Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) wächst kontinuierlich. Seit 2019 gibt es auch eine betriebliche Pflegeversicherung (bPV). Doch das einmalige Großprojekt fand bisher keine Nachahmer. Nun hat die Hallesche ein für jedes Unternehmen mögliches Pflegeprodukt auf den Markt gebracht. Es zielt ganz anders als die herkömmliche Pflegeversicherung auf die Doppelbelastung von Beruf und Angehörigenpflege. Experten bewerten es als großen Wurf. Das Produkt könnte eine neue Teilsparte ins Leben rufen.
Aufsehen erregte Ende 2019 das „bundesweit erste Konsortium in der Krankenversicherung im tarifvertraglichen Rahmen“. Eingeführt wurde eine betriebliche Pflegezusatzversicherung. Der Tarifvertrag gilt für die chemische Industrie (IG BCE) und sieht eine klassische Pflegezusatzversicherung vor. Als Gruppenvertrag entfällt die Gesundheitsprüfung. Der Leistungsumfang sieht bei ambulanter Pflegebedürftigkeit (Pflegegrade 2 bis 4) ein monatliches Pflegetagegeld in Höhe von 300 Euro und für den Fall einer stationären Pflegebedürftigkeit (Pflegegrade 2-5) ein Pflegetagegeld in Höhe von monatlich 1.000 Euro vor. Versichert sind laut Tarifvertrag alle Mitarbeitenden ab dem 1. Juli 2021 für den Fall einer eintretenden Pflegebedürftigkeit.
Risiko zu groß für Deutsche Familienversicherung
Als Risikoträger fungierten beim Start zunächst die Deutsche Familienversicherung (DFV); Barmenia und die R+V. Ausgerechnet der Initiator, die DFV, musste Anfang des Jahres auf Druck der Kontrollbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus dem Konsortium ausscheiden. Nach Angaben der DFV war die jährliche zu erwirtschaftende notwendige Kapitalanlage zu riskant. „Die DFV ist vom innovativen Projekt Care-Flex Chemie nach wie vor überzeugt“, teilte das Unternehmen mit. Nachahmer hat das Projekt aber bisher nicht gefunden. Dabei können auch außerbetriebliche Beschäftigte der Branche Care-Flex Chemie erhalten, wenn ihr Arbeitgeber dies vereinbart. Ob das Projekt tatsächlich von Erfolg gekrönt ist, wird wohl erst die Zukunft zeigen.
Pflegerisiko wird zu oft ausgeblendet
Grundsätzlich leidet auch die bPV daran, dass das Pflegerisiko in der Regel selbst für Menschen über 50 vielfach kaum präsent ist. „Das Risiko wird einfach ausgeblendet“, sagt ein Produktmanager eines privaten Krankenversicherers. Da ist es kein Wunder, dass die private Pflegeversicherung seit Jahren einen Abrieb erleidet. Waren 2009 insgesamt 9,5 Millionen Menschen privat pflegeversichert, lag ihre Zahl nach Angaben des PKV-Verbandes 2019 nur noch bei 9,3 Millionen.
Neue betriebliche Pflegeversicherungslösung schützt Arbeitende
Mit dem Problem der Risikoferne räumt aber jetzt eine Idee der Halleschen Versicherung auf. Die neu eingeführte betriebliche Pflegeversicherungslösung „Feelcare“ zielt auf ein Problem, dem sich immer mehr Arbeitnehmer stellen müssen: Wie kann die Pflege von Angehörigen mit der Arbeit koordiniert werden? Rund jeder elfte Beschäftigte übernimmt schon heute neben seinem Beruf Verantwortung für eine pflegebedürftige Person. Tendenz aufgrund der demografischen Entwicklung steigend. Die Doppelbelastung ist oft kaum zeitlich zu vereinbaren. Feelcare, dass als Gruppenvertrag im Rahmen der bKV abgeschlossen werden kann, zeigt hier einen guten Lösungsansatz auf. Pflegende Mitarbeiter werden umfassend durch Service und Geldleistungen unterstützt.
Auch Feelcare ist eine Budgetlösung, die in der bKV längst zum Trend geworden ist. Möglich ist ein monatliches Pflegebudget von 300, 600 oder 900 Euro. Wird ein Mitarbeiter zur Pflegeperson eines nahen Angehörigen mit Pflegegrad zwei oder höher, wirkt der Schutz. Klassische Elemente gibt es zudem auch noch. Es können Einmalzahlungen vereinbart werden, wenn der Mitarbeiter selbst zum Pflegefall wird.
Produkt hat sogar eine Nachhaltigkeitsauszeichnung erhalten
Das Produkt erntet von unabhängiger Seite viel Lob. „Die Hallesche Krankenversicherung hat hier eine wichtige und innovative Lösung für Unternehmen geschaffen“, sagt Uwe Jüttner, Spezialist für die betriebliche Krankenversicherung bei Aon im Bereich Health Solutions. Das Konzept fokussiere auf den Erhalt der Arbeitskraft des einzelnen Mitarbeiters über die Entlastung desjenigen, der sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmert. Jüttner: „So wird aus der betrieblichen Pflegezusatzversicherung ein attraktiver Benefit für alle Mitarbeitenden, nicht nur während eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses, sondern auch während der Ansprache neuer Talente“.
Nun hat das Produkt auch noch eine Nachhaltigkeitsauszeichnung erhalten. Das Nachhaltigkeitstestat kommt von der Universität Bayreuth und deren Kooperationspartner, die 2010 gegründete Strategie- und Managementberatung Concern. Dank des Testats wüssten Firmen nun, dass sie ein nachhaltiges Produkt von einem glaubwürdig nachhaltigen Unternehmen erwerben, so die Wissenschaftler. Der bKV, die seit 2015 auf über eine Million Versicherte gewachsen ist, könnte die Idee noch mehr Schub verleihen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek