Die neue Versicherungsvermittlungsverordnung nimmt Gestalt an. Worauf sich Vermittler einstellen müssen, jedenfalls wenn Bundestag und Bundesrat nicht noch widersprechen.
Gestern hat das Bundeskabinett eine überarbeitete Fassung der bisher nur als Entwurf vom Oktober 2017 vorliegenden "Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb" beschlossen. Diese enthält insbesondere auch eine neue Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung (VersVermV).
Frühestens im Herbst in Kraft
Nun muss sich der Bundestag noch damit befassen, und auch der Bundesrat hat ein Zustimmungsrecht. Es ist wegen der Sommerpause wohl nicht damit zu rechnen, dass die Verordnung rechtzeitig vor dem 1. Oktober in Kraft treten kann, also vor dem von der EU gesetzten, allerletzten Datum, zu dem die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) überall anzuwenden ist. Irgendwie passt der Ablauf zur Spielweise der deutschen Nationalmannschaft: professionell, korrekt und bemüht, aber zu langsam.
Denn für Versicherungsunternehmen, die jedenfalls die Weiterbildungsbestimmungen der VersVermV aufgrund eines entsprechenden Verweises aus § 48 Abs. 2 VAG dringend brauchen, wie auch für die Versicherungsvermittler ist bereits seit 23. Februar eine unangenehme Situation entstanden. Die IDD ist umgesetzt, alle Versicherungsvertreiber sind formal in der Verantwortung, sich an die Regeln zu halten. Gleichzeitig aber fehlen die konkreten Spielanweisungen aus der VersVermV. Dass die Aufsichtsbehörden für das Jahr 2018 großzügig die Augen zudrücken und die Anwendung der spät konkretisierten Regeln nicht kontrollieren und sanktionieren, kann man zwar hoffen, sollte sich aber als verantwortungsbewusstes Unternehmen keineswegs darauf verlassen.
Neue Sachkundeanforderungen
Die VersVermV ist gegenüber dem Entwurfsstand vom Oktober 2017 in einigen Punkten nachgebessert worden. Die Sachkundeanforderungen in der Anlage 1 VersVermV wurden mit der Anlage 1 der IDD abgeglichen und überwiegend daran angepasst. So finden sich namentlich nun auch Versicherungsanlageprodukte in den sehr detailliert ausgeführten Lerninhalten. Neu aufgenommen wurde das „Kundengespräch unter Beachtung ethischer Grundsätze“, wobei die von der IDD geforderten "ethischen Standards im Geschäftsleben" sicher nicht nur Gespräche mit Kunden umfassen sollte, sondern das gesamte unternehmerische Verhalten und die Führung der Mitarbeitenden.
Weiter vergeblich sucht man weiter den von der IDD geforderten Lerninhalt "Mindestfinanzkompetenz". Auch die "erforderlichen Mindestkenntnisse der Bearbeitung von Schadensfällen" wurden namentlich lediglich für die Kfz-Versicherung übernommen, in den anderen Sparten wird nur von einem Lerninhalt "Versicherungsfall" gesprochen.
Gleichgestellt mit der Sachkundeprüfung werden nun alle Abschlüsse als Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen. Im Entwurf war dies noch auf die Fachrichtung Versicherung eingeschränkt worden. Zudem können nun auch Studienabsolventen Bank- und Finanzdienstleistungs-orientierter Studiengänge mit einem Jahr Praxis im Versicherungsvertrieb anerkannt werden.
Lernerfolgskontrolle nur bei Selbstlernen
Viel Kritik hatte es an den Weiterbildungsbestimmungen im § 7 VersVermV-Entwurf gegeben. Dieser - etwas unglücklich - nur Vermittler adressierende, aber auch Versicherungsangestellte nach § 48 Abs. 2 VAG betreffende Paragraf wurde in mehreren Punkten geändert. "Die Weiterbildung muss dabei mindestens den Anforderungen der ausgeübten Tätigkeiten des zur Weiterbildung Verpflichteten entsprechen und die Aufrechterhaltung seiner Fachkompetenz und seiner personalen Kompetenz gewährleisten", heißt es nun konkreter. Damit ist auszuschließen, dass eine völlig freie Wahl irgendwelcher Bildungsmaßnahmen zulässig ist, sondern der konkrete Bezug zur ausgeübten Tätigkeit belegt sein muss. Gleichzeitig wurde auch die "personale Kompetenz" ausdrücklich aufgenommen, denn Fachkompetenz allein dürfte wohl noch längst keinen guten Versicherungsvermittler und -berater ausmachen.
