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Systemrelevanz von Versicherungsunternehmen

1. Systemrisiken und die Aufsicht über systemrelevante Finanzinstitutionen

Im Zuge der Finanzmarktkrise seit 2007 traten die Bedeutung von Finanzinstitutionen und Systemrisiken für die Stabilität der globalen Finanzmärkte und der Weltwirtschaft offen zutage. Während sich das Krisenmanagement zunächst auf den Bankensektor konzentrierte, wurden die folgenden Reformvorhaben so breit angelegt, dass sie möglichst alle wesentlichen Institutionen der Finanzmärkte erfassen. Derweil die akademische Literatur noch uneins über die Definition von Systemrisiken ist, wurden diese 2010 in einem gemeinsamen Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und des Finanzstabilitätsrats (FSB) knapp als diejenigen Risiken definiert, die eine Störung (von Teilen) des Finanzsystems mit dem Potenzial gravierender negativer Folgen für die Realwirtschaft hervorrufen.

Systemische Risiken können sowohl aufgrund endogener (dem Finanzsystem innewohnender) als auch exogener Ereignisse (auch „Schocks“) schlagend werden und gelten als schwer prognostizierbar. Zu den exogenen Schocks zählen z.B. Pandemien, natur- und menschengemachte Katastrophen, schwere Rezessionen (soweit sie aus der Realwirtschaft resultieren), Kriege und andere Unglücksfälle. Endogene Auslöser sind bei den Ele­menten des Finanzsystems zu suchen und betreffen jegliche Sze­narien, denen zufolge die Ruinwahrscheinlichkeit mindestens eines Unternehmens dras­tisch steigt oder der Betrieb bedeutender Märkte oder Infrastrukturen infrage steht. Auf der Basis ihrer Ursachen und Ausbreitungsmechanismen können systemische Ereignisse auch nach solchen i.e.S. und solchen i.w.S. unterschieden werden. Ein systemisches Ereignis i.e.S. ist idiosynkratrisch, d.h. schlechte Nachrichten (bis hin zum Zusammenbruch) eines Finanzinstituts oder ‑markts beeinträchtigen durch Dominoeffekte bzw. Kettenreaktionen nach­einander weitere Finanzunternehmen oder ‑märkte schwerwiegend. Bei einem systemischen Schock i.w.S. (auch „systematisch“) ist eine große Zahl Finanzinstitute oder ‑märkte simultan schwerwiegend betroffen, die Effekte verstärken sich durch Rückkoppelungen i.d.R. gegenseitig und rufen weitere negative Reaktionen hervor. Ein systematischer Schock kann infolge eines systemischen Ereignisses i.e.S. entstehen.

Völlig unabhängig von Rechtsstatus und Organisationsform bestimmt sich die Systemrelevanz eines Elements des Finanzsystems danach, ob ihm das Potenzial innewohnt, die vorgenannte Störung zu verursachen, zu übertragen oder zu verstärken. Jegliche Art von Finanzintermediär, -markt oder ‑infra­struktur gilt in diesem Sinne als potentieller Träger systemischen Risikos und damit als potentiell „systemrelevant“, d.h. für das System bedeutsam.

Als systemrelevante Finanzinstitutionen (Systemically Important Financial Institution, SIFI) gelten folglich Institutionen von solcher Größe, Komplexität, Marktbedeutung und/oder Verflechtung, die durch eine Notlage oder ihren Ausfall zunächst das Finanzsystem und in der Folge ggf. auch die Realwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen können. Umgangssprachlich ist in diesem Zusammenhang auch von „too big to fail“, d.h. zu groß, um zu scheitern, die Rede. Solche Institutionen genießen eine implizite Staatsgarantie, die wettbewerbsverzerrend wirkt und Fehlanreize (Moral Hazard) setzt. SIFIs mit weltweiter Bedeutung, sog. globale SIFIs (G-SIFIs), stehen seit der Finanzmarktkrise im Mittelpunkt umfangreicher makroprudenzieller Reformvorhaben der G20. Mit seinem SIFI-Framework hat der FSB 2010 Rahmenbedingungen geschaffen, um die Ausfallwahrscheinlichkeit von SIFIs zu verringern und ihre Abwicklungsfähigkeit zu sichern. Standards für weltweit systemisch bedeutsame …

  • … Banken (Global Systemically Important Banks, G-SIB) entwickelt der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht,
  • … Versicherungsunternehmen (Global Systemically Important Insurers, G-SII) entwickelt die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (IAIS),
  • … Nicht-Banken und Nicht-Versicherer (Non-Banks Non-Insurers, NBNI, G-SIFIs) entwickeln der FSB und die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO (International Organization of Securities Commissions) gemeinsam. Zu den NBNI G-SIFIs zählen Finanzierungs- und Wertpapiergesellschaften, private Fonds, traditionelle Investmentfonds und Asset-Manager.

Eine unmittelbare Rechtswirkung entfalten die international entwickelten Standards nicht. Die Umsetzung in die Praxis erfolgt im Wesentlichen, indem die nationalen Aufsichtsbehörden die Regeln in ihre Arbeit integrieren. Darüber hinaus haben verschiedene Staaten eigenständige oder an den Gremien orientierte gesetzliche Vorgaben für SIFIs erlassen, so z. B. die USA mit dem Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act oder die EU mit der kombinierten Kapitaladäquanzverordnung und ‑richtlinie CRR/CRD IV (Capital Requirements Directive IV/Capital Requirements Regulation) zur Umsetzung von Basel III.

2. Systemrelevanz in der Versicherungswirtschaft

Aus Sicht der IAIS gehen vom Risikotransfer der traditionellen Lebens- und Nichtlebensversicherung – in Abgrenzung vom Geschäftsmodell von Banken – kaum systemische Risiken aus. Die Versicherungswirtschaft wird dabei nicht als Auslöser systemischer Risiken verstanden, ist aber vor Ansteckung nicht gefeit. Sie kann auch zur Übertragung und Verstärkung einer Krise beitragen. Betreiben Versicherungsunternehmen darüber hinaus bankähnliche, nicht-traditionelle und/oder Nicht-Versicherungs-Geschäfte kommen sie auch als Auslöser systemischer Krisen in Betracht.

Aufgrund der intensiven und zunehmenden Kapitalverflechtung mit anderen Finanzinstitutionen ist es wissenschaftlich umstritten, ob Versicherungsunternehmen nicht doch generell als Auslöser von Systemkrisen infrage kommen. Dies resultiert v.a. aus sich ähnelnden Portfoliostrukturen und Marktrisiken bei den Kapitalanlagen. Treiber einer zunehmenden Konvergenz liegen darüber hinaus in der regulierungsbedingten Steuerung der Kapitalanlagen über dieselben Risikomaße, in der übereinstimmenden Anwendung internationaler Bilanzierungsstandards und auf der Ebene der Ratings. Für die Lebensversicherungswirtschaft, insbesondere die europäische, beobachtet der Internationale Währungsfonds (IWF) z.T. eine zunehmend risikoreiche, konvergente und prozyklische Anlagepolitik. In der Folge erreichte der Risikobeitrag der Lebensversicherungsunternehmen für das Finanzsystem (auf der Basis des Conditional Value at Risk) 2015 nahezu wieder das Niveau von Mitte 2007. Mittelfristig prognostiziert der IWF vor dem Hintergrund des anhaltenden Niedrigzinsumfelds, niedriger oder volatiler Kapitalanlageerträge und der Langlebigkeit zunehmende Solvabilitätsschwierigkeiten für die (Lebens-)Versicherungswirtschaft. Systemische Risiken werden hier v.a. für den Fall eines Doppelschlag-Szenarios gesehen: Sollte zusätzlich zu den Herausforderungen des Niedrigzinsumfelds ein Marktschock auftreten, könnte der Ausfall von Versicherungsunternehmen eine weitreichende Vertrauenskrise der Investoren auslösen, die auf sonstige Finanzinstitute übergreift und in einer Systemkrise mündet.

3. G-SII-Bewertungsprozess und -modell

Die Bewertung der Systemrelevanz eines Versicherungsunternehmens – also der Wahrscheinlichkeit, dass seine Geschäfte eine Systemkrise auslösen, übertragen oder verstärken – erfolgt seit 2016 in einem fünfstufigen Prozess. Dabei berücksichtigt die IAIS quantitative und qualitative Indikatoren in den fünf Kategorien Größe, globale Aktivität, Grad der Vernetzung, Liquidation von Vermögenswerten sowie Ersetzbarkeit. Die Festlegung absoluter Schwellenwerte für einige Indikatoren in Abhängigkeit vom weltweiten Marktvolumen sichert die Bewertung der systemischen Relevanz der betrachteten Versicherungsunternehmen in Bezug auf den Gesamtmarkt. Eine explizite Einschätzung der Systemrelevanz des Versicherungssektors in Summe erfolgt allerdings nicht.

Bei der Untersuchung der etwaigen Systemrelevanz werden von der IAIS in Phase I (Annual Data Collection) zunächst jährlich Daten erhoben. Dabei werden solche Versicherungsunternehmen (der Begriff schließt Versicherungskonzerne und ‑gruppen ein) einbezogen, die Vermögenswerte von 60 Mrd. US-Dollar oder mehr und 5 % oder mehr ihrer Prämien außerhalb ihres Heimatlandes erlösen bzw. die über Vermögenswerte von mehr als 200 Mrd. US-Dollar verfügen und überhaupt Prämienerlöse im Ausland zu verzeichnen haben. Die IAIS erfasst damit etwa 50 der weltweit größten Versicherungsunternehmen (der sog. Insurer Pool). Darüber hinaus können von jedem Versicherungsunternehmen Informationen angefordert werden, wenn dadurch eine aussagekräftigere Datengrundlage bzgl. der Systemrelevanz entsteht. Ebenso kann in begründeten Fällen auf die Erhebung von Daten verzichtet werden, selbst wenn ein Versicherungsunternehmen die Kriterien der Phase I erfüllt.

In Phase II A(Quality Control and Scoring) berechnet die IAIS auf Basis der eingereichten, geprüften und validierten Daten für jedes der teilnehmenden Unternehmen eine Gesamtpunktzahl. Dabei fließen 17 gewichtete Indikatoren aus den Kategorien Größe, globale Aktivität, Grad der Vernetzung, Liquidation von Vermögenswerten sowie Ersetzbarkeit ein (vgl. dazu im Detail den folgenden Abschnitt 4).

In Phase II B (Determination of Quantitative Threshold) legt die IAIS unter Anwendung statistischer und analytischer Ansätze (z.B. Clusteranalysen, branchenübergreifende Untersuchungen, Trendvergleiche) einen Schwellenwert fest. Unternehmen mit einer Gesamtpunktzahl über diesem Schwellenwert gelten als voraussichtliche G-SII und werden in Phase III einer tiefergehenden Prüfung unterzogen. Unternehmen mit einem Ergebnis unterhalb des Schwellenwerts werden nicht weiter untersucht, außer die IAIS und die zuständigen Behörden entscheiden in begründeten Ausnahmefällen die Untersuchung zu vertiefen.

Phase III (Discovery) dient der Erfassung und Analyse ergänzender qualitativer und quantitativer Informationen der betroffenen Unternehmen hinsichtlich ihrer Struktur, Vernetzung, Geschäftsbereiche, Aktivitäten und Produkte. Insbesondere die systemische Relevanz von Gegenparteienrisiken, konzerninternen Zusagen zugunsten von oder ausgegeben von Nicht-Versicherungseinheiten und der spekulative Derivatehandel stehen im Mittelpunkt der Untersuchungen. Auch Besonderheiten des Geschäftsmodells, die Qualität des Asset-Liability-Managements, etwaige Risiken aus dem Nichtversicherungsgeschäft sowie der Umfang der von einem Erst- oder Rückversicherer eingegangenen Großschadenrisiken finden Berücksichtigung. Ferner wird die systemische Relevanz der aktiven Rückversicherung bei einem jährlichen Prämienvolumen von zehn Mrd. US-Dollar oder mehr eingehend geprüft. Im Rahmen von Phase III erfolgt eine weitgehende Angleichung der gelieferten Daten, um unternehmensbezogene Unterschiede in der Datenqualität und solche aufgrund gesetzlicher Rahmenbedingungen auszuräumen. Der Untersuchungsabschnitt mündet in einer vorläufigen Liste von G-SII.

Phase IV (Exchange with Prospective G-SIIs) dient der Konsultation mit den nominierten G-SII. Die IAIS und die zuständigen Behörden informieren die Unternehmen detailliert über ihr individuelles Bewertungsergebnis (einschließlich der Einordung im Branchenvergleich, sofern dadurch keine Rückschlüsse auf Mitbewerber möglich sind) und räumen ihnen die Möglichkeit ein, zur Durchführung und zum Ergebnis der Phasen I bis III Stellung zu nehmen.

Alle Unternehmen, die die Vermutung über ihre Systemrelevanz nicht ausräumen konnten, werden in Phase V(IAIS Recommendation to the FSB) dem FSB zur Berücksichtigung als G-SII empfohlen. Diese Einschätzung wird mit den in Phase II bis IV gesammelten Fakten begründet. Das FSB entscheidet über die Annahme der Empfehlung und über den Zeitpunkt der Veröffentlichung der G-SII-Liste. Wurde ein Versicherungsunternehmen als G-SII identifiziert, so gilt diese Annahme für zwei Jahre, selbst wenn die IAIS im Folgejahr der Bewertung ihre Einschätzung ändern sollte.

4. G-SII-Bewertungskategorien und -indikatoren

Die Größe (5 %) eines Versicherungsunternehmens und damit letztlich die Konzentration im Finanzsystem wird über den Umfang der Bilanzaktiva sowie der Erträge bestimmt. Durch Beobachtung der Summe der Aktiva lassen sich prozyklische Bi­lanz­ausweitungen frühzeitig erkennen; gerade bei Kompositversicherern – mit ihren im Vergleich zu Lebens- und Krankenversicherern deutlich kleineren Bilanzsummen – könnte die ausschließliche Betrachtung der Aktiva irreführen. Der Umfang der Erträge und damit des Geschäftsvolumens bietet hier ein direkteres Maß für die Systemrelevanz des jeweiligen Unternehmens. Inwiefern die Unternehmensgröße tatsächlich Systemrelevanz begründet, lässt sich nicht an absoluten Werten festmachen, sondern ist relativ. Dies hängt vom Systemzustand, von der staatlichen Finanzkraft sowie vom Markt­anteil bezogen auf einen konkreten Markt oder eine Volkswirtschaft bzw. bezogen auf ein bestimmtes Produkt oder eine Finanzdienstleistung ab (vgl. Kriterium Ersetzbarkeit).

Die Ausprägung der globalen Aktivität (5 %) eines Versicherungsunternehmens und damit dessen potenzieller Einfluss auf die Weltmärkte werden anhand des Umfangs der außerhalb des Heimatlandes erzielten Erträge bestimmt. Weiter fließt die Anzahl der Tätigkeitsländer ein, in denen das Unternehmen oder die Gruppe Tochterunternehmen, Zweigstellen oder Filialen unterhält.

Der Grad der Vernetzung (49,3 %) ist die mit Abstand am stärksten gewichtete Beurteilungskategorie. Sie prüft, wie intensiv ein Versicherungsunternehmen mit anderen Teilnehmern des Finanzsystems verflochten ist und dadurch Krisen auslösen, übertragen oder entscheidend verstärken kann. Versicherungsunternehmen sind u.a. über ihr Eigenkapital und ihre Fremdfinanzierung, ihre Kapitalanlagen und die Rückversicherung mit anderen Teilnehmern des Finanzsystems verbunden. Die Ansteckung und/oder Rückkopplung erfolgt dabei aufgrund fallender Marktpreise, ausfallender Vertragspartner sowie Misstrauen. Unter der Perspektive des Gegenpartei-Risikos werden der Umfang von Aktiva und Passiva ggü. anderen Teilnehmern des Finanzsystems sowie der Umfang der Rückversicherung und des Derivategeschäfts berücksichtigt. Unter makroökonomischen Gesichtspunkten fließen der Umfang des Derivatehandels (Credit Default Swaps o.ä. vom Versicherungsunternehmen verkaufte derivative Instrumente), der Finanzgarantien sowie der Mindestgarantien für variable Produkte in die Analyse ein.

Im Bereich der Liquidation von Vermögenswerten (35,9 %) stehen Liquiditätsrisiken im Mittelpunkt. In die Bewertung fließen der Anteil und Umfang der Verpflichtungen ein, die nicht ggü. Versicherungsnehmern bestehen, der Anteil und Umfang der Erträge, die nicht dem Versicherungsgeschäft entstammen, der Anteil und Umfang der kurzfristigen Finanzierung, das Volumen und der Portfolioanteil von Level-3-Aktiva, der Umsatz und als Hinweisgeber auf einen „Versicherungs-Run“ das Ausmaß, in dem die Einlösung der Ansprüche für Versicherungsnehmer vertraglich eingeschränkt ist.

Abschließend wird die (kurzfristige) Ersetzbarkeit (5 %) eines Versicherungsunternehmens durch andere Marktteilnehmer oder -strukturen als Gradmesser seiner systemischen Bedeutung überprüft. Besonders bei einem hohen Konzentrationsgrad eines Markts ist nicht immer gesichert, dass andere Marktteilnehmer Aufgaben des ausfallenden Unternehmens, die für das Funktionieren des Systems essentiell sind (z. B. Clearing), unterbrechungsfrei übernehmen können. Obwohl die meisten Versicherungsunternehmen als tendenziell leicht substituierbar gelten, trifft dies nicht für alle Versicherungszweige zu. Die IAIS schätzt die Elementargefahren-, Kredit- (inkl. Hypotheken-, Finanzgarantien und Export), Luftfahrt- und Seeversicherung als derartig konzentriert ein, dass der Umfang der in diesen Versicherungszweigen gezeichneten Bruttoprämie bei der Bewertung der Systemrelevanz eines Versicherungsunternehmens berücksichtigt wird.

Category

Subcategory

Indicator

Weight

Size

 

Total Assets

2,5 %

 

Total Revenues

2,5 %

Global activity

 

Revenues derived outside of home country

2,5 %

 

Number of Countries

2,5 %

Interconnectedness

Counterparty exposure

Intra-financial assets

6,7 %

Intra-financial liabilities

6,7 %

Reinsurance

6,7 %*

Derivatives

6,7 %

Macroeconomic exposure

Derivatives Trading
(CDS or similar derivatives instrument protection sold)

7,5 %*

Financial guarantees

7,5 %*

Minimum guarantees on variable products

7,5 %

Asset
liquidation

 

Non-policy holder liabilities and noninsurance revenues

7,5 %

 

Short term funding

7,5 %

 

Level 3 assets

6,7 %

 

Turnover

6,7 %

 

Liability liquidity

7,5 %

Substitutability

 

Premiums for specific business lines

5,0 %

Tabelle: Bewertungskategorien, Indikatoren und Gewichte im G-SII-Bewertungsmodell 2016; mit * gekennzeichnete Indikatoren sind mit absoluten Schwellenwerten versehen (Quelle: IAIS (Hrsg.), G-SII: Updated Assessment Methodology, 2016)

5. Aktuelle G-SII

Im November 2016 wurde die jährlich aktualisierte Liste von G-SII veröffentlicht. Darauf befinden sich dieselben Unternehmen wie 2015: Aegon N.V. (Niederlande), Allianz SE (Deutschland), AIG – American International Group, Inc. (USA), Aviva plc (Großbritannien), Axa S.A. (Frankreich), MetLife, Inc. (USA), Ping An Insurance (Group) Company of China, Ltd. (China), Prudential Financial, Inc. (USA) und Prudential plc. (Großbritannien). Auf der erstmals veröffentlichten Liste (Juli 2013) und ihrer Aktualisierung im November 2014 war statt der im November 2015 neu aufgenommenen Aegon N.V. noch die Assicurazioni Generali S.p.A. (Italien) vertreten. Die erstmalige Bewertung von Rückversicherungsunternehmen steht zum Zeitpunkt der Drucklegung aus.

