Die Diskussionen in Großbritannien reißen nicht ab. Nach den Banken verdienen nun die Schadenmanagement-Firmen an überflüssigen Restschuldversicherungen. Derweil will man „Beratungslücken“ aufgrund der dezimierten Vermittlerschaft nun mit öffentlichen Robo-Advisern bekämpfen. Der „PPI-Skandal“ um die Restschuldversicherung wird noch sehr lange dunkle Schatten auf die britische Finanzdienstleistungsindustrie werfen.
Zum Hintergrund: Britische Banken verkauften ihren Kunden reihenweise überteuerte und teilweise überhaupt nicht benötigte Restschuldversicherungen zusammen mit Hypothekenkrediten. Nach Angaben des obersten Versicherungsaufsehers soll die Schadenquote ganze 15 Prozent betragen haben.
Der oberste britische Gerichtshof verurteilte die Anbieter zur Rückabwicklung. Mehr als zwölf Millionen Kunden sollen bisher davon betroffen sein. Diesen wurden über 22 Milliarden Britischen Pfund an Schadenersatzleistungen zugesprochen.
Ansprüche bündeln und daran verdienen
Nun hat der vom Unterhaus eingesetzte Rechnungsprüfungsausschuss scharfe Kritik an den Schadenmanagement-Firmen geübt, berichtet die Zeitung The Guardian. Diese Firmen bündeln die Ansprüche vieler Betroffener und treiben die Schadenersatzansprüche gesammelt ein. Seit 2007 müssen diese Firmen besonders zugelassen und überwacht sein. Das Geschäft ist einträglich: Rund fünf Milliarden Britische Pfund haben diese Firmen nach den Angaben des Rechnungsprüfungsausschusses bisher eingetrieben. Sie partizipieren daran mit zwischen einem Viertel und einem Drittel der Schadenersatzzahlungen.
Dabei gibt es auch in Großbritannien ein Ombudsmannsystem, das für den Verbraucher kostenfrei arbeitet. Allerdings ist es hoffnungslos überlastet. Während der deutsche Versicherungsombudsmann gerade in seinem aktuellen Jahresbericht für 2015 von knapp 21.000 Beschwerden über alle Sparten berichtet, schieben die britischen Kollegen eine siebenstellige Zahl an Beschwerden vor sich her, davon die meisten aus dem Bereich der Restschuldversicherung.
Weiter Kritik am Verhalten der Anbieter
Doch der immense Vertrauensverlust, der damit einhergeht, scheint entweder die Finanzdienstleister nicht sonderlich zu interessieren, oder die Kunden und die Öffentlichkeit reagieren besonders sensibel. Jedenfalls wird aktuell über neue Fehlberatungen diskutiert. Banken stehen erneut in der Kritik, Bündelgeschäfte zu machen und Kontobesitzern weitere Produkte und Leistungen unterzuschieben. Auch in Deutschland gibt es hieran Kritik, wie vor wenigen Wochen ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über eine gemeinsame Initiative des Bundesverbands der Deutschen Versicherungskaufleute und des Bundes der Versicherten gegen „Querverkäufe“ am Bankschalter zeigt.
In Großbritannien ist man zusätzlich besorgt, dass eine Änderung des gesetzlichen Rentenversicherungssystems neue Begehrlichkeiten der Finanzdienstleister wecken könnte. Ältere Versicherte dürfen neuerdings in einem gewissen Rahmen frei entscheiden, wie sie ihr Ruhestandskapital verwenden wollen. Parlamentsabgeordnete warnen davor, dass dies neue Fehlberatungen in „massenhaftem Umfang“ nach sich ziehen könnte.
Maßnahmenpaket gegen die „Beratungslücke“
Gleichzeitig wird in Großbritannien über die Folgen der scharfen Regulierung des Vertriebs von Finanz- und Vorsorgeprodukten diskutiert (siehe auch ). Ende März legten das britische Finanzministerium und die britische Finanzaufsicht gemeinsam eine groß angelegte, empirische Studie vor. Laut dem „Financial Advice Market Review“ ist die Sorge berechtigt, dass die geschrumpfte Zahl von Finanzmaklern zu einer „Advice Gap“ geführt hat. Das heißt, dass weniger vermögende Kunden keine Chance auf eine qualitativ hochwertige, regulierte Beratung haben. Diese ist nur noch nach vorheriger Vereinbarung über die entsprechende Vergütung möglich. Das begrenzt das Marktangebot offenbar auf eine zahlungskräftige Klientel.
Als Konsequenz schlagen die beiden Behörden vor, eine Arbeitsgruppe aus Praxisvertretern und Behördenangehörigen zu bilden, um einen weiteren Fortschritt der Regulierungsbemühungen zu erreichen. Insbesondere sollen automatisierte Beratungssysteme entwickelt werden. Die auch als „Robo Advice“ bekannten Systeme könnten Verbrauchern einen Zugang zu einer neutralen, aber standardisierten Beratung im Internet geben.
Auch sollten Beratungsfirmen einfachere und preiswertere
Beratungsangebote machen dürfen. Weitere Vorschläge betreffen eine Lockerung der Ausbildungsanforderungen, um Beraternachwuchs zu gewinnen. Vermittlern soll geholfen werden, die unter dem desaströsen Umlagesystem für Schadenersatzleistungen leiden, durch das alle Beratungsfirmen mitzahlen, wenn Vermittler in Insolvenz gehen und den Schadenersatz für Fehlberatungen nicht mehr leisten können.
