Ein erbitterter Streit tobt hinter den Kulissen zwischen Versicherungsmaklern und Versicherern. Es geht um den Ersatz von Schäden durch Betriebsschließungen infolge des Coronavirus. Eine Reihe von Versicherern lehnt eine Entschädigung ab, obwohl nach Meinung von Maklern geleistet werden muss. Wie viele Unternehmen Schutz haben und wie hoch der ausfällt, ist derzeit unklar. Große Häuser dürften die Zahlungen aber verkraften, glauben die Makler.
Laut dem Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) sind mindestens sieben Versicherer derzeit "sehr robust" unterwegs. Sie lehnten erst einmal jeden Schaden mit dem Verweis auf eine Pandemie oder die Nichtnennung des Corona-Virus ab. "Da bekleckern sich meines Erachtens die Unternehmen in einer solchen schwierigen historischen Situation nicht mit Ruhm. Es kann gut sein, dass sie bei solchen Ablehnungen das politische Berlin wachküssen", warnt Thomas Haukje, Präsident des BDVM.
Viele Unternehmen unversichert
Nach Ansicht von Haukje geht es meist nur um Minimaldeckungen im Vergleich zum Gesamtumsatz der Betriebe. Die Schäden, die durch einen Betriebsstopp durch Corona entstehen, seien eher rudimentär abgesichert. "Selbst wenn alle deutschen und internationalen Assekuranzen jeden versicherten Betriebsschließungsschaden in Deutschland bezahlen würden, würde das keinen dieser Versicherer in die Knie zwingen", glaubt Haukje.
Nach Schätzung des BDVM sind in der Gastronomie- und Beherbergungsbranche erheblich weniger als 25 Prozent der Unternehmen über eine Betriebsschließungsversicherung (BSV) geschützt. Allein bei niedergelassenen Ärzten soll die Quote höher liegen. Haukje: "Doch ausgerechnet diese Kundengruppe darf weiterarbeiten und tut es auch."
Problemfall: Haftpflichtkasse
Besonderen Stress gibt es derzeit mit der Haftpflichtkasse aus Darmstadt. Der Versicherer lehnt nach Aussage eines Mühlheimer Versicherungsmaklers eine Leistung aus der BSV aufgrund des Coronavirus pauschal ab. Zur Begründung heiße es: "Klarstellend weisen wir darauf hin, dass behördliche Auflagen/Allgemeinverfügungen etc., die aufgrund von Covid-19 (Corona) regional bzw. überregional präventiv ausgesprochen wurden, nicht vom Versicherungsschutz der Betriebsschließungsversicherung umfasst sind."
Diese Ablehnung will der Versicherungsmakler auf keinen Fall hinnehmen. "Die Begründung, dass präventive Maßnahmen nicht versichert sind, ist haarsträubend, denn die Prävention ist Kern des Infektionsschutzgesetzes", kritisiert der Vermittler. So heißt es im § 1 (1) des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG): "Zweck des Gesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern."
Schützenhilfe vom BDVM
Nach Angaben des Versicherungsmaklers hat die Haftpflichtkasse bis zum 11. März 2020 noch BSV-Policen angenommen. Allein beim Mühlheimer Makler geht es um rund 80 Versicherungsverträge mit einem Deckungsschutz von 20 Millionen Euro. In der BSV wird in der Regel 30 bis 60 Tage gehaftet. Üblich sind Tagesversicherungssummen, die sich am Jahresumsatz abzüglich des Warenwerts und der geöffneten Tage orientieren. Die versicherten Summen reichen je Betrieb von 100.000 Euro bis hin zu fünf Millionen Euro, schätzen Brancheninsider. Schützenhilfe erhält der Makler aus dem Ruhrgebiet vom BDVM.
Die Maklerlobby hat die Haftpflichtkasse aktuell angeschrieben und das Verhalten gerügt. "Wir sind der Meinung, dass der Versicherer auf Basis der Betriebsschließungsversicherung leisten muss", sagt BDVM-Chef Haukje. Einen Ablehnungsgrund könne man den Allgemeinen Bedingungen nicht entnehmen. Die Haftpflichtkasse Darmstadt konnte auf Anfrage noch keine Stellung beziehen. Grund ist die "hohe Auslastung in der aktuellen Situation", so der Versicherer. Anscheinend wollen aber nicht alle Versicherer dem Beispiel der Haftpflichtkasse folgen. So stellt die Allianz klar: "Wir nehmen aktuell eine Prüfung unserer Eintrittspflicht für jeden Kunden im konkreten Schadenfall anhand des jeweils zugrundeliegenden individuellen Sachverhaltes vor."
Komplexe Lage
Etwaige Ansprüche seien abhängig von der individuellen Ausgestaltung des Versicherungsvertrages und dem konkreten behördlichen Vorgehen. So hat die bayerische Assekuranz in einzelnen Bereichen unterschiedliche Deckungskonzepte und individuelle Klauseln. Das betreffe beispielsweise den Krankenhausbereich. Hinzu komme, dass die versicherten Unternehmen derzeit nicht immer direkt von den Schließungsanordnungen erfasst würden. Außerdem enthielten die behördlichen Verfügungen teilweise keine Schließungsanordnungen, sondern lediglich Einschränkungen der Öffnungszeiten.
Auch die Axa lehnt Leistungen bisher nicht grundsätzlich ab, sondern verweist auf "individuelle Vereinbarungen" und "sehr unterschiedliche" Gründe für Betriebsschließungen. Das Unternehmen verspricht, jeden Fall gemeinsam mit den Kunden klären zu wollen.
Eindeutige Lage: Erkrankte im Betrieb
Nach ersten Schadenfällen, die dem Versicherungsmakler Dennis Sturm von der STC GmbH bekannt sind, werde unproblematisch reguliert, wenn die Betriebsschließung aufgrund von infizierten Mitarbeitern angeordnet worden sei. Dafür muss der Versicherer aber grundsätzlich zur Leistung bei Corona bereit sein.
Sturm verweist darauf, dass einzelne Versicherer für bestimmte Branchen oder Berufe sogar explizit in Newslettern mit dem Schutz vor Viruserkrankungen geworben hätten. Solche Dokumente sollten Vermittler für die Schadenregulierung auf den Tisch bringen.
Württembergische und R+V leisten nicht
Kunden der Württembergischen Versicherung und der R+V werden hingegen nach Aussagen der Unternehmen auf keinen Fall aus einer BSV-Police eine Entschädigung aufgrund der Pandemie erhalten. "Die Betriebsschließungsversicherung der Württembergischen Versicherung leistet Entschädigung, wenn die zuständige Gesundheitsbehörde den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte schließt und wenn die auslösende Krankheit oder der auslösende Krankheitserreger in den Bedingungen namentlich aufgeführt ist", erläutert der Versicherer auf Anfrage. Und weiter "Das Coronavirus 2019-nCov ist dabei nicht namentlich genannt." Auch die R+V verweist darauf, dass in den von ihr verkauften BSV-Verträge "alle Krankheiten und Erreger, bei denen der Versicherungsschutz greift" eindeutig aufgelistet sind. "Das Corona-Virus gehört nicht dazu."
Trotzdem will der BDVM die Schadenregulierung rund um den Corona-Virus "intensiv beobachten". "Einigen Versicherern haben wir schon unsere Bedenken, nein unseren Ärger, mitgeteilt", sagt BDVM-Präsident Haukje. Tatsächlich sei der Schutz vom Wording der Versicherer abhängig. Es gebe aber Fälle in denen Krankheiten lediglich beispielhaft aufgezählt würden. Hier sieht der BDVM eine klare Deckungspflicht des Versicherers.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek