Eigenheimrente
1. Begriff
Mit dem im Wesentlichen zum 1.8.2008 in Kraft getretenen Eigenheimrentengesetz (EigRentG) wurde die steuerlich geförderte private Altersvorsorge maßgeblich erweitert, indem das selbstgenutzte Wohneigentum systematisch in die Riester-Rente einbezogen wurde. Das Eigenheim, dessen Altersvorsorgefunktion aus den durch die Wohnkostenersparnis erweiterten Konsummöglichkeiten im Alter resultiert, ist für viele Haushalte das bevorzugte Vorsorgevehikel. Seit Einführung der Eigenheimrente (auch „Wohn-Riester“) kann sowohl vorhandenes Kapital als auch die laufende Förderung für die Anschaffung von selbstgenutztem Wohneigentum verwendet werden. Die Regelungen zur Eigenheimrente wurden zuletzt mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz (AltvVerbG) vom 24.6.2013 angepasst.
2. Institutionelle Ausgestaltung
Vor dem EigRentG unterlag die Entnahme von Riester-Kapital zur Anschaffung von Wohneigentum engen Restriktionen. Insbesondere musste der sog. Altersvorsorge-Eigenheimbetrag in den Vertrag zurückgeführt werden, wodurch er den Charakter eines Eigendarlehens zur vorübergehenden Liquiditätssteigerung hatte. Nach mehrfacher Neuregelung gelten seit dem AltvVerbG sowohl ein Mindestentnahmebetrag als auch ein Mindestvermögen bei unvollständiger Entnahme (jeweils 3.000 Euro). Altersvorsorge-Eigenheimbeträge können direkt zur Anschaffung bzw. Herstellung selbstgenutzten Wohneigentums verwendet werden, aber auch zu dessen Entschuldung.
Die zweite wesentliche Neuerung des EigRentG ist, dass Tilgungsleistungen in zertifizierte Immobiliendarlehen sowie der Erwerb bestimmter Wohnungsgenossenschaftsanteile den Altersvorsorgebeiträgen gleichgestellt sind. Zusätzlich zu den klassischen Riester-Produkten wurden so geförderte Annuitätendarlehen, Bausparverträge und wohnungsgenossenschaftliche Produkte als neue Vorsorgewege geschaffen.
Zur steuerlichen Gleichstellung der Vorsorgewege werden entnommene Eigenheimbeträge und Tilgungsleistungen (inkl. der Altersvorsorgezulagen) als fiktiver Kapitalstock auf dem sog. Wohnförderkonto erfasst und jährlich mit zwei Prozent fiktiv verzinst. Damit bemisst das Wohnförderkonto das in der Immobilie gebundene geförderte Kapital, so wie das Altersvorsorgevermögen das in einem Sparvertrag gebundene Kapital ausweist. Aus dem Wohnförderkonto wird schließlich eine konstante Annuität bis zum 85. Lebensjahr berechnet, die in der Ruhestandsphase als fiktive Riester-Rente besteuert wird. Durch diese Analogie zu den bestehenden Sparprodukten wird eine (weitgehend) konsistente nachgelagerte Besteuerung der geförderten Vorsorgewege gewährleistet. Optional ist auch die einmalige Besteuerung des Wohnförderkontos möglich, wobei ein Abschlag gewährt wird: Nur 70 % des Kontos werden bei der Einkommensteuerveranlagung angesetzt.
Die geförderten Wohnimmobilien müssen sich im EWR befinden und die Hauptwohnung bzw. der Lebensmittelpunkt der förderberechtigten Person sein. Es wird somit ausschließlich selbstgenutztes Wohneigentum gefördert. Grundsätzlich erfüllen natürlich auch vermietete Immobilien eine Altersvorsorgefunktion, dennoch sprechen zwei Argumente gegen die Förderung innerhalb der Riester-Rente: Erstens steht die spezifische Risikostruktur (vergleichsweise starke Klumpenrisiko-Exponierung) mit den Anforderungen der zweiten Altersvorsorgeschicht im Konflikt. Zweitens und hauptsächlich existieren erhebliche Hürden der systemkonformen, nachgelagerten Besteuerung von Investitionsgütern.
Die (nicht nur vorübergehende) Aufgabe der Selbstnutzung stellt eine Zweckentfremdung der Förderung dar. Es wird dann unterstellt, dass dem Sparer eine Leistung in voller Höhe des Wohnförderkontos zufließt. Um dessen sofortige Besteuerung zu vermeiden, kann ein entsprechender Betrag in einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag eingezahlt werden. Ein berufsbedingter Umzug ist zulässig, sofern die Selbstnutzung nach der berufsbedingten Abwesenheit, jedoch spätestens mit 67 Jahren, wieder aufgenommen wird. Die Aufgabe der Selbstnutzung ist auch dann nicht förderschädlich, wenn damit die Anschaffung einer anderen selbstgenutzten Immobilie einhergeht.
3. Empirischer Marktüberblick
Mit der Eigenheimrente wurde ein dynamischer Teilmarkt der Altersvorsorgeprodukte zur Wohneigentumsbildung geschaffen, der im Wesentlichen durch Bausparverträge konstituiert wird, während Annuitätendarlehen und wohnungsgenossenschaftliche Produkte noch selten sind. Die Bausparverträge machen den Großteil der 1,4 Mio. am Ende des Jahres 2014 bestehenden Eigenheimrenten-Verträge aus. Im Vergleich zur gesamten Riester-Rente treten junge Sparer, der ländliche und westdeutsche Raum sowie Haushalte mit leicht überdurchschnittlichen Einkommen überproportional häufig als Nachfrager auf. Weiterhin fällt auf, dass der Teilmarkt bei Frauen einen größeren Stellenwert hat: Sie sind bei der Eigenheimrente nicht unterrepräsentiert. Aufgrund der höheren Einkommen, aber auch in Anbetracht des spezifischen Zwecks von Bausparverträgen zur mittelfristigen Eigenkapitalbildung, sind im Vertragsbestand der Eigenheimrente überdurchschnittliche Sparleistungen zu beobachten.
Der Marktanteil der Eigenheimrenten-Verträge an allen Riester-Verträgen von ca. sechs Prozent im Jahr 2012 ging aufgrund der kurzen Spardauer mit einem vergleichsweise geringen Marktvolumen einher: Das akkumulierte Kapital der ersten drei Beitragsjahre der Eigenheimrente betrug (vor Kosten und Zinsen) ca. 730 Mio. Euro. Die vereinbarten Bausparsummen liegen jedoch überwiegend in einem Bereich, der die spätere Wohneigentumsbildung plausibel erscheinen lässt. Mit gehäufter wohnungswirtschaftlicher Verwendung von Riester-Vermögen ist zum Ende des Jahrzehnts zu rechnen, nämlich wenn die erste Welle von Bausparverträgen zuteilungsreif wird. Bis zum ersten Quartal 2011 gab es ca. 5.000 Entnahmen aus klassischen Riester-Verträgen zur Anschaffung von Wohneigentum.
4. Reformdiskussion
Ein seit der Einführung der Eigenheimrente kontrovers diskutiertes Thema ist die fiktive Verzinsung des Wohnförderkontos, die der Neutralität zwischen den verschiedenen Sparformen dient. Die Höhe des Zinssatzes ist theoretisch als durchschnittliche Rendite geförderter Sparverträge determiniert bzw. näherungsweise als die Rendite langfristiger Staatsanleihen. Nach diesen Kriterien ist der derzeitige Erhöhungssatz von zwei Prozent angemessen; die gesetzliche Festlegung eines Referenzzinssatzes sowie einer Anpassungsfrequenz könnte in Betracht gezogen werden.
Ein Problem im Zusammenhang mit der Aufgabe der Selbstnutzung ist die fünfjährige Reinvestitionsfrist, die je nach Lage des örtlichen Immobilienmarkts zu kurz sein kann, um einen Verkauf zu bewerkstelligen. Problematisch ist auch die optionale Einmalbesteuerung. Der Abschlag dient aus theoretischer Sicht der Barwertäquivalenz der Besteuerungsvarianten im Zusammenhang mit der Progression des Einkommensteuertarifs, ist aber im Einzelfall aufgrund seiner pauschalen Bemessung wenig treffsicher. In Verbindung mit der Selbstnutzungsaufgabe und dem seit 2014 frei wählbaren Besteuerungszeitpunkt entstehen zusätzliche Verzerrungen. Für die Beibehaltung der Besteuerungsoption sprechen möglicherweise Akzeptanzprobleme der Besteuerung fiktiver Zuflüsse.
Einige der Reformmaßnahmen des AltvVerbG 2013 zielen auf die Beseitigung von Diskriminierungen des selbstgenutzten Wohneigentums innerhalb der Riester-Rente, kommen damit den Präferenzen vieler Sparer entgegen und steigern letztlich das Nachfragepotenzial der Eigenheimrente. Als Beispiel kann die erleichterte Entschuldung durch Kapitalentnahmen angeführt werden, die nun auch während der Ansparphase und für vor 2008 angeschaffte Immobilien möglich ist. Denn im Regelfall ist die Verwendung der Fördermittel zur schnelleren Hypothekentilgung vorteilhaft. In ähnlicher Weise dürfte die 2014 begonnene Förderung von barrierereduzierenden Umbaumaßnahmen spürbare Nachfragewirkungen entfalten. Deren Nichteinbeziehung war angesichts des engen Zusammenhangs mit der Altersvorsorgefunktion von Wohneigentum in gewisser Weise inkonsistent. Diese Erweiterung der Riester-Förderung geht mit besonderen Fristen, Mindestbeträgen, bautechnischen Anforderungen und Nachweispflichten einher. Ein zu überprüfender Aspekt sind die Mindestbeträge. Ob die Beseitigung von Markteintrittshürden bei den bisher irrelevanten wohnungsgenossenschaftlichen Produkten (bez. Pfändungsschutz, Sicherungskriterien und Selbstnutzungsbedingung) spürbare Auswirkungen haben wird, ist unklar.
Literatur: Leifels, A. Immobilien als Altersvorsorge – Empirie und Reformoptionen der Eigenheimrente, Dissertationsschrift, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 2014.
Autor(en): Prof. Dr. Christian Hagist, Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Dr. Arne Leifels