Nun gibt es die Tierkrankenversicherung auch im Baumarkt. Ein Direktversicherer macht es möglich. Die Lobby der Versicherungsvermittler kritisiert das Angebot scharf.
„Der Vertrieb von Tierkrankenversicherungen eröffnet unseren Gesellschaftern die Möglichkeit, das Service-Angebot für ihre Kunden ohne nennenswerten Personalaufwand zu erweitern und bietet den Märkten einen Hebel, um die Kundenbindung zu steigern“, kommentiert Sarah Kühne, Abteilungsleitung Privatkunden bei der Hagebau Versicherungsdienst GmbH den neuen Service. Zwar ist der Versicherungsdienst des Baumarkts als Versicherungsmakler zugelassen, doch er dürfte vor Ort kaum zum Tierschutz beraten.
Alle „relevanten“ Infos im Baumarkt
Laut einer Pressemitteilung des neuen Partners, der DA Direkt, würden in den Abteilungen für Haustierbedarf und -zubehör der Hagebaumärkte Tierhalter ab sofort auf die Versicherungsprodukte für Haustiere „aufmerksam gemacht“. „Sie erhalten dort alle relevanten Informationen“, so die Assekuranz. Der Abschluss soll dann via QR-Code digital erfolgen. „Mit den mehr als 380 Hagebaumärkten in Deutschland erhalten wir eine weitere große Plattform, um Kunden von unserem innovativen Angebot mit kostenlosem Online-Tierarzt zu überzeugen“, lässt sich Sebastian Wolf, Head of Partnerships bei der Zurich Gruppe Deutschland, dem Mutterkonzern der DA Direkt, in der Mitteilung zitieren. Eine Besonderheit des Produkts sei die Telemedizin durch Tierärzte. „Kunden können die Video-Sprechstunde von Online-Tierärzten kostenfrei und unbegrenzt häufig nutzen“, erläutert der Versicherer. Wenn nach der Video-Sprechstunde doch ein Besuch bei einem lokalen Tierarzt erforderlich ist, profitiere der Kunde von einer höheren Kostenerstattung.
BVK kritisiert fehlende Beratung
Je nach gewähltem Tarif sollen bis zu 100 Prozent der Tierarztkosten erstattet werden. In der Regel gibt es bei Tierkrankenversicherungen Summendeckelungen und Abstriche bei den Höchstgebühren für Tierärzte. Zudem können Tierkrankenversicherungen meist im Schadenfall gekündigt werden. Die Produkte sind somit eher komplex. Eine sachgerechte Beratung ist somit notwendig. Die sieht der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) beim aktuellen Angebot nicht verwirklicht. „Dass Assekuranzen immer wieder Versicherungen wie Ramschware über Supermärkte oder hier über Baumärkte vertreiben und dadurch – mangels persönlicher Beratung und Vermittlung – weder dem Verbraucher noch dem Produkt gerecht werden, kritisieren wir seit Jahren“, sagt BVK-Präsident Michael Heinz auf Anfrage.
Verkauf über Ladentheke europarechtswidrig
Hier werde die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit der Tippgeber weidlich ausgenutzt. Ist die Vermittlung eine Nebentätigkeit, also produktakzessorisch, ist sie nach geltendem Recht erlaubnisfrei. Heinz: „Wir kennen das Angebot zum Vertrieb von Tierversicherungen der DA Direkt über den Hagebaumarkt nicht en detail. Aber das müssen wir auch nicht, denn nach Ansicht des BVK gehört der Versicherungsvertrieb in die Hände von qualifizierten, ehrbaren und erfahrenen Versicherungsvermittlern.“ Mit Nebenberuflern, etwa als Tippgeber, wird nach Einschätzung von Lars Gatschke, Referent im Team Finanzmarkt beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), das Zulassungs- und Aufsichtssystem des Versicherungsvertriebs unterlaufen. Nach Einschätzung von Gatschke ist der Verkauf von Versicherungen ohne Beratung über die Ladentheke europarechtswidrig. „Zumindest die Abfrage nach vorhandenem Versicherungsschutz wäre eigentlich Pflicht“, so der Verbraucherschützer Gatschke.
Tierkrankenschutz boomt
Tierkrankenschutz boomt aktuell. „Das ist derzeit die Sparte, bei der es echt starke Nachfrage gibt“, sagt Emanuel Römer vom Vergleichsportal Mr-Money. Der Anbieter und Angebots-Markt explodiert regelrecht. Mitte Februar 2024 hatte beispielsweise die LVM einen Tarif nach dem „Baukastenprinzip zur Krankenvollversicherung“ herausgebracht. Es gibt mittlerweile fast 15 Anbieter. Laut der Studie „Tierversicherungen 2022 – Status Quo, Potenziale und Perspektiven“ des Marktforschungsinstituts Nordlight Research hatten vor zwei Jahren rund 42 Prozent der Pferdebesitzer eine Tierkrankenversicherung, bei den Hundebesitzern waren es 30 Prozent und bei den Katzenliebhabern 23 Prozent.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek