Arbeitnehmer wie Arbeitgeber müssen mit deutlich steigenden Sozialversicherungsbeiträgen rechnen. Davon ist neben der Rentenversicherung insbesondere die gesetzliche Kranken- (GKV) und soziale Pflegeversicherung (SPV) betroffen. Aber auch die private Kranken- und Pflegeversicherung stehen in der Zukunft vor großen Umwälzungen. Darauf wies kürzlich der Past President der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV), Roland Weber, hin.
Nach Analysen der DAV wird neben dem demografischen Wandel vor allem der medizinisch technische Fortschritt zum Kostentreiber in den Sozialsystemen. „Darüber hinaus leidet die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung unter einer strukturellen Einnahmenschwäche“, ist Weber überzeugt. Laut dieser steigen die Ausgaben für die Sozialversicherung ähnlich wie das Bruttoinlandsprodukt, während sich die Einnahmen entgegen vieler Prognosen um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr langsamer als das Bruttoinlandsprodukt erhöhen. „Die privaten Sozialsysteme geraten hingegen durch die anhaltende Tiefzinsphase zunehmend unter Druck“, beschreibt Weber die Situation. Folglich sei in den gesetzlichen und den privaten Sozialsysteme mit markanten Beitragssteigerungen zu rechnen.
GKV-Beiträge steigen bis 2060 möglicherweise auf knapp 25 Prozent
So könnten nach DAV-Berechnungen die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung von derzeit 15,6 Prozent bis zum Jahr 2060 auf knapp 25 Prozent steigen. In der sozialen Pflegeversicherung ist nach Analyse der Aktuare sogar mit noch größeren Beitragssprüngen zu rechnen. Ohne Berücksichtigung möglicher Leistungsausweitungen könnten sich die Beiträge von 2,5 Prozent bis zum Jahr 2060 auf bis zu 8,5 Prozent erhöhen.
Aber auch in der privaten Krankenversicherung drohen weitere Beitragssteigerungen. Sollten die Zinsen in den kommenden Jahrzehnten auf dem aktuell niedrigen Niveau verharren, erhöht sich der PKV-Durchschnittsbeitrag nach den Berechnungen der DAV inflationsbereinigt bis zum Jahr 2060 um den Faktor 2,7. Kommt es hingegen zu einer Zinserholung ab 2030, ergibt sich ein Faktor von 2,4.
Vergleich offenbart niedriges Beitragsniveau der privaten Pflegepflichtversicherung
Darüber hinaus hat die DAV untersucht, wie sich die Beiträge künftig in der privaten Pflegepflichtversicherung entwickeln werden. Dabei zeigt sich, dass neben dem demografischen Wandel der medizinisch-technische Fortschritt zum Beitragstreiber wird. Dadurch steigen die Beiträge im Extremszenario zwar um den Faktor 4,5 – ein Vergleich von sozialer und privater Pflegeversicherung offenbart aber das derzeit niedrige Beitragsniveau der privaten Pflegepflichtversicherung. Während Versicherte dafür monatlich durchschnittlich 30 Euro zahlen, liegt der vergleichbare Beitrag in der gesetzlichen Pflegeversicherung für Kinderlose bei 123,90 Euro im Monat. Denn für die privatversicherten Angestellten würden aufgrund der vergleichsweise hohen Einkommen in der gesetzlichen Pflegeversicherung die Höchstbeiträge gelten.
In Anbetracht dessen appelliert die DAV an die Politik, jede Möglichkeit zu ergreifen, die Effizienz des Gesundheitssystems weiter zu steigern. So ließen sich nach Überzeugung der Aktuare durch den Ausbau der Telemedizin oder der Einführung einer digitalen Gesundheitskarte erheblich Kosten einsparen.
Beitragssprünge sind Folge von nicht mehr zeitgemäßen gesetzlichen Vorgaben
Daneben verweist Weber auf ein zweites grundlegendes Problem der privaten Kranken- und Pflegeversicherung: Während die deutsche PKV international einen hervorragenden Ruf genieße, stehe sie hierzulande vielfach in der Kritik. Denn ihre Beiträge entwickeln sich häufig nicht kontinuierlich, sondern weisen teilweise große Sprünge auf. „Für den Außenstehenden wirken diese Beitragssprünge willkürlich, doch in Wirklichkeit sind sie die Folge von nicht mehr zeitgemäßen, strikten gesetzlichen Vorgaben“, so Weber weiter.
Schwierig: Umsetzbares Modell ohne negative Auswirkungen auf die Kollektive
Die DAV nimmt auch Stellung zur Mitnahme der Alterungsrückstellungen von einem PKV-Unternehmen zu einem anderen. „Anders als des Öfteren behauptet, betreiben die Aktuare und die Unternehmen hier keine Blockadehaltung, sondern die Mitnahme der Alterungsrückstellungen ist eine mathematisch-aktuariell komplexe Fragestellung“, beschreibt Weber die Situation und ergänzt: „Die DAV setzt sich seit jeher konstruktiv mit möglichen Konzepten auseinander. Bisher ist es aber nicht gelungen, ein umsetzbares Modell ohne negative Auswirkungen auf die Kollektive zu entwickeln. Entweder ist das Modell theoretisch sehr gut, aber leider in der Praxis nicht anwendbar. Oder es ist praktikabel, aber mit entsprechenden Nachteilen für die Kollektive“, argumentiert Weber. Er kündigt an, dass die DAV an der Entwicklung möglicher Ansätze weiterhin arbeiten werde und den fachlichen wie politischen Diskussionsprozess konstruktiv begleiten werde.
Quelle: DAV
Autor(en): Versicherungsmagazin