Warum ist es für Versicherer gefährlich, ihre Services und Angebote nicht kontinuierlich zu verbessern? Brauchen junge Menschen Versicherungsvermittler überhaupt noch? Über diese und andere Themen sprach Versicherungsmagazin mit Michaele Völler, Professorin an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften am Institut für Versicherungswesen (ivwKöln) an der Technischen Hochschule Köln.
Einer ihrer Forschungsschwerpunkte beschäftigt sich mit Versicherungen und dem Web 2.0. Die Wissenschaftlerin erforscht unter anderem, wie der Einsatz von Social Media im Versicherungswesen die Informations- und Entscheidungsprozesse der Kunden beeinflusst.
Frau Professor Völler, Ihnen zufolge entsteht Zufriedenheit, wenn Erwartungen mindestens erfüllt werden. Warum ist es für Versicherer und stationäre Vermittler trotzdem in der digitalen Welt so gefährlich, mit ihrem Angebot und Service auf der Stelle zu treten?
Michaele Völler: Die Erwartungen an ein Unternehmen sind kundenindividuell und im Zeitverlauf veränderlich. Sie hängen unter anderem von den bisherigen Erfahrungen mit diesem oder vergleichbaren Anbietern ab. Kunden werden dabei nicht nur durch ihre Erfahrungen im Versicherungsumfeld geprägt, sondern auch durch ihre Erfahrungen in anderen Branchen, insbesondere mit den digitalen Giganten wie Google, Apple, Amazon und Facebook. Dort ist das Kundenerlebnis überzeugend. Die digitale Welt ist intuitiv und bequem. Dem Nutzer werden laufend wahrnehmbare Werte geliefert. Es geht um Erlebnisse statt um Produkte. Dadurch steigen die Kundenerwartungen auch an Versicherer, so dass Zufriedenheit in Unzufriedenheit umschlagen kann, wenn sich die Angebote und Services nicht parallel verbessern. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Die junge Zielgruppe, die "always on" ist, schließt einfache Produkte wie die Auslandsreisekrankenversicherung und die Privathaftpflichtversicherung verstärkt online ab. Wird es künftig überhaupt noch klassische Vermittler geben?
Michaele Völler: Wir haben am ivwKöln beleuchtet, welche Versicherungsprodukte von gut gebildeten Digital Natives als eher komplex oder eher einfach eingestuft werden und wie die Customer Journey in Abhängigkeit vom Komplexitätsgrad abläuft. Einfache Produkte wandern sehr deutlich ins Internet ab, von der Informationssuche bis hin zum Abschluss. Anders ist dies bei eher komplexen Produkten. Dort schätzen selbst junge Akademiker die Beratung und die Empfehlungen eines Fachkundigen und tendieren zum Versicherungsvermittler, auch für den Abschluss.
Der klassische Vermittler ist also weiterhin gefragt, allerdings mit einem anspruchsvolleren Produktportfolio. Zudem muss er sich den neuen Herausforderungen in der digitalen Welt stellen, denn auch hier steigen die Anforderungen der Kunden. So gehört die digitale Kommunikation beispielsweise schon zum Repertoire.
Wie kommen junge Menschen an ihren Versicherungsvermittler?
Michaele Völler: Da sich junge Leute auch bei Versicherungsfragen grundsätzlich erst einmal im Internet informieren, sind die Auffindbarkeit in der Online-Welt und eine zeitgemäße Ansprache wichtig. Ein Großteil der Digital Natives "erbt" allerdings zunächst den Vermittler von den Eltern.
Die modernen Kunden sind gewohnt, überall und zu jedem Produkt auf Entscheidungshelfer, (Online-) Bewertungen und Empfehlungen zurückzugreifen. Damit verlernen sie gewissermaßen, Entscheidungen selbständig zu treffen. In Versicherungsfragen nutzen sie ihre Eltern sowohl bei der Produkt- als auch bei der Vermittlerwahl als wichtige Ratgeber.
Autor(en): Stefanie Hüthig