Wachstum durch besseren Service und Mehrwerte für den Kunden stehen überall in der Versicherungsbranche im Fokus. Die Automatisierung bleibt dabei eine zentrale Aufgabe. Das ist ein Ergebnis der Studie „Branchenkompass Insurance 2017“ von Sopra Steria Consulting und dem F.A.Z.-Institut.
Neues Wachstum soll vor allem auf organischem Wege entstehen. 94 Prozent der Versicherer wollen Neu- und Bestandskunden mit verbessertem Service überzeugen. Viele Versicherer bauen gerade an den nötigen technologischen Fundamenten. Ein kanalübergreifender Dialog mit den Kunden ist erst bei 35 Prozent der Versicherer möglich. Der Grund, so erläutert Studienleiter Lars Rautenburger, liege an den IT-Altlasten der Versicherer. Oft hätten die Gesellschaften mehrere Bestandssysteme, die mit einem gigantischen Aufwand in Neusysteme überführt werden müssten. Kundenportale für die direkte Kommunikation mit den Versicherten sind bei 26 Prozent in Planung.
Mehr Automatisierung
82 Prozent der Versicherungsunternehmen wollen das Geschäft zudem stärker automatisieren. Nur 43 Prozent der Befragten schätzen den Grad der Dunkelverarbeitung derzeit als hoch ein. Zum einen soll durch automatisierte Prozesse die Kundenzufriedenheit steigen, zum anderen die Kosten sinken, beispielsweise im Schadenmanagement. Online-Schadenmeldungen und der Upload von Dokumenten, Bildern und Videos über Schaden-Apps sollen künftig zum Standard werden. Der Aufwand für die Begutachtung reduziert sich damit erheblich. Weiteres Einsparpotenzial bieten Algorithmen, die bei der Betrugserkennung unterstützen, und IT-Lösungen, die Briefpost automatisiert in digitale Daten umwandeln.
Versicherung der Zukunft
Die Studie ging auch auf das Thema Versicherung der Zukunft ein. Ein „Weiter so“ werde es nach Einschätzung von Rautenburger nicht geben. Der Versicherungsmarkt wird vielfältiger werden: Das zeigten unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich voll automatisierter Versicherungsberatung. Und: Versicherer wollen mehr Kontakt zu ihren Kunden. Der persönlichen Beratung wird ein hoher Stellenwert eingeräumt. Dabei sind Versicherer auch selbstkritisch: Sie wollen mehr Service bieten und schneller auf Kundenanfragen reagieren. Das Innovationstempo soll steigen. Und: Die Versicherungsentscheider stellen sich auf einen Kulturwandel ein: Die digitale Befähigung der Mitarbeiter stehe im Fokus.
Stimmungskiller Niedrigzinsen und Regulierung
Für drei Viertel der befragten Versicherungsentscheider ist das niedrige Zinsniveau die wichtigste Herausforderung, die es künftig zu meistern gilt. Im Vergleich zu früheren Befragungen hat dieses Thema erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Lebensversicherer reagieren und passen ihre Angebote an den 2017 auf 0,9 Prozent festgelegten Garantiezins an. Neukunden erhalten zunehmend Verträge ohne herkömmliche Zinsgarantien. Für alte Verträge mit hohen Garantiezinsen erwägen selbst große Versicherer inzwischen den Weg, diese Bestände an so genannte Run-off-Versicherer zu verkaufen. Auch andere Sparten seien von den dauerhaft niedrigen Zinsen ebenfalls betroffen. Für Schaden- und Unfallversicherer werde es zunehmend schwierig, negative Schadenfallquoten mit Zinseinkommen aus Kapitalanlagen auszugleichen. Private Kranken- und Pflegeversicherungen werden letztendlich zu Beitragsanpassungen gezwungen, sollten die Alterungsrückstellungen zu wenig Rendite erwirtschaften.
Darüber hinaus sind die Versicherer wie die Banken überdurchschnittlich stark von immer wieder neuen Regulierungsvorschriften betroffen. Neben Solvency II, IDD und EU-Datenschutz-Grundverordnung bewerten 72 Prozent der für die Studie Befragten Compliance als eine große Belastung für das eigene Unternehmen. Der Grund: Die Versicherer schöpften die Möglichkeiten für eine stärkere Automatisierung nach eigener Einschätzung nicht aus. Nur 37 Prozent der Studienteilnehmer bestätigen, dass im eigenen Unternehmen automatisierte Compliance-Überprüfungen verbreitet sind.
Autor(en): Bernhard Rudolf