BVR drängt auf Reform der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung in ihrer jetzigen Gestaltung steht vor dem finanziellen Aus. Dies erklärt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in seinem jüngsten Konjunkturbericht. Es drohten massive Beitragserhöhungen. Ein System, das seit 1999 rote Zahlen schreibe und von seinen Rücklagen zehre, sei nicht lebensfähig, so der BVR. Die Reform der Pflegeversicherung sei die dringendste unter allen gebotenen Sozialversicherungsreformen, sie sei allerdings auch am einfachsten möglich.

Die im Koalitionsvertrag fixierten Pläne von CDU/CSU und SPD, das Umlageverfahren in der Pflegeversicherung durch Kapital gedeckte Elemente zu ergänzen, gehen dem BVR nicht weit genug. Eine gänzliche Umstellung auf die Kapitaldeckung sei notwenig.

Bei dieser ordnungspolitisch sauberen Lösung würde, so der BVR, der Versicherungsbeitrag einen Sparbetrag enthalten, der die tendenziell im Alter eintretenden Leistungen decken soll. Jeder Versicherte betreibe damit eine Eigenvorsorge durch versicherungsmathematisch kalkulierte Prämien. Die Pflegeversicherung sei noch relativ jung, so dass sich die Umstiegskosten in Grenzen halten würden.

In der sozialen Pflegeversicherung sind die Leistungen ebenso wie in der Gesundheitsversicherung nicht einkommensabhängig. Durch ein System einkommensabhängiger Beiträge kommt es zu einer Umverteilung, die nicht dem Wesen einer Versicherung entspricht. Dazu gehört auch die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen. Diese Umverteilung soll nach Meinung des BVR aus dem System herausgenommen werden, um die Beitragsbelastung zu reduzieren. Eine Umstellung auf die Erhebung von einkommensunabhängigen Prämien sei sinnvoll. Dabei solle der Arbeitgeberbeitrag stufenweise reduziert und die gesetzliche in eine private, von den Versicherten selbst zu tragenden Pflichtversicherung überführt werden. Ein sozialer Ausgleich habe über das Steuersystem zuerfolgen: Bedürftige müssen eine Unterstützung zur Prämie erhalten.

Diese Korrekturen trügen dazu bei, den Keil zwischen den Arbeitskosten der Arbeitgeber und dem Nettoverdienst der Arbeitnehmer zu verringern. Dadurch würde Schwarzarbeit zurückgedrängt. Außerdem verminderte sich die Tendenz, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung durch Beschäftigungsverhältnisse zu ersetzen, die wie beispielsweise Minijobs weniger durch Abgaben belastet sind. Würden die Lohnzusatzkosten gesenkt und von der Entwicklung der Kosten im Gesundheits- und Pflegebereich abgekoppelt, käme es zu Entlastungen bei den in Deutschland im internationalen Vergleich hohen Arbeitskosten. Der Druck auf die Unternehmen, Arbeit durch Kapital zu ersetzen, also immer mehr Arbeitskräfte durch Maschinen auszutauschen oder Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, würde reduziert. Das käme besonders dem in der Regel sehr arbeitsintensiv produzierenden Mittelstand zu Gute.

Eine kurzfristige Finanzierungsquelle erhoffen sich die Koalitionäre aus der privaten Pflegeversicherung: Private und gesetzliche Pflegeversicherung bieten den gleichen Leistungsumfang an. Die Kalkulationsgrundlagen für die Beiträge der Versicherten und die Risikostrukturen sind jedoch unterschiedlich. Zum Ausgleich dieser unterschiedlichen Strukturen soll laut Koalitionsvertrag ein Finanzausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung eingeführt werden. Nach Ansicht des BVR würde mit einem solchen Vorhaben der Wettbewerb unter den Kassen komplett ausgeschaltet.

Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken



Autor(en): Susanne Niemann

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