Auch wenn die Behörden verständlicherweise die Vermittlerregulierungen für notwendig und grundsätzlich gelungen halten, spricht die Vielzahl der Korrekturvorschläge für ein großes Unbehagen an den unerwarteten Nebenwirkungen.
Bildquelle: © Cumulus
Zum Hintergrund: Britische Banken verkauften ihren Kunden reihenweise überteuerte und teilweise überhaupt nicht benötigte Restschuldversicherungen zusammen mit Hypothekenkrediten. Nach Angaben des obersten Versicherungsaufsehers soll die Schadenquote ganze 15 Prozent betragen haben.
Der oberste britische Gerichtshof verurteilte die Anbieter zur Rückabwicklung. Mehr als zwölf Millionen Kunden sollen bisher davon betroffen sein. Diesen wurden über 22 Milliarden Britischen Pfund an Schadenersatzleistungen zugesprochen.
Ansprüche bündeln und daran verdienen
Nun hat der vom Unterhaus eingesetzte Rechnungsprüfungsausschuss scharfe Kritik an den Schadenmanagement-Firmen geübt, berichtet die Zeitung The Guardian. Diese Firmen bündeln die Ansprüche vieler Betroffener und treiben die Schadenersatzansprüche gesammelt ein. Seit 2007 müssen diese Firmen besonders zugelassen und überwacht sein. Das Geschäft ist einträglich: Rund fünf Milliarden Britische Pfund haben diese Firmen nach den Angaben des Rechnungsprüfungsausschusses bisher eingetrieben. Sie partizipieren daran mit zwischen einem Viertel und einem Drittel der Schadenersatzzahlungen.
Dabei gibt es auch in Großbritannien ein Ombudsmannsystem, das für den Verbraucher kostenfrei arbeitet. Allerdings ist es hoffnungslos überlastet. Während der deutsche Versicherungsombudsmann gerade in seinem aktuellen Jahresbericht für 2015 von knapp 21.000 Beschwerden über alle Sparten berichtet, schieben die britischen Kollegen eine siebenstellige Zahl an Beschwerden vor sich her, davon die meisten aus dem Bereich der Restschuldversicherung.
Weiter Kritik am Verhalten der Anbieter
Doch der immense Vertrauensverlust, der damit einhergeht, scheint entweder die Finanzdienstleister nicht sonderlich zu interessieren, oder die Kunden und die Öffentlichkeit reagieren besonders sensibel. Jedenfalls wird aktuell über neue Fehlberatungen diskutiert. Banken stehen erneut in der Kritik, Bündelgeschäfte zu machen und Kontobesitzern weitere Produkte und Leistungen unterzuschieben. Auch in Deutschland gibt es hieran Kritik, wie vor wenigen Wochen ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über eine gemeinsame Initiative des Bundesverbands der Deutschen Versicherungskaufleute und des Bundes der Versicherten gegen „Querverkäufe“ am Bankschalter zeigt.
In Großbritannien ist man zusätzlich besorgt, dass eine Änderung des gesetzlichen Rentenversicherungssystems neue Begehrlichkeiten der Finanzdienstleister wecken könnte. Ältere Versicherte dürfen neuerdings in einem gewissen Rahmen frei entscheiden, wie sie ihr Ruhestandskapital verwenden wollen. Parlamentsabgeordnete warnen davor, dass dies neue Fehlberatungen in „massenhaftem Umfang“ nach sich ziehen könnte.
Maßnahmenpaket gegen die „Beratungslücke“
Gleichzeitig wird in Großbritannien über die Folgen der scharfen Regulierung des Vertriebs von Finanz- und Vorsorgeprodukten diskutiert (siehe auch ). Ende März legten das britische Finanzministerium und die britische Finanzaufsicht gemeinsam eine groß angelegte, empirische Studie vor. Laut dem „Financial Advice Market Review“ ist die Sorge berechtigt, dass die geschrumpfte Zahl von Finanzmaklern zu einer „Advice Gap“ geführt hat. Das heißt, dass weniger vermögende Kunden keine Chance auf eine qualitativ hochwertige, regulierte Beratung haben. Diese ist nur noch nach vorheriger Vereinbarung über die entsprechende Vergütung möglich. Das begrenzt das Marktangebot offenbar auf eine zahlungskräftige Klientel.
Als Konsequenz schlagen die beiden Behörden vor, eine Arbeitsgruppe aus Praxisvertretern und Behördenangehörigen zu bilden, um einen weiteren Fortschritt der Regulierungsbemühungen zu erreichen. Insbesondere sollen automatisierte Beratungssysteme entwickelt werden. Die auch als „Robo Advice“ bekannten Systeme könnten Verbrauchern einen Zugang zu einer neutralen, aber standardisierten Beratung im Internet geben.
Auch sollten Beratungsfirmen einfachere und preiswertere
Beratungsangebote machen dürfen. Weitere Vorschläge betreffen eine Lockerung der Ausbildungsanforderungen, um Beraternachwuchs zu gewinnen. Vermittlern soll geholfen werden, die unter dem desaströsen Umlagesystem für Schadenersatzleistungen leiden, durch das alle Beratungsfirmen mitzahlen, wenn Vermittler in Insolvenz gehen und den Schadenersatz für Fehlberatungen nicht mehr leisten können.
Auch wenn die Behörden verständlicherweise die Vermittlerregulierungen für notwendig und grundsätzlich gelungen halten, spricht die Vielzahl der Korrekturvorschläge für ein großes Unbehagen an den unerwarteten Nebenwirkungen.
Bildquelle: © Cumulus
Autor(en): Matthias Beenken