6. Folgen für G-SII

Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für das weltweite Finanzsystem unterliegen G-SII einer sofortigen verstärkten gruppenweiten Aufsicht zur Vermeidung und Begegnung von Schieflagen. Mit seinen Schlüsselanforderungen an Abwicklungsregime für Finanzinstitute (Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions) macht der FSB Vorgaben für die Sanierung und Abwicklung von G-SIFIs, so auch G-SIIs. Binnen sechs Monaten ab der erstmaligen G-SII-Verlautbarung ist eine Krisen-Management-Gruppe (Crisis Management Group, CMG) einzurichten, in der die Aufsichtsbehörden, Zentralbanken, Finanzministerien, Sicherungseinrichtungen und mit der Abwicklung befasste Behörden aus dem Herkunftsstaat und denjenigen Aufnahmestaaten vertreten sind, die für die Abwicklung des G-SII notwendig sind. Das G-SII hat binnen zwölf Monaten einen Sanierungsplan (Recovery Plan), einen Managementplan für systemische Risiken (Systemic Risk Management Plan, SRMP) sowie eine gruppenweite Liquiditätsmanagementplanung (Liquidity Management and Planning) vorzulegen. Binnen 18 Monaten ist ein auf einer Abwicklungsstrategie (Resolution Strategy) beruhender grenzüberschreitender Abwicklungsplan (Resolution Plan) aufzustellen und mit der CMG abzustimmen. Weiter ist zwischen den Behörden bis dahin eine unternehmensbezogene grenzübergreifende Kooperationsvereinbarung abzuschließen und ein effektiver Informationsaustausch zu etablieren. Binnen 24 Monaten hat eine Abwicklungsbeurteilung durch die CMG zu erfolgen.

Ab Januar 2019 haben die im November 2017 benannten G-SII erhöhte Kapitalanforderungen zu erfüllen. Dies sind zum einen die Basis-Kapitalanforderungen (Basic Capital Requirements, BCR), die dem Verlustausgleich aller Gruppenaktivitäten dienen. Auf dieser Basis wird in der Folge die sog. höhere Verlustdeckungsmasse (Higher Loss Absorption Capacity, HLA) bestimmt, die sich an der Ausprägung der Systemrelevanz des Versicherungsunternehmens für das globale Finanzsystem orientiert.

7. Weiterentwicklung des G-SII-Bewertungsmodells

Alle drei Jahre, das nächste Mal 2019, ist eine Revision des G-SII-Bewertungsmodells geplant. Für 2019 strebt die IAIS die Aufnahme absoluter Schwellenwerte für weitere Indikatoren an. Schon ab 2017 prüft die IAIS, ob und wie derzeit in Phase III analysierte Daten in die empirische Phase II integriert werden können. Infolge der Überarbeitung des G-SII Bewertungsmodells 2016 – mit der ggü. dem Modell 2013 die Kategorie nicht-traditionelle Versicherungs‑ und  Nicht-Versicherungsgeschäfte (Non-Traditional and Non-Insurance Activities) entfiel und die Kategorie Liquidation von Vermögenswerten neu eingeführt wurde – wird es zu einer Anpassung der Berechnung und Kalibrierung der HLA kommen.

Mit ComFrame (Comprehensive Framework for the Supervision of IAIGs) arbeitet die IAIS an einem weltweit einheitlichen Aufsichtsrahmen für alle international tätigen Versicherungsgruppen (Internationally Active Insurance Group, IAIG), nicht nur G-SII. Einen Teil des Regelwerks bildet der globale risikobasierte Kapitalstandard für Versicherungen (Risk-Based Global Insurance Capital Standard, ICS). Dieser soll nach 2020 die BCR als Grundlage der Berechnung der HLA ersetzen.

Das G-SII-Bewertungsmodell stellt einen institutionsbezogenen Ansatz der makroprudenziellen Aufsicht dar. Zur Sicherung und Verbesserung der Finanzmarktstabilität hinsichtlich der gesamten Versicherungswirtschaft arbeitet die IAIS an der weiteren Ausgestaltung seiner 2013 und 2015 vorgestellten Vorgaben zur makroprudenziellen Aufsicht (Framework for Macroprudential Policy and Surveillance in Insurance). Dabei sollen die dort vorgeschlagenen Indikatoren und Aufsichtsinstrumente weiter konkretisiert werden.

