Warburg Pincus LLC dürfte ab dem 4. August 2022 freie Fahrt für seine Mehrheitsbeteiligung am Maklerpool Blau Direkt erhalten. Dann ist aller Voraussicht das so genannte Vorprüfverfahren des Bundeskartellamtes zur Fusionskontrolle (Akz.: B9-65/22) beendet.
Warburg Pincus ist ein US-amerikanisches Private-Equity-Unternehmen. Ende Oktober 2021 meldete das Unternehmen ein Investitionsvolumen von 97 Milliarden US-Dollar, die weltweit in über 960 Unternehmen angelegt sind. Trotz Mehrheitsbeteiligung des US-Schwergewichts beharrt die Blau Direkt GmbH & Co. KG darauf, dass es sich nicht um eine Übernahme handelt. „Eine Übernahme findet unserer Ansicht nach nicht statt“, sagte Oliver Pradetto auf Anfrage. Es handele sich um eine vorübergehende zweckgebundene Erweiterung des Eigentümerkreises.
Garant für Wachstum
So soll das Unternehmen die nötigen Finanzmittel bereitstellen, um den hohen Wachstumskurs von Blau Direkt weiter aufrecht zu erhalten. 2020 war das Unternehmen laut Geschäftsbericht um fast 37 Prozent gewachsen und hatte einen Provisionsumsatz von 81,7 Millionen Euro erzielt. Für 2021 hatte der Pool nach eigenen Angaben 123 Millionen Euro Einnahmen erwirtschaftet und war daher um über 50 Prozent gewachsen – trotz Corona und damals noch ganz ohne Zukauf und Investoren. Den Erfolg führt Blau Direkt auf seine Vorherrschaft in der Maklertechnologie zurück. „Durch die technische Überlegenheit würden sich immer mehr Makler entscheiden, ihre Bestände in die Verwaltung von Blau Direkt zu geben“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Mehrheitseigentümer soll nach fünf Jahren „gehen“
Doch Technologie werde „immer teurer“. Daher soll der Pool nun durch „Kooperation und Zusammenführungen“ sowie „Internationalisierung“ gestärkt werden. „Diese Phase wird voraussichtlich bis zu fünf Jahre in Anspruch nehmen“, erläutert Pradetto, der neben Lars Drückhammer, Hannes Heilenkötter und Oliver Lang Geschäftsführer des Pools ist. Danach soll Warburg Pincus „nach gegenwärtiger Planung“ wieder aus dem Kreis der Eigentümer ausscheiden. Laut Pradetto wird die blau direkt-Geschäftsführung unverändert im vollen Umfang alle operativen Entscheidungen verantworten. Die bisherigen Eigentümer würden mit ihrem vollen Vermögen in blau direkt investiert bleiben. „Insofern rechnen wir kurzfristig mit keinerlei Einfluss auf den Vermittler“, betont Pradetto. Längerfristig verfolgten Warburg Pincus und blau direkt das Ziel die Dienstleistung, insbesondere die technologische Marktführerschaft, zu stärken und auszubauen. Vermittler würden dann von einem noch leistungsfähigeren Service profitieren.
Operativ selbstständig
Die Fusion erinnert stark an den Verkauf des größten deutschen Pools Fonds Finanz. Ende 2021 hatten die Gründer und geschäftsführenden Gesellschafter der Fonds Finanz Maklerservice GmbH, Norbert Porazik und Markus Kiener, 60 Prozent ihrer Anteile an den britischen Investor HG Capital verkauft. Der milliardenschwere Investor hat bereits den Gewerbemakler GGW, den Deckungskonzeptanbieter Conceptif und den D&O-Spezialisten Howden übernommen. Vor allem das Gewerbe- und Industriegeschäft wird von vielen Investoren als wichtiges zusätzliches Standbein gesehen.
Daher hatte 2021 MLP den Versicherungsmakler RVM gekauft. Dennoch bleiben operativ viele Unternehmen selbstständig. Noch heute führen Porazik und Kiener die Fonds Finanz. Statt eines Fünf-Jahres-Zeitraums wollen die Fonds Finanz-Chefs aber die nächsten 25 Jahre mit HG zusammenarbeiten und das Wachstum des Fonds forcieren. Daher bleibt abzuwarten, ob sich der Mehrheitseigentümer Warburg Pincus bei Erfolg tatsächlich nach nur fünf Jahren bei blau direkt wieder verabschiedet.
Viel Bewegung auf dem Poolmarkt
Der Poolmarkt ist jedenfalls stark in Bewegung. So hat beispielsweise der Münsteraner Maklerpool die pma zum 1. Juli 2022 die auf Apotheker, Ärzte und Zahnärzte spezialisierte fhb Finanzberatung für Heilberufe aus Esslingen am Neckar übernommen. Nach der exklusiven Vertriebspartnerschaft mit Denphamed, der Internet-Domain für Dentisten, Pharmazeuten und Mediziner im September 2021, berät die pma einschließlich des jetzigen fhb-Erwerbs rund 1.500 Apotheken in allen Fragen rund um Versicherungen, Kapitalanlage und Altersvorsorge. Über die fhb-Experten erweitere sich das Portfolio zudem um betriebswirtschaftliche Themen sowie um ein langjähriges Know-how bei Existenzgründungen.
Doch kein Unternehmen scheint heute vor der Übernahme gefeit zu sein. Vielleicht hilft es, wenn der Gesellschafterkreis um Versicherer mit Minderheitsbeteiligung erweitert wird. Diesen Weg ist 2021 die vfm, ein Verbund selbständiger Versicherungsmakler und Mehrfachagenten, bei der Neuordnung der Gesellschafterstruktur gegangen. Jeweils 7,5 Prozent der Gesellschafteranteile übernahmen die Maklerversicherer KS Auxilia, Haftpflichtkasse und Volkswohl Bund.
Nachfolge und Digitalisierung treiben Markt
Ein Grund für die starke Konsolidierung im Makler- und Poolmarkt ist der Mangel an Nachfolgern. Zudem gibt es einen hohen Druck auf Maklerunternehmen, sich stärker zu digitalisieren. Er dürfte in der Corona-Pandemie noch gestiegen sein. Doch die dafür notwendigen Investitionen können kleine Versicherungsmakler immer weniger stemmen. Größere Einheiten sind notwendig. Hilfreich kann aber auch eine enge Kooperation sein.
Je nach Art der Zusammenarbeit gibt es aber auch Kritik aus der Branche. „Sehr kleine Versicherungsmakler schließen sich immer öfter mit Haut- und Haaren Dienstleistern an“, stellt etwa Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), fest. Er hält diese Entwicklung für problematisch. „Die Dienstleister sind immer dominanter, bestimmen die Preise und machen das Geschäft richtig teuer“, warnte Heinz.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek