Die zweigeteilte Aufsicht über Versicherer und über Vermittler in Deutschland führt zu einem sehr selektiven Einsatz von Aufsichtsinstrumenten, wie eine aktuelle EIOPA-Studie zeigt.
Die Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD hat das Ziel einer Mindestharmonisierung der Regeln für Versicherungsvertreiber. Wie weit es aber noch zu einer europaweiten Harmonie der Regeln ist, zeigen immer wieder Studien der Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA. So auch die jüngst erschienene, zweite Studie über die Anwendung der IDD-Regeln.
Instrumentenkasten der IHKs schmal, aber tief
Diese Studie gibt einen Überblick über das Aufsichtsinstrumentarium, das die jeweiligen Aufsichtsbehörden in Sachen Versicherungsvertrieb einsetzen können. Dabei gibt es nur in Deutschland und in Österreich die Besonderheit, dass es nicht nur eine einzige Behörde, meist die Finanzaufsicht, gibt, die den Versicherungsvertrieb zu überwachen hat. Bei uns sind das bekanntlich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Versicherer sowie indirekt für die gebunden erlaubnisfreien Vertreter auf der einen und die Industrie- und Handelskammern (IHKs) für die Vermittler und Berater mit Erlaubnis oder Erlaubnisbefreiung auf der anderen Seite.
BaFin und IHKs nutzen danach beide konsequent und regelmäßig die Möglichkeit, Versicherungsvertreiber-Unternehmen sowohl von außen zu beobachten als auch Vor-Ort-Prüfungen vorzunehmen, um sich von der Einhaltung von Regeln zu überzeugen. Das Thema Beschwerden als Anlass für eine Überprüfung hat bei den IHKs mit die höchste Priorität, bei der BaFin nach eigenen Angaben nur eine mittlere.
Marktbeobachtung ist Sache der BaFin
Weitere Aufsichtsinstrumente nutzt, wenn überhaupt, dann nur die BaFin. Sie gibt im EIOPA-Report an, allgemeines sowie speziell datengetriebenes Marktmonitoring durchzuführen. Die Produktaufsicht wird mit mittlerer Intensität, thematische Untersuchungen sowie Konsumentenforschung mit geringer Intensität betrieben.
Gar nicht genutzt werden bisher die Mittel des verdeckten Testkaufs (Mystery Shopping), der Nutzung von Kunden-Fokusgruppen sowie sonstige, vorrangig zur Überwachung gedachte Maßnahmen wie eine "Fit&Proper"-Überprüfung der im Versicherungsvertrieb tätigen Personen.
Verdeckte Testkäufe im Auftrag der BaFin
Allerdings hat die BaFin sowohl im EIOPA-Report als auch in ihrem eigenen Journal angekündigt, das Aufsichtsinstrument Mystery Shopping kurzfristig in ihr Instrumentarium aufzunehmen. Dazu wurde die Behörde personell verstärkt, erste Tests sollen bereits 2021 gelaufen sein. Getroffen hatte es einige Banken und deren Anlageberatung.
"Wir planen jährlich mehrere Hundert Testkäufe in allen Aufsichtsbereichen", wird Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz der BaFin in deren Dezember-Journal zitiert. Im Jahr 2022 wird die Restschuldversicherung im Fokus stehen. Das überrascht nicht, denn zum Vertrieb dieser Produkte hatte die Aufsicht bereits zwei thematische Untersuchungen vorgelegt und den Gesetzgeber bei Umsetzung der IDD bewegen können, spezielle, verbraucherschützende Maßnahmen in das Versicherungsvertragsgesetz aufzunehmen. Im Fokus stehen zudem wiederum Banken, denn nur die vertreiben diese Produkte in nennenswertem Umfang.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit als künftige Schwerpunkte
Das Thema ist auch noch nicht abgeschlossen, wie man dem Koalitionsvertrag der "Ampel" entnehmen kann. Sie will den Vertrieb der Restschuldversicherung weiter einschränken durch die Einführung einer Mindest-Karenzzeit zwischen Kreditvergabe und Versicherungsangebot von einer Woche.
Für die weitere Zukunft kündigt die BaFin als Themenschwerpunkte "Digitalisierung und Nachhaltigkeit" an. Es wäre durchaus einfacher und preiswerter, per Desktop-Recherche Onlineangebote zu untersuchen, anstatt Testkunden in Präsenztermine zu schicken. Versicherer und Vermittler müssen sich offenbar darauf einstellen, dass auf der einen Seite allgemein Onlineangebote und auf der anderen Seite die Eignungsprüfung beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten mit Blick auf die nachhaltigkeitsbezogenen Fragen kritisch in den Blick genommen werden.
Autor(en): Matthias Beenken