Die Auswirkungen der aktuellen Covid-19-Pandemie fordern und belasten die Führungskräfte der Unternehmen in vielfältiger Hinsicht, denn: In ihnen müssen nicht nur viele Entscheidungen und gewohnte Vorgehensweisen überdacht werden, auch das Führungsverhalten muss reflektiert und den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden.
Deshalb fragen sich viele Führungskräfte aktuell: Wie kann ich in diesem, von sehr rascher Veränderung und einer hohen Unsicherheit geprägten Umfeld
- als Top-Entscheider und -Manager in dem mir anvertrauten Bereich meine Handlungsfähigkeit bewahren,
- als Führungskraft meine Mitarbeiter durch den Dschungel der Veränderungen führen und zugleich
- als Individuum mir meine Freude an meinem Job bewahren und unter anderem im Mitarbeiterkontakt die nötige Zuversicht und Gelassenheit ausstrahlen?
Eine erhöhte Achtsamkeit ist gefragt
So unterschiedlich die Antworten im Einzelfall abhängig von der Person und Ist-Situation auf diese Frage auch sein mögen, ein Faktor ist für das Bewältigen der hinter ihr stehenden Herausforderungen unabdingbar: eine erhöhte Achtsamkeit beim Führen der eigenen Person sowie der Mitarbeiter -auch Mindful Leadership genannt.
"Mindfulness", also Achtsamkeit, ist eine besondere Form der Konzentration, bei der man bewusst wahrnimmt, was im Moment ist und geschieht und zwar ohne dies zunächst zu beurteilen. Ein Vordenker in diesem Bereich war Jon Kabat-Zinn, ein emeritierter Professor der University of Massachusetts Medical School in Worcester. Er entwickelte mit seinem Team in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Trainingsprogramm namens "Mindfulness Based Stress Reduction", um nachhaltig besser mit Stress und den Herausforderungen im beruflichen und privaten Leben umzugehen. Seine Kerninhalte sind verschiedene Meditationsformen sowie eine gezielte Entwicklung der Achtsamkeit im Alltag. Dieses Programm wird inzwischen seit über 40 Jahren in mehr oder minder modifizierter Form in der Personalentwicklung erfolgreich angewendet und wissenschaftliche Studien belegen seine positiven Effekte, nicht nur auf der psychologischen Ebene.
Das Führungsverhalten verschärft reflektieren
Im Zentrum des Programms steht eine Entwicklung der Selbststeuerungsfähigkeit durch eine erhöhte und sensiblere Wahrnehmung von sich selbst. Sie ermöglicht es, unbewusst wirkende Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster in sich zu erkennen und bei Bedarf außer Kraft zu setzen - also eingeübte und antrainierte Reiz-Reaktionsmuster zu durchbrechen, denn: Durch diese Form des Bewusstseins-Managements vergeht zwischen dem jeweiligen externen Reiz und unserer Reaktion auf diesen eine kleine Zeitspanne. In ihr können wir unsere Antwort beziehungsweise Reaktion auf den Reiz bewusst wählen. Die achtsame Wahrnehmung dieses inneren Prozesses ermöglicht es somit, unser Empfinden und Verhalten zu steuern.
Dies ist gerade in Krisen- und Marktumbruchsituationen wie den aktuellen beim Führen von Mitarbeitern extrem wichtig, denn in ihnen sind auch diese oft hochgradig verunsichert und teils auch beruflich und privat extrem belastet. Deshalb achten sie auch stärker als in normalen Zeiten auf die Reaktionen, das Verhalten und die Aussagen ihrer Führungskräfte und versuchen hieraus, Antworten auf solche Fragen abzuleiten wie: Wie sicher ist mein Arbeitsplatz? Wie viel Vertrauen schenkt mir mein Chef noch? Wie loyal ist er uns gegenüber, seinen Mitarbeitern?