Literatur: Brandtner, K., Systemrelevanz (in) der Versicherungswirtschaft?, Karlsruhe 2014; de Bandt, O./Hartmann, P., Systemic Risk: A Survey, Frankfurt am Main 2000; FSB (Hrsg.), Global Systemically Important Insurers (G-SIIs) and the Policy Measures That Will Apply to Them, 2013, in URL: fsb.org/wp-content/uploads/r_130718.pdf, Abruf: 14.7.2016; FSB (Hrsg.), 2014 Update of List of Global Systemically Important Insurers (G-SIIs), 2014, in URL: fsb.org/wp-content/uploads/r_141106a.pdf, Abruf: 14.7.2016; FSB (Hrsg.), 2015 Update of List of Global Systemically Important Insurers (G-SIIs), 2015, in URL: fsb.org/wp-content/uploads/FSB-communication-G-SIIs-Final-version.pdf, Abruf: 14.7.2016; FSB (Hrsg.), 2016 List of Global Systemically Important Insurers (G-SIIs), 2016, in URL: fsb.org/wp-content/uploads/2016-list-of-global-systemically-important-insurers-G-SIIs.pdf, Abruf: 22.11.2016; FSB (Hrsg.), Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, 2014, in URL: fsb.org/wp-content/uploads/r_141015.pdf, Abruf: 14.7.2016; FSB (Hrsg.), Reducing the Moral Hazard Posed by Systemically Important Financial Institutions, 2010, in URL: fsb.org/wp-content/uploads/r_101111a.pdf, Abruf: 12.7.2016; Hufeld, F. (Hrsg. et.al.),The Economics, Regulation, and Systemic Risk of Insurance Markets, Oxford 2017; IAIS (Hrsg.), Common Framework for the Supervision of Internationally Active Insurance Groups – Revised Draft, 2014, in URL: iaisweb.org/page/supervisory-material/common-framework/file/58726/revised-comframe-draft-2014, Abruf: 20.7.2016; IAIS (Hrsg.), Macroprudential Policy and Surveillance in Insurance, 2013, in URL: iaisweb.org/file/34258/mps-report-18-july-2013, Abruf: 20.7.2016; IAIS (Hrsg.), Global Systemically Important Insurers: Initial Assessment Methodology, 2013, in URL: iaisweb.org/page/supervisory-material/financial-stability-and-macroprudential-policy-and-surveillance/file/34257/final-initial-assessment-methodology-18-july-2013, Abruf: 20.7.2016; IAIS (Hrsg.), Basic Capital Requirements for Global Systemically Important Insurers, 2014, in URL: iaisweb.org/page/supervisory-material/financial-stability-and-macroprudential-policy-and-surveillance/file/34540/iais-basic-capital-requirements-for-g-siis, Abruf: 21.7.2016; IAIS (Hrsg.), Higher Loss Absorbency Requirement for Global Systemically Important Insurers (G-SIIs), 2015, in URL:iaisweb.org/page/supervisory-material/financial-stability-and-macroprudential-policy-and-surveillance/file/57131/iais-higher-loss-absorbency-requirement-for-g-siis, Abruf: 21.7.2016; IAIS (Hrsg.), Frequently Asked Questions for IAIS Financial Stability and Macroprudential Policy and Surveillance (MPS) Activities, 2015, in URL: iaisweb.org/page/supervisory-material/financial-stability-and-macroprudential-policy-and-surveillance/file/57111/gsii-and-mps-frequently-asked-questions-updated-5-oct-2015, Abruf: 22.7.2016; IAIS (Hrsg.), Global Systemically Important Insurers: Updated Assessment Methodology, 2016, in URL: iaisweb.org/file/61179/updated-g-sii-assessment-methodology-16-june-2016, Abruf: 20.7.2016; IAIS (Hrsg.) Systemic Risk from Insurance Product Features, 2016, in URL: iaisweb.org/file/61174/systemic-risk-from-insurance-product-features, Abruf: 22.7.2016; IWF (Hrsg. et.al.), Guidance to Assess the Systemic Importance of Financial Institutions, Markets and Instruments: Initial Considerations – Background Paper, 2009, in URL: bis.org/publ/othp07b.pdf, Abruf: 11.7.2016; Ohler, C., Die Einheitlichkeit der europäischen Aufsichtsarchitektur und die Besonderheit der Versicherungswirtschaft, 2012, in: ZVersWiss, 101. Jg., S. 431–445; Schwarcz, S. L., Systemic Risk, 2008, in: The Georgetown Law Journal, 97. Jg., H. 1, S. 193–249.

Autor(en): Katja Brandtner

 

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