Wissenschaftler der Universität Paderborn haben sich die Entwicklungen rund um die Gamestop-Aktie genauer angeschaut. Im Fokus des Projekts standen die handelnden Kleinanleger sowie deren persönliche und handelstechnische Merkmale. Nun liegen die Ergebnisse der Untersuchung vor und belegen, dass es sich bei der Aktion für viele nicht um einen Protest gegen die Wall Street handelte, sondern um den spekulativen Handel einer Gruppe von Kleinanlegern.
Hintergrund: Zu Jahresbeginn hatte der rasant gestiegene Kurs der Gamestop-Aktie, der zeitweilig um rund 1.600 Prozent nach oben geschossen war, für Tumulte an der Wall Street gesorgt. "Im Januar 2021 verabredeten sich Kleinanleger im Diskussionsforum Wallstreetbets auf der amerikanischen Online-Plattform Reddit zum Kauf von Gamestop-Aktien. Zuvor hatten die US-Hedgefonds Citron Research und Melvin Capital auf einen Kursverlust gesetzt und die Papiere leerverkauft", erläuterte die Unternehmensberaterin Tracy Dathe im Februar die Hintergründe bei Springer Professional. In der Folge kam es zu einem Kampf der Spekulanten.
Kleinanleger praktizierten Predatory Trading
"Der starke Preisanstieg war allerdings keine Reaktion auf ein wirtschaftliches Ereignis, wie es in der Regel der Fall ist, sondern ist weitgehend Kleinanlegern zuzuschreiben. In den Nachrichten wurde suggeriert, dass sie sich gegen die Wall Street stellen", erläuterte Matthias Pelster im Fachmagazin "Finance Research Letters". Für den Professor im Bereich Taxation, Accounting and Finance und sein Forschungsteam ist das Ergebnis auch deshalb so interessant, weil es den ersten Fall von räuberischem Handel darstellt, der privaten Anlegern zuzuschreiben ist.
Pelster beschreibt das Verhalten als sogenanntes Predatory Trading. Das trete dann auf, wenn Anleger dem Markt Liquidität entziehen, anstatt sie bereitzustellen. Sie handelten in diesem Fall gleich einem, möglicherweise notleidenden, Großanleger, um ihn zur Liquidation zu zwingen. So schieße der Preis nach oben und den "Räubern" gelinge es, Gewinne zu realisieren.
Orderflow bestimmt den Aktienkurs
Obwohl die Kleinanleger eine große Aufmerksamkeit der Medien genießen, bleiben ihre Identität und ihre Ziele in Bezug auf die Gamestop-Aktie unbekannt. Doch habe der Vorfall gezeigt, wie sie durch eine Vielzahl von Käufen und Verkäufen, den sogenannten Orderflow, "innerhalb kürzester Zeit die Aktienkurse bewegen", so Pelster.
Dabei hätten Gamestop-Händler bereits in der Vergangenheit häufig in spekulative Instrumente investiert, darunter in Aktien mit lotterieähnlichen Merkmalen. "Außerdem schlossen sie ihre Positionen mit größerer Wahrscheinlichkeit schon vor dem Höhepunkt der Episode im Januar", erklärt der Wirtschaftswissenschaftler. Ihren Peak erlebten die Papiere am 27. Januar 2021 bei einem Kurs von etwas mehr als 347 US-Dollar.
Autor(en): Angelika Breinich-Schilly