Das System der privaten und betriebliche Vorsorge in Deutschland muss modernisiert und reformiert werden. Bislang hat sich hier wenig bewegt. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) will dies ändern und zwar mit der Bürgerrente. Heute hat er das Konzept in einer Pressekonferenz genauer vorgestellt.
„Keine guten Zeiten für die Altersvorsorge. Viele Menschen haben andere Sorgen als die Altersvorsorge,“ so die heutige Einschätzung von Jörg Asmussen, GDV-Hauptgeschäftsführer. Aber genau darum sei es auch notwendig, die derzeitigen Altersvorsorge-Angebote zu modernisieren. Und je einfacher ein Vorsorge-Police sei, desto eher könne man die Menschen für die Vorsorge gewinnen. Und das soll die Bürgerrente leisten.
Sicherheit ist entscheidendes Kriterium bei der Wahl der Altersvorsorge
Um herauszufinden, was den Bürgerinnen und Bürgern bei der Wahl ihrer Vorsorge wichtig ist, hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beim Institut für Demoskopie Allensbach eine Umfrage in Auftrag gegeben. Die hat herausgefunden, dass vor allem Sicherheit für die Deutschen das entscheidende Kriterium bei der Wahl ihrer Altersvorsorge (AV) ist.
In Zahlen ausgedrückt heißt dies: 55 Prozent der Bürger hätten spontan positiv auf die Idee und die Inhalte der Bürgerrente reagiert, bei den unter 30-Jährigen hätte der Wert sogar noch etwas höher gelegen. Für 78 Prozent der Befragten ist es demnach besonders wichtig, dass ihre eingezahlten Beträge sicher angelegt werden. 67 Prozent wollen vor allem Planungssicherheit und wissen, über welches angesparte Kapital sie im Alter verfügen können. 58 Prozent wünschen sich eine qualifizierte Beratung bevor sie einen Vertrag abschließen.
57 Prozent wünschen sich unkompliziertes Prozedere beim Abschluss
Einer großen Mehrheit der Menschen ist es besonders wichtig, dass ihre Renten lebenslang ausbezahlt und im Todesfall die Ansprüche auf ihre Angehörigen übertragen werden. Auch staatliche Zuschüsse sind für die Bevölkerung ein wichtiges Argument. Das heißt: 63 Prozent ist bei ihrer Entscheidung für oder gegen eine private Altersvorsorge besonders wichtig, dass der Staat Zuschüsse gibt. 57 Prozent wünschen sich zudem ein unkompliziertes Prozedere beim Abschluss von AV-Verträgen.
„Der starke Fokus auf Sicherheit bedeutet allerdings nicht, dass Rendite für die Mehrheit der Menschen von untergeordneter Bedeutung ist“, ist Katja de la Viña, Vorsitzende GDV-Präsidialausschuss Altersvorsorge und Zukunftssicherung, überzeugt. „Vielmehr gehört zu den Top 10 der Prioritäten bei der Altersvorsorge auch der Wunsch, am Ende möglichst hohe Erträge erzielen zu können.“ 54 Prozent der Bevölkerung ist dieser Aspekt besonders wichtig.
Neues Vorsorgeangebot soll auch für Selbstständige gelten
Im Vergleich zu den vorherigen Vorsorgeangeboten soll die Bürgerrente für jeden Steuerpflichtigen in Deutschland attraktiv sein, also auch für Selbstständige oder auch für diejenigen, die wechselnde Arbeitsbiografien haben, also vom Angestellten-Verhältnis zur Selbstständigkeit oder umgekehrt wechseln.
Damit all diese Berufsgruppen die Struktur des Produktes gut verstehen können, soll es weniger komplex sein. Aus diesem Grund sind die Prozesse auch digital und schlank, so die eigene Einordnung des GDV. Dieser Umstand hilft am Ende auch, die Produktkosten zu senken. Aus diesem Grund sollen auch keine unterschiedlichen Chancen-Profile offeriert werden, die die Kosten wieder nach oben treiben können.
Mit diesen Eckpunkten soll die Bürgerrente überzeugen
- Für jeden Euro, den der Bürger einzahlt, soll der Staat noch 50 Cent drauflegen.
- Bei der Bürgerrente sollen die jeweiligen Produktanbieter in der Verantwortung bleiben.
- Das Rentenkonzept soll gute Chancen am Kapitalmarkt bieten, aber trotzdem Sicherheit gewähren.
Das bedeutet auch, dass die Sparerinnen und Sparer garantiert mehr bekommen sollen als sie einbezahlt haben. - Das Verlustrisiko soll bei nur zwei Prozent liegen und nicht wie bei Fondsprodukten bei bis zu 30 Prozent
- Selbst mit kleinen Sparbeiträgen sollen die Menschen gut für ihre Altersvorsorge sorgen können.