Die im Entwurf enthaltene Anforderung, dass alle Weiterbildungsmaßnahmen mit Lernerfolgskontrollen abzuschließen sind, wurde stark eingeschränkt. Nun ist nur noch eine Lernerfolgskontrolle bei "Weiterbildungsmaßnahmen im Selbststudium" gefordert. Bei allen anderen Bildungsmaßnahmen, zum Beispiel den sehr schwammig als "betriebsinterne Maßnahmen des Gewerbetreibenden" bezeichneten Veranstaltungen, reicht demnach der Nachweis einer körperlichen Anwesenheit. Ob dies "Mechanismen zur wirksamen Kontrolle und Bewertung der Kenntnisse und Fähigkeiten" sind, die die IDD fordert, darf man wohl bezweifeln.
Qualitätsanforderungen laufen ins Leere
Weiterhin unklar bleibt, wie ein Bildungsanbieter nach dem Wortlaut des § 7 VersVermV auf die Einhaltung von "Anforderungen an die Qualität der Weiterbildungsmaßnahme" nach einer eigenen Anlage 3 verpflichtet werden können soll. Denn Bildungsanbieter sind von Gesetzes wegen keineswegs verpflichtet, sich einer Aufsicht als Versicherungsweiterbildner zu unterwerfen. Außer in dem Fall, dass der Weiterbildner selbst auch Vermittler oder Versicherer ist, läuft diese Vorschrift also ins Leere.
Im Gegenteil, der Weiterbildungsverpflichtete muss sogar befürchten, dass eine Aufsichtsbehörde eine Bildungsmaßnahme nicht anerkennt, weil er als reiner Teilnehmer die Einhaltung dieser Anlage 3 in Teilen gar nicht überprüfen kann, ohne dass der Bildungsanbieter freiwillig kooperiert. Somit kann die Vorschrift die freien Bildungsanbieter diskriminieren. Im Interesse eines hohen Qualitätsstandards und an geeigneter Stelle auch objektiver, nicht durch Produktabsatzinteressen geprägter Bildungsangebote ist das alles sicher nicht.
Jährliche Erklärung nur auf besondere Anforderung
Die Vermittler freuen wird, dass sie zwar weiterhin die Bildungsnachweise sammeln und aufbewahren müssen. Eine jährliche Erklärung über die abgelegte Weiterbildung ist nun aber nicht mehr zwingend gefordert, sondern nur, wenn die zuständige Industrie- und Handelskammer dies anordnet. Damit dürfte wohl allenfalls anlassbezogen zu rechnen sein, wenn es sehr konkrete Hinweise auf eine Nichterfüllung der Weiterbildungspflicht eines bestimmten Vermittlers gibt, denn die Kammern scheuen den personal- und kostenintensiven Kontrollaufwand.
Die ursprünglich geplante zeitanteilige Bildungsvorgabe von 12,5 Stunden für 2018 wurde gestrichen. Auch wer unterjährig beginnt oder seine Tätigkeit vorübergehend zum Beispiel wegen Krankheit oder Kindererziehung unterbricht, bleibt im Kalenderjahr zu 15 Stunden Weiterbildung verpflichtet. Anders sei dies nicht mit der IDD vereinbar, so das Bundeswirtschaftsministerium in der Begründung. Damit sollten Versicherer und Vermittler frühzeitig in die Weiterbildungsplanung einsteigen und nicht erst das Jahr fast herumgehen lassen, ehe die 15 Stunden geplant und durchgeführt werden.
Sinnfreie Information zur Beratung, schärfere Beschwerdemanagement-Vorgabe
In der Erstinformation nach §15 VersVermV muss ein Vermittler nun wieder angeben, "ob" statt "dass" er eine Beratung anbietet. So fordert es die IDD. Das ist allerdings nur sinnvoll, wenn es die Option, keine Beratung anzubieten, überhaupt gibt. Das aber hat der deutsche Gesetzgeber ausgeschlossen und an der nach §§ 6, 61 VVG geltenden, allgemeinen Beratungspflicht festgehalten und selbst die Fernabsatzausnahme für Versicherer gestrichen. Somit ist die Information nunmehr sinnfrei. Übrigens gibt es wohl keine parallele Vorgabe für Versicherer, obwohl die IDD dies ausdrücklich vorsah.
Autor(en): Matthias Beenken