Anfang des Jahres hat das Finanzministerium auf Veranlassung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages die Auswirkungen des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) unter die Lupe genommen. Ein wichtiges Ergebnis dieser Evaluierung, die Ende Juni in einem entsprechenden Bericht veröffentlicht wurde: Die Zinszusatzreserve soll erhöht werden - in kleinen Häppchen.
2011 hat der Gesetzgeber die Zinszusatzreserve mit der Intention geschaffen, diese Garantien auch angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen zu sichern. Die Zinszusatzreserve ist zu bilden, wenn der Referenzzins (gebildet aus den Euro-Zinsswaps der letzten zehn Jahre) den höchsten Rechnungszins (der Mindestzins, um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen) im Bestand unterschreitet. Kumuliert lag die Höhe der Zinszusatzreserve 2017 bei rund 59,5 Milliarden Euro.
Die Jahre zuvor sah die Situation folgendermaßen aus:
2011: 1,5
2012: 7,2
2013: 12,8
2014: 21,3
2015: 32,1
2016: 44,1
Die höheren Zuwachsraten ab dem Jahr 2014 sind darauf zurückzuführen, dass das Zinsniveau am Kapitalmarkt weiter zurückgegangen ist.
Auflösung von stillen Reserven keine dauerhafte Lösung
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat Anfang Mai 2018 ihren Jahresbericht 2017 vorgestellt. Im Hinblick auf die Lebensversicherer konstatiert die Bafin, dass eine wachsende Zahl von Lebensversicherern von der Substanz lebe. Diese könnten die erforderliche Dotierung der Deckungsrückstellungund damit auch der Zinszusatzreserve – die die Unternehmen gerade stärken soll – nicht mehr ohne Weiteres aus den laufenden Kapitalerträgen bedienen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Auflösung von stillen Reserven ist nach Ansicht der Bafin aber nur bis zu einem gewissen Grad akzeptabel.
Auch bei den Pensionskassen ist der Rechnungszins wichtig, um die zugesagten Leistungen. dauerhaft erfüllen zu können. Regelmäßig wird überprüft, ob die künftig erzielbare Nettoverzinsung mit hinreichender Sicherheit den Rechnungszins erreicht oder übersteigt. Übersteigt der Rechnungszins hingegen die erwarteten Erträge, kann es für das Altgeschäft erforderlich sein, die Deckungsrückstellung zu erhöhen und im Hinblick auf das Neugeschäft den Rechnungszins abzusenken.
Berechnungsvorschriften müssen den Gegebenheiten angepasst werden
Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat das Bundesministerium der Finanzen gebeten, die Auswirkungen des Lebensversicherungsreformgesetzes zum Stichtag 1. Januar 2018 zu evaluieren und darüber im Laufe des Jahres 2018 zu berichten. Das Bundesministerium der Finanzen hat den Evaluierungsbericht an den Finanzausschuss übersandt und am 28. Juni 2018 veröffentlicht. Der Evaluierungsbericht geht auch auf die Zinszusatzreserve ein und kommt zu dem Ergebnis, dass die Berechnungsvorschrift angepasst werden soll. Auch die Vorschriften zur Berechnung der Zinszusatzreserve müssen in diesem Kontext angepasst werden.
Die Details des Evaluierungsberichtes
Nach Untersuchungen der Bafin werden die Unternehmen eine Rendite von 2,05 % nicht dauerhaft erzielen können, wenn das Zinsniveau am Kapitalmarkt unverändert niedrig bleibt. Die Unternehmen haben in der Neu- und Wiederlagen zuletzt eine durchschnittliche Rendite von knapp zwei Prozent erreichen können. In den kommenden Jahren ist mit niedrigeren Renditen in der Neu- und Wiederanlage zu rechnen. Die Zinszusatzreserve muss daher weiter aufgebaut werden.
Die mögliche Szenarien für eine veränderte Zinssituation sehen nach Einschätzung der Bafin folgendermaßen aus:
Situation im anhaltenden Niedrigzinsumfeld
Hält das Niedrigzinsumfeld an, würde bis 2023 die Zinszusatzreserve weiter stark wachsen und ab 2024 in erheblichen Tranchen wieder aufgelöst. Dies hätte zur Folge, dass in den Jahren ab 2024 die Zinsgarantien deutlich überfinanziert wären; denn die Kapitalerträge sind noch
vergleichsweise hoch. Die Entwicklung der Zinszusatzreserve sollte besser darauf
abgestimmt werden, in welchem Umfang die Zinsgarantien nicht mehr durch Kapitalerträge
finanziert werden können.
Situation bei einem Zinsanstieg
Die Zinszusatzreserve wäre im Status quo auch bei einem deutlichen Anstieg des Zinsniveaus noch einige Jahre in erheblichem Maße weiter aufzubauen. Anschließend käme es zu erheblichen Auflösungen. Berücksichtigt man die inzwischen verbesserte Ertragskraft der Kapitalanlage, wären die Zinsgarantien ähnlich wie im anhaltenden Niedrigzinsumfeld überfinanziert.
Extensive Auflösung von Bewertungsreserven
Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren im erheblichen Umfang Bewertungsreserven realisiert, um trotz des hohen Aufwands für die Zinszusatzreserve ihre Jahresabschlüsse schließen zu können. Diese Praxis war im andauernden Niedrigzinsumfeld unter dem Aspekt der Sicherheit und des Substanzerhalts sachgerecht.
Nach Ansicht der Bafin sind die Zinsgarantien der Versicherten inzwischen so weit abgesichert, dass es kontraproduktiv wäre, sie weiterhin in großen Schritten aufzubauen und extensiv Bewertungsreserven zu realisieren. Denn das Kapitalanlageportfolio wäre dann endgültig für längere Zeit an niedrige Zinsen gebunden, und im Fall eines Zinsanstiegs könnten die Versicherten erst mit erheblicher Verzögerung davon profitieren.
Ein Fazit
Die Vorschriften zur Berechnung der Zinszusatzreserve sollten daher angepasst werden. Auch die Neuregelung muss darauf gerichtet sein, dass die Zinsgarantien im Niedrigzinsumfeld auf Dauer erfüllt werden. Die Zinszusatzreserve muss weiter aufgebaut werden, dies kann aber in kleineren Schritten erfolgen. Auf diese Weise wird auch der extensiven Auflösung von Bewertungsreserven entgegengewirkt. Die Auflösung der Zinszusatzreserve soll gestreckt werden, damit sie die Finanzierung der Zinsgarantien über einen längeren Zeitraum unterstützen kann und besser auf den jeweiligen Finanzierungsbedarf abgestimmt ist.
Quelle: Deutscher Bundestag
Autor(en): Versicherungsmagazin