollte es selbstverständlich sein, Kundenanliegen in einer aus der Internetwelt gewohnten Geschwindigkeit zu erledigen - sollte man meinen.
Nicht jede InsurTech-Idee ist auf Dauer erfolgreich. Das erlebt Berichten zufolge derzeit Knip. Das Unternehmen hat den Aufwand der manuellen Erfassung von Maklermandaten für die in ihrem digitalen Versicherungsordner registrierten Kunden wohl unterschätzt. Auch andere Insurtechs stoßen auf Widerstände, verlieren Manager und befriedigen die hochfliegenden Erwartungen der Geldgeber nicht.
Daraus die Konsequenz zu ziehen, dass sich ein klassischer Vertreter oder Makler nicht mit der Digitalisierung beschäftigen sollte, wäre falsch. Viele der Ideen der Insurtechs sind so gut, dass sie von klassischen Unternehmen verbessert zum Erfolg gebracht werden. Hier sollten die Vermittler dabei sein, um ihr Geschäftsmodell zukunftssicher zu machen.
Wertschöpfungskette analysieren
Eine gute Hilfe dabei ist eine Analyse der eigenen Wertschöpfungskette. Dieses Modell zeigt Schritt für Schritt auf, wie Wertschöpfung im Unternehmen entsteht, und erleichtert die Optimierung.
Dazu ein paar Ideen für die "Digitize your life" oder besser "Digitize your company"-Überlegungen zunächst für die primären Wertschöpfungsaktivitäten, die direkt mit dem Kunden zu tun haben:
- Schritt 1: Marktforschung zur Identifizierung von potenziellen Neukunden oder interessanten Versicherungsangeboten (Makler). Das Internet bietet vielfältige Möglichkeiten der Recherche zur Gewinnung von Ideen und Kontakten, beispielsweise über soziale Netzwerke, Seiten von Branchenverbänden im Firmengeschäft oder Vergleichsportale. Eine gelungene und regelmäßig gepflegte Präsenz in einem sozialen Netzwerk ist notwendig. Durch regelmäßiges Vergleichen von Musterangeboten über Vergleichsportale wächst die Marktkenntnis des Vermittlers.
- Schritt 2: Neukundensuche. Das Internet ist zur Gewinnung von Leads geeignet. Die erwähnten sozialen Netzwerke können dabei helfen, aber auch kommerzielle Leadverkäufer. Eine aussagefähige, interaktive Homepage mit interessanten Informationen, Kontaktoptionen oder auch Berechnungs- und Abschlussmöglichkeiten für situative Versicherungen sollte selbstverständlich sein. Einige Insurtechs haben sich genau darauf spezialisiert und bieten sich als Dienstleister an.
- Schritt 3: Kundenberatung. Digitale Beratungshilfen standardisieren und professionalisieren die Beratung. Dazu sollte es einen eindeutig definierten Beratungsprozess geben. Nicht der Kunde, sondern der Experte sollte ein qualifiziertes Beratungsgespräch steuern. Videotelefonie reduziert den Fahraufwand und steigert die Akzeptanz beim Kunden, der keine umständlichen Terminvereinbarungen wünscht.
- Schritt 4: Antragsbearbeitung. Auch hier sollte der elektronische Antrag soweit wie möglich Standard sein. Die Daten gehören in ein modernes Agentur-/Maklerverwaltungsprogramm, das online abrufbar ist und Customer-Relationship-Management-Funktionen aufweist.
- Schritt 5: Kundenbetreuung. Der digitale Versicherungsordner ist ein guter Kundenservice. Noch wichtiger ist es, durchgängige Kontaktmöglichkeiten wie Online-Kontaktformulare oder auch die Telefonaufschaltung auf ein Callcenter oder einen geeigneten Büroservice zu bieten. Denn wenn ein Kunde Fragen hat, erwartet er mehr als nur einen Anrufbeantworter, der Tage später abgehört wird. Außerdem sollte es selbstverständlich sein, regelmäßigen Kontakt zum Kunden zu halten. Dabei kann das Customer-Relationship-Management-System mit Wiedervorlagen und Selektionen möglicher Versicherungslücken helfen. Newsletter intensivieren den Kontakt, der Kunde bekommt nicht das Gefühl vermittelt, dem Vermittler nach einem Abschluss egal zu sein.
Nur wer die Abläufe versteht, kann Verantwortung übernehmen
Auch die sekundären Wertschöpfungsaktivitäten, mit denen die Ressourcen des Vermittlerunternehmens gewährleistet werden, können in Teilen digital effizienter umgesetzt werden. Für die Personalsuche stehen ausgefeilte Personalportale mit Managementfunktionen für die Bewerberauswahl zur Verfügung. Buchhaltung und andere Verwaltungstätigkeiten sowie Telefondienste lassen sich auf Dienstleister verwalten, mit denen Daten und Informationen online ausgetauscht werden.
Das Entscheidende ist, anders als nach klassischen Managementprinzipien schlanke, schnell auf Kundenwünsche reagierende, hierarchiearme Betriebe zu schaffen. Die Mitarbeiter müssen verstehen können, wie die Gesamtleistung des Betriebs funktioniert und dafür Verantwortung übernehmen. Die Digitalisierung von Aufgaben eröffnet Freiräume, um sich dem Kunden wieder zuzuwenden - dann, wenn es der Kunde braucht und zu schätzen weiß.
Bild: © Idprod /istock
Autor(en): Matthias Beenken