Das umlagefinanzierte Rentenmodell steht wegen des demografischen Wandels kurz vor dem finanziellen Kollaps. Die von der Ampel-Koalition beabsichtigte Einführung einer Aktienrente ist ein wichtiger Teil des Konzeptes zur Reform der Alterssicherung.
Die Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP laufen. Die neue Bundesregierung wird wohl aus einer Ampel-Koalition bestehen. Diese will im nächsten Jahr eine so genannte gesetzliche Aktienrente einführen. Teile der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung - geplant zwei Prozentpunkte - sollen in den Aufbau des Vorsorgevermögens für die Aktienrente gelenkt werden. In einem ersten Schritt sollen der Deutschen Rentenversicherung dafür im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln zehn Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.
Bundeszuschuss als Anschubfinanzierung
Da damit die Beitragsmittel für die umlagefinanzierte Rente sinken, bedarf es dem Konzept zufolge eines vorübergehend erhöhten Bundeszuschusses für die gesetzliche Rentenversicherung. Diese Zuschüsse sollen bis etwa 2035 wieder auslaufen. In den Folgejahren sind die erforderlichen Bundeszuschüsse im Vergleich zum Status quo dann sogar niedriger, erläutert die Studie, die Professor Manfred Werding und Benjamin Läpple von der Ruhr-Universität Bochum dazu erarbeitet haben.
Öffentliche Debatte verkürzt
Wie das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) bedauert, drehe sich die öffentliche Debatte leider nur um die gesetzliche Aktienrente. Bei den Bundesbürgern kommt dieser Plan denn auch nicht gut an. Ein erheblicher Teil bezweifelt dessen Wirksamkeit, so eine DIA-Umfrage. Demnach glaubt fast die Hälfte (49 Prozent) der Deutschen, dass die bislang vorgesehenen zehn Milliarden Euro für die sogenannte Aktienrente nicht ausreichen und deshalb künftig zusätzliche Mittel nötig sein werden. Vor allem unter den Älteren ab 50 Jahren sind diese Zweifel mehrheitlich anzutreffen. Lediglich zwölf Prozent der Umfrageteilnehmer sehen dies anders. Der Reformvorschlag gehe aber über eine Aktienrente hinaus, erklärt das DIA. Ein Maßnahmenbündel soll den absehbaren Anstieg von Ausgaben und Beitragssätzen begrenzen. Dazu gebe es Vorschläge zur Ausweitung der Fachkräfteeinwanderung.
Höherer Nachhaltigkeitsfaktor
Eine Entlastung der Arbeitnehmer soll ein höherer Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel bringen. Bislang beträgt er 0,25. Ab 2022 soll er mit 0,5 in die Berechnungen der Rentenanpassungen eingehen. Das würde bedeuten, dass die Effekte eines steigenden Rentnerquotienten künftig hälftig auf Rentner und Beitragszahler aufgeteilt würden.
Eine weitere Maßnahme soll die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters nach schwedischem Vorbild sein. Statt eines festgeschriebenen Renteneintrittsalters ermögliche dieser den Versicherten, ihren Renteneintritt ab 61 Jahren individuell wählen zu können. Die Höhe der Rente sei dabei an die bis dahin gezahlte Beiträge und die durchschnittliche Lebenserwartung des Versicherten gekoppelt. Steigt die Lebenserwartung in Zukunft an, führe diese Kopplung automatisch dazu, dass Erwerbstätige länger arbeiten müssen, um ein bestimmtes Rentenniveau zu erreichen.
Die Menge macht's
Weitere Maßnahmen sind zum Beispiel der Wegfall der 2014 eingeführten Rente für besonders langjährig Versicherte (Rente mit 63). Dieser war allerdings auf besonderen Wunsch der SPD eingeführt worden. Darüber hinaus soll die derzeit geltende Aussetzung des so genannten Ausgleichsfaktors in der Rentenformel rückgängig gemacht werden. Er sorgt dafür, dass wegen der Schutzklausel unterbliebene Rentenkürzungen mit künftigen Rentenerhöhungen über einige Jahre verteilt verrechnet werden. So würde vermieden, dass wie im vergangenen Jahr Corona-bedingt die Löhne sinken, die Renten jedoch konstant blieben.
Alles in allem scheint mir in der Gesamtschau der geplanten Maßnahmen die mögliche neue Bundesregierung auf dem richtigen Weg zu sein. Vor allem die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters und die Wieder-Einführung des Ausgleichsfaktors sind aus meiner Sicht überfällig, um die gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren. Die Aktienrente allein wird es nicht richten können, da dafür die Anschubfinanzierung von zehn Milliarden Euro zu niedrig erscheint. Und man sollte daran denken, dass der Aktienmarkt kurzfristig keine Einbahnstraße ist. Auch Verluste müssen verkraftet werden. Aber an einer weiteren kapitalgedeckten Altersvorsorge führt kein Weg vorbei. Aber der Staat darf auf keinen Fall ein Zugriffsrecht auf die Anlagebeträge bekommen. Ein modernes Einwanderungsrecht nach dem Vorbild Kanada oder Neuseeland und eine höhere Erwerbsquote von Frauen könnten das Konzept abrunden und zum Erfolg werden lassen.
Autor(en): Bernhard Rudolf