Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat eine Konsultation zu einer speziellen Kategorie von Versicherungen zur Einkommenssicherung gestartet. Was sich hieraus ableiten lässt.
Vor wenigen Tagen startete die BaFin eine Konsultation zur "Funktionellen Invaliditätsversicherung, die von Schaden-/Unfallversicherungsunternehmen angeboten wird". Bis Ende August können Stellungnahmen dazu eingereicht werden.
Alternative Einkommenssicherung
Das Rundschreiben soll sich an Versicherungsunternehmen richten, hat aber letztlich auch Konsequenzen für die Versicherungsvermittler. Es geht um die als Funktionsinvaliditätsdeckungen bekannte Kategorie an Einkommenssicherungsprodukten, die in der Sparte Unfallversicherung geführt werden, aber über den Deckungsumfang einer Unfallversicherung weit hinausgehen. Die Deckungen sind unter anderem als Grundfähigkeitsversicherung oder Schwere-Krankheiten-Versicherung bekannt. Manche Versicherer haben dafür auch eigene Namen erfunden.
Im Unterschied zu der in der Lebensversicherung geführten Berufsunfähigkeits-Versicherung (BU) ist eine Berufsunfähigkeit nicht Voraussetzung für die Leistung. Stattdessen werden Leistungen fällig, sobald bestimmte Grade der Unfallinvalidität, Pflegebedürftigkeit, Verlust von Grundfähigkeiten des Körpers, schwere Erkrankungen oder Organschäden auftreten. Typischerweise werden entweder Kapital- oder Rentenleistungen fällig.
Schadenversicherung als richtige Heimatsparte?
Der BaFin geht es zum einen um die eher technische Frage der Zuordnung solcher Versicherungen zur richtigen Sparte - passen sie in die Schaden-/Unfallversicherung oder besser in die Personenversicherungen? Das sei eine Einzelfallentscheidung, denn es handele sich tatsächlich um Mischformen aus Unfall- und Lebensversicherungen.
Grundsätzlich aber können nach Meinung der BaFin solche Versicherungen auch in der Schaden-/Unfall-Sparte betrieben werden. Entscheidend sei weniger der Produktname als vor allem der materielle Inhalt des Leistungsversprechens. Vereinfacht gesagt passen diese Versicherungen dann in die Unfallsparte, wenn es bedingungsgemäß keinen unmittelbaren Bezug zur Berufsunfähigkeit gibt.
Deckungsrückstellungen oft erforderlich
Allerdings hat die Spartenzuordnung recht praktische Konsequenzen. Denn ähnlich wie in der Lebensversicherung enthalten die Funktionsinvaliditätsdeckungen Leistungen, die mit zunehmendem Alter des Versicherten mit immer größerer Wahrscheinlichkeit eintreten können. Das aber bedeutet wie in der Lebensversicherung, dass unter Umständen Deckungsrückstellungen für die altersgerechte Kalkulation gebildet werden müssen. Das gilt jedenfalls immer dann, wenn ein Versicherer eine vom Eintrittsalter abhängige Prämie berechnet, die anschließend über die Vertragslaufzeit konstant bleibt.
Es darf allerdings ein bedingungsgemäßes Prämienanpassungsrecht geben, nur eben keine Anpassungspflicht aus kalkulatorischen Gründen. Einschränkend weist die BaFin darauf hin, dass ein Prämienanpassungsrecht nicht missbraucht werden dürfe, um anfänglich – zum Beispiel aus Wettbewerbsgründen - zu niedrig kalkulierte Prämien später auszugleichen. Das sei eine unangemessene Benachteiligung des Kunden. Dasselbe gilt für das Kündigungsrecht des Versicherers, das in solchen Fällen ausgeschlossen werden müsse.
Gesetzgeber säumig?
In diesen Fällen gilt nach Meinung der BaFin die Funktionsinvaliditätsdeckung als eine nach Art der Lebensversicherung betriebene Schadenversicherung, die Vorschriften für die Kalkulation von Lebensversicherungen müssen dann angewendet werden. Ausgenommen werden könnten nur befristete Versicherungen mit einer automatischen Beendigung nach nur drei Jahren ohne besondere Kündigung, eine wohl eher praxisferne Konstellation.
Die BaFin sieht sogar eine Gesetzeslücke im Versicherungsaufsichtsgesetz. Denn ihrer Meinung nach muss ein Unfallversicherer, der solche nach Art der Lebensversicherung betriebenen Deckungen anbietet, auch einen Verantwortlichen Aktuar analog § 162 VAG bestellen. Als Alternative kann eine Funktionsinvaliditätsdeckung allerdings auch Stufen-Prämien vorsehen, wenn von vornherein festgelegt wird, dass die Prämien bei Erreichen einer Altersstufe ansteigen.
Unterschied zur Berufsunfähigkeitsversicherung aufzeigen
Für den Vertrieb wichtig sind einige Anmerkungen der BaFin, welche Beratungspflichten ein Versicherer nach § 6 VVG ihrer Meinung nach hat. Denn daraus lässt sich ableiten, was Versicherungsvertreter in Erfüllung der Pflichten des Versicherers leisten müssen. Und ebenso, was Versicherungsmakler ihren Kunden gegenüber mindestens leisten sollten, wenn sie den Abschluss von Funktionsinvaliditätsdeckungen empfehlen.
Die BaFin weist darauf hin, dass diese Deckungen eine große inhaltliche Nähe zur BU sowie eine besondere soziale Relevanz als Einkommenssicherung haben, gleichwohl aber einer "im Vergleich zur Lebensversicherung deutlich abgeschwächten vertraglichen Stabilität des Produktes" unterliegen. Das sei ein besonderer Beratungsanlass.
Deshalb müssten die Versicherer und damit letztlich auch die Vermittler einen Kunden "klar" darüber informieren, "dass es sich bei dem Vertrag um keine Berufsunfähigkeitsversicherung handelt". Außerdem gehörten die Beitragsanpassungsrechte des Versicherers, der Ausschluss solcher Beitragsanpassungen im Fall von Kalkulationsfehlern des Versicherers, die ordentlichen und außerordentlichen Kündigungsrechte des Versicherers sowie der Ausschluss des Kündigungsrechts des Versicherers wegen für ihn erkennbaren Kalkulationsfehlern bei der Erst- oder Neukalkulation des Vertrags zum Beratungsumfang.
Verbraucherschutz gewinnt an Bedeutung
Es dürfte zwar anzunehmen sein, dass sich die Versicherer mindestens gegen die Zwangsinformationen über die nach Meinung der BaFin ihr bei Kalkulationsfehlern nicht zustehenden Beitragsanpassungs- oder Kündigungsrechte wehren werden. Für Vermittler ist das aber ein Hinweis darauf, dass sie auch unabhängig von der Meinung der BaFin beim Vertrieb von Funktionsinvaliditätsdeckungen genauer hinsehen und den Kunden über solche Besonderheiten der Produkte im Vergleich zur BU informieren sollten.
Das mindert keineswegs ihren Stellenwert vor allem bei solchen Kunden, die realistisch keine Berufsunfähigkeits-Versicherung bekommen können oder wollen, empfiehlt sich aber im bestmöglichen Interesse des Kunden. Und nebenbei zeigt diese Konsultation erneut, dass die BaFin zunehmend ihre Rolle neu interpretiert als Verbraucherschutzbehörde.
Autor(en): Matthias Beenken