- Das Produktangebot soll auch eine Kinderzulage beinhalten.
Weniger Komplexität, mehr Transparenz sind für Kundinnen und Kunden von Vorteil. Nicht aber unbedingt für Vermittlerinnen und Vermittler, denn die vereinfachten Antragsprozesse vereinfachen natürlich auch die Beratung. Konsequenz: Die Vermittlervergütung wird sich verringern. Eine Tatbestand, den auch Gerhard Müller bestätigte.
Immer mehr Menschen werden auf Nachhaltigkeit setzen
Das Thema Nachhaltigkeit bei der Finanzanlage spielt bei der Bevölkerung bislang noch eine untergeordnete Rolle: 36 Prozent der Befragten halten das für besonders wichtig. “Aber auch das wird sich ändern und über kurz oder lang zur Aufgabe der Vermittlerinnen und Vermittler”, sagte Gerhard Müller, stellvertretender Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses Altersvorsorge und Zukunftssicherung.
Die Bürgerrente ist noch kein fertiges Produkt, sondern erst ein Konzept für eine freiwillige private Vorsorgelösung für die Bürgerinnen und Bürger. Katja de la Viña glaubt fest daran, dass ihr Verband mit der Bürgerrente den Menschen „eine passgenaue Lösung“ für deren Altersvorsorgeplanung bieten kann. Dies sei vor allem dadurch gelungen, dass das GDV-Konzept „die Vorsorge von den Menschen aus denken und nicht vom System aus“.
Hintergrundinformationen
Für die repräsentative Umfrage hat das Institut für Demoskopie Allensbach 1.007 Personen ab 16 Jahren befragt. Die Interviews wurden im Zeitraum zwischen dem 3. und 18. April 2023 geführt.
Wie geht es mit der betrieblichen Altersversorgung und Riester weiter?
Das Dilemma der betrieblichen Altersversorgung (bAV) umriss Asmussen folgendermaßen: „Fast alle wollen die bAV weiter ausbauen. Nur über das Wie wird noch gerungen. Ihre Verbreitung tritt aktuell auf der Stelle. Bei der Verbreitungsquote herrscht Stillstand“. Um diesen lähmenden Stillstand wenigstens bei der Riester-Rente zu beenden, hat die Bundesregierung eine so genannte Fokusgruppe gegründet.
Was ist die Fokusgruppe und welche Ziele verfolgt sie?
Das Bundeskabinett hat am 30. November 2022 dem Beschluss Fokusgruppe private Altersvorsorge zugestimmt. Die Fokusgruppe soll bis Sommer 2023 zum einen die Möglichkeit eines öffentlich verantworteten Fonds prüfen, der Altersvorsorgenden ein nicht verpflichtendes, kostengünstiges und effektives Angebot zur privaten Altersvorsorge unterbreitet. Zum anderen soll die Fokusgruppe die Möglichkeit einer gesetzlichen Anerkennung privater Produkte prüfen, die eine höhere Rendite erzielen, als auf Basis bisheriger Riester-Verträge möglich ist.
Neben dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gehören der Fokusgruppe unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Anbieterverbände, des Verbraucherschutzes, der Sozialpartner und der Wissenschaft an.
Vertreterinnen und Vertreter von der Deutschen Bundesbank, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Rentenversicherung Bund können als ständige Gäste teilnehmen. Darüber hinaus können Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskanzleramts an den Sitzungen der Fokusgruppe teilnehmen.
Die Fokusgruppe tagt vertraulich. Aus diesem Grund konnte und wollte Jörg Asmussen keine näheren Details zum Stand der Verhandlungen der Gruppe liefern.
De la Vinja ergänzte noch: „Wir stehen weiterhin zum 5-Punkte-Plan der Politik zur Riester-Rente. Riester ist seitens des Vertriebes und der Verwaltung sehr komplex. Auch hier sollen die Prozesse vereinfacht werden, so dass die diesbezüglichen Kosten gesenkt werden.“ Am 26. Juni wird die Gruppe voraussichtlich wieder tagen.
Provisionsverbot: Ja, nein, vielleicht
Ein wichtiges Thema bei der GDV-Presserunde war auch das Provisionsverbot. Die GDV-Spitze zeigte sich optimistisch, dass die EU-Kommission morgen wahrscheinlich von einem generellen Provisionsverbot Abstand nehmen wird. „Wenn dies morgen so kommt, ist dies sicher ein Erfolg, der auch auf die Bemühungen des GDV zurückzuführen ist“, zeigte sich Asmussen überzeugt.
Morgen um die Zeit wissen wir vielleicht schon mehr.
Autor(en): Meris Neininger