Sich der Wirkungen des Verhaltens bewusst sein
Deshalb kann ein Verhalten, das in normalen Zeiten durchaus zielführend und angemessen ist, in Krisen- und Marktumbruchsituationen extrem negative Wirkungen haben. Also müssen Führungskräfte in ihnen ihr Verhalten verschärft reflektieren und gegebenenfalls neu justieren. Allein fällt dies Führungskräften gerade in Zeiten, in denen selbst unter Druck stehen, oft schwer. Deshalb sollten Unternehmen gerade dann erwägen, ihren Führungskräften einen Coach als Sparringpartner zur Seite zu stellen.
Unabhängig von der aktuellen Ist-Situation bietet ein Steigern der Achtsamkeit ihrer Führungskräfte Unternehmen jedoch vielversprechende Möglichkeiten. Untersuchungen zeigen: Durch ein Mindful Leadership können Führungsaufgaben authentischer und erfolgreicher wahrgenommen werden.
Ein wenig selbst-reflektives und sich seiner negativen (Neben-)Wirkungen nicht bewusstes Führungsverhalten verursacht für Unternehmen oft hohe Kosten. Studien belegen unter anderem seinen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter, deren Produktivität sowie Fehlzeiten und Fluktuation.
Mindful Leadership hat viele positive Effekte
Durch ein achtsamkeit-basiertes Leadership-Programm können hingegen bezogen auf die Führungskräfte folgende positiven Wirkungen erzielt werden:
- Konzentrationsfähigkeit und Kreativität steigen,
- Aufbau nachhaltiger Stressbewältigungsstrategien,
- verbesserte Selbst- und Fremdwahrnehmung,
- Ausbau wichtiger Führungskompetenzen (wie Empathie, Emotionale Intelligenz, Entscheidungsfähigkeit),
- flexiblerer Umgang mit (neuen) Herausforderungen, höhere Changekompetenz.
Hieraus resultieren wiederum für die Unternehmen folgende positiven Effekte:
- höhere Produktivität aufgrund effektiverer Führungsarbeit,
- höhere Motivation und Zufriedenheit im Team,
- weniger krankheitsbedingte Fehltage,
- qualitativ höherwertige (Projekt-)Arbeit durch ein vernetzteres Denken und Handeln,
- höhere Arbeitsidentifikation aufgrund eines mitarbeiterorientierten Betriebsklimas.
Durch ein Mindful Leadership-Programm kann folglich nicht nur das Stresslevel der Führungskräfte gesenkt, sondern auch der Unternehmenserfolg gesteigert werden - auch weil eine erhöhte Mindfulness es den Führungskräften ermöglicht, herausfordernde Situationen neu wahrzunehmen und (mit ihren Mitarbeitern) kreativere Problemlösungen zu finden.
Die Kompetenz zu Selbstführung trainieren
Die Basis für eine achtsame Führung ist eine bewusste Selbstführung. So kennen achtsame Führungskräfte zum Beispiel ihre Werte, Einstellungen und Motive. Deshalb wissen sie auch, warum sie gerade in Stress-Situationen zu gewissen Reaktionen neigen. Also können sie auch ihr Verhalten steuern.
Das dahinter stehende "Selbst-Bewusstsein" fällt nicht vom Himmel. Es erfordert vielmehr Zeit, der Bereitschaft, sich zu verändern beziehungsweise zu entwickeln sowie ein regelmäßiges Üben. Für Führungskräfte bedeutet dies konkret: Sie sollten zum Beispiel täglich circa 20 Minuten in sich und ihre Entwicklung investieren und die eigene Achtsamkeit beispielsweise durch Meditation trainieren - gerade in Zeiten wie den aktuellen.
Rainer Paszek, Eglfing (Oberbayern), arbeitet als Führungskräfte- sowie Teamentwickler, -trainer und -coach. Zudem ist er Lehrcoach sowie zertifizierter Mediator (https://fuehrungskraefteentwicklung.team).
Autor(en): Rainer Paszek