Die deutschen Versicherer beurteilen die Ausschreitungen in Chemnitz nicht als „innere Unruhen“. Nach einem Streit mit Todesfolge waren Demonstranten durch die Stadt gezogen und hatten unter anderem „Jagd“ auf ausländisch aussehende Personen gemacht.
Unabhängig voneinander bestätigten der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), die Allianzversicherung, die Huk-Coburg und die Sparkassen-Versicherung Sachsen, dass der Tatbestand der inneren Unruhe nicht erfüllt sei und somit Versicherungsschutz für Sach- und Personenschäden besteht. Laut dem GDV ist innere Unruhe dann gegeben „wenn zahlenmäßig nicht unerhebliche Teile des Volkes in einer die öffentliche Ruhe und Ordnung störenden Weise in Bewegung geraten und unmittelbar Gewalt gegen Personen oder Sachen verüben.“ Die Versicherer beurteilen die Vorkommnisse in Chemnitz noch als „Demonstration“, wie ein GDV-Sprecher mitteilt.
Oftmals kein Schmerzensgeld oder Kostenersatz für Geschädigte
Grundsätzlich müssten aber alle Täter, die einem anderen einen Schaden zufügen, dafür geradestehen. „Das gilt auch dann, wenn es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen kommt und beispielsweise Autos in Flammen aufgehen, Fensterscheiben mutwillig zerstört oder noch schlimmer Menschen verletzt werden“, so der GDV-Sprecher. In der Praxis ließen sich die Täter bei Massendemonstrationen aber vielfach nicht ermitteln und der Geschädigte müsse damit rechnen, kein Schmerzensgeld oder Ersatz seiner Kosten zu erhalten. Das sächsische Innenministerium verweist daher auf das bundesweit geltende Opferentschädigungsgesetz.
Private Vorsorge kann jedoch schützen. So leistet eine private Unfallversicherung, wenn bleibende Gesundheitsschäden erlitten werden. Die Risikolebensversicherung zahlt an die Hinterbliebenen. Das gilt sogar bei inneren Unruhen. Diesen Ausschluss haben die Lebensversicherer aufgehoben. Wird das Auto im Zuge einer Demonstration beschädigt, übernimmt die Voll- oder Teilkaskoversicherung den Schaden. Eine Teilkaskoversicherung kommt für Schäden durch Böller, Feuer und für zerstörte Autoscheiben auf. Eine Vollkaskoversicherung leistet darüber hinaus auch für Vandalismusschäden, etwa durch Steinwürfe.
Versicherer leisten nur, wenn Police auch "Vandalismus" enthält
In der privaten Wohngebäude- und Hausratversicherung sowie in der gewerblichen Sachversicherung sind Feuerschäden versichert. Beispielsweise, wenn bei einer gewalttätigen Demonstration ein Brandsatz in ein Haus geschleudert wird. Problematisch sind reine Sachbeschädigungen an Wohngebäuden, wenn etwa durch den Steinwurf der Außenputz beschädigt wird. Hier leisten die Versicherungsunternehmen nur dann, wenn die Kunden die herkömmliche Police um die Gefahr „böswillige Beschädigung“, also Vandalismus, erweitert haben.
Nur 1,1 Prozent der Allianz-Kunden haben ihren privaten Wohngebäudeschutz erweitert
Immobilienbesitzer und gewerbliche Betriebe können zudem „innere Unruhen“ mitversichern. Für Wohngebäude ist dies in Premiumtarifen bis zum Wert des Gebäudes möglich. Derzeit haben beispielsweise bei der Allianz aber nur 1,1 Prozent der Kunden ihren privaten Wohngebäudeschutz entsprechend erweitert. Anders sieht es im gewerblichen Bereich aus. Hier machen laut der Sparkassen-Versicherung Sachsen immer mehr Firmen von einer Verbesserung der Inhalts- und Gebäudeversicherung Gebrauch. Bei der bundesweit aktiven Allianz haben diese Erweiterung mittlerweile 13 Prozent der Firmenkunden abgeschlossen.
Welche Schäden durch die Ausschreitungen in Chemnitz tatsächlich entstanden sind, ist noch unklar. „Uns liegen bisher noch keine Schadenmeldungen vor“, sagte eine Sprecherin der Sparkassen-Versicherung Sachsen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek