Jeder Vermittler sollte eine eigene digitale Strategie entwickeln. Das rät der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) seinen Mitgliedern. Während der Verband auf der einen Seite gegen digitale Fehlentwicklungen – als solche betrachtet er den Online-Broker Check24 – gnadenlos vorgeht, will er den stationären Vermittler internettauglicher machen.
Rund 80 Prozent des Kundenbestandes ist passiv
Vermittler sollten vor allem mit digitalen Mitteln ihren Datenschatz heben. So verwies der BVK anlässlich einer Presseveranstaltung in Berlin darauf, dass bei den meisten Vermittlern rund 80 Prozent des Kundenbestandes als passiv eingestuft werden können. Mit diesen Kunden beständen in der Regel wenig Verträge und es gebe auch kaum Kontakt. „Mit eigenen Bordmitteln oder mit Hilfe von Insurtech-Unternehmen sollten diese Kunden ins aktivere Geschäft überführt werden“, rät BVK-Vizepräsident Andreas Vollmer. Sinnvoll sei zudem der Einsatz von Videoberatung oder Wissenstools. Der Frontalangriff durch digitale Versicherungsmakler auf den Berufsstand der Vermittler habe bisher nicht funktioniert, so der BVK. Die neuen digitalen Anbieter seien lediglich furios in der medialen Wahrnehmung.
In der praktischen Umsetzung sehe es hingegen ganz anders aus. So befände sich die Branche der Insurtechs in einer Art Rückwärtsgang und Marktkonsolidierung. Jüngstes Beispiel dafür sei die Fusion von Knip mit dem niederländischen Anbieter für Vergleichssoftware Komparu,. Der Knip-Gründer, Denis Just, sei sogar als Abteilungsleiter zur Ergo Direkt, also einem traditionellen Versicherer, gewechselt. Gute Ideen der Insurtechs sollten ich Vermittler aber zu Nutze machen. Notfalls eben in einer Kooperation, falls dann mehr Abschlüsse generiert werden können. Bei vielen Insurtechs zeige sich aber mittlerweile, dass eine profunde Kenntnis der Versicherungsmaterie fehle. Das sehe hingegen bei alteingesessen Softwarehäusern ganz anders aus.
Wer zur Risikodeckung bereit ist
So verwies Vollmer darauf, dass der BVK schon seit 2014 erfolgreich bei der Entwicklung von Mindeststandards mit dem Rating- und Analysehaus Franke und Bornberg zusammenarbeite. Das Unternehmen führt beispielsweise für Kunden eine Risikoanfrage bei Versicherern durch und informiert, welche Gesellschaft bereit ist, die Risikodeckung durchzuführen.
Starke Vermittler im Vorteil
Gleichzeitig würden vor allem Versicherungsvergleiche im Netz weiterhin für Ärger und Mehrarbeit sorgen. Viele Kunden kämen deutlich stärker vorinformiert und oft mit einer Wettbewerbsanalyse in die Agenturen. „Das führt schon zu einem erheblichen Druck auf die Ausschließlichkeit“, sagte Vollmer. So gibt es mittlerweile sogar Gewerbeversicherungsvergleiche, die der Kunde bei der Beratung präsentiert. Starke Vermittler seien hier im Vorteil. Sie legen das Konkurrenzangebot oft ihrem Versicherer vor. „Und der deckt dann vielfach genau zu diesen Konditionen den Vertrag ein, um den Vermittler nicht zu verstimmen“, so Vollmer.
Grundsätzlich gelten bei der Online-Beratung nach IDD und nach der aktuellen Rechtsprechung gleiche Pflichten über alle Vertriebswege. Im Online-Bereich gebe es keine herabgesetzten Befragungs- und Beratungspflichten. Das habe das Oberlandesgericht München im Verfahren gegen den Versicherungsmakler Check24.de deutlich gemacht (Az.: 29 U 3139/16). Der Verband glaubt, dass beispielsweise Check24 systematisch falsch berät. Eine abstrakte Klage wegen Fehlberatung akzeptierten die Gerichte aber nicht. Dennoch sieht der BVK das Urteil als wegweisend für jedes Vergleichsportal und die Vermittlung von Versicherungen im Internet. Immerhin müsste der BVK nun gegen Check24 nicht mehr klagen, denn das Urteil sei rechtskräftig. Bei jedem festgestellten Verstoß müsste Check24 ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zahlen.
Allgemeine Beratungspflicht nicht der Digitalisierung opfern
„Maßlos enttäuscht“ ist der BVK in Sachen Online-Verkauf vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Lobby der Versicherer habe jahrelang für den stationären Bereich die Beratungs- und Dokumentationspflicht unterstützt. Doch jetzt sei der GDV aufgrund einiger geldgieriger Mitglieder auf den Hype des Online-Verkaufs eingeschwenkt. Im Namen der Digitalisierung dürfte die Errungenschaft einer allgemeinen Beratungspflicht nicht geopfert werden. „Im Netz muss der Kunde eigentlich sogar mehr Schutz haben. Weil man oft an den Anbieter nicht mehr rankommt. Im stationären Vertrieb steht der Kunde morgen vor der Tür“, meinte BVK-Vizepräsident Ulrich Zander.
Unser Lesetipp
Welche Positionen bezieht der BVK zu anderen wichtigen Themen wie der IDD, der aktuellen politischen Situation nach der Bundestagswahl oder dem Lebensversicherungsreformgesetz? Antworten liefert Ihnen die November-Ausgabe von Versicherungsmagazin. Nachfolgend ein kurzer Blick in die kommende Ausgabe:
"Mit Sorge betrachtet Michael H. Heinz, streitbarer BVK-Präsident, den Ausgang der Bundestagswahl. 'Mit der Großen Koalition haben wir gut gearbeitet.“ Nun werde es schwierig. Denn zwei der Parteien in der Jamaika-Koalition seien weit auseinander. 'Wir wissen zudem, dass die Grünen mit der IDD nicht zufrieden sind.“ Sogar die eigentlich allen Kaufleuten nahestehende FDP könnte problematisch werden. Denn bei der Digitalisierung sei diese Partei vielleicht zu progressiv. „Wir wehren uns zudem entschieden gegen jeden Versicherer der mit einer Deckelung von Provisionen, die Politik hinsichtlich der Höhe der Abschlusskosten milde stimmen will“, warnte der BVK-Chef auf einem Pressegespräch in Berlin."
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Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek