Eine korrekte Erstinformation als Versicherungsvertreterin oder Versicherungsvertreter reicht nicht immer aus, um nicht am Ende doch die Pflichten einer Maklerin oder eines Maklers erfüllen zu müssen.
In dem vom Oberlandesgericht Dresden (Urteil vom 7.11.20223, Az. 4 U 54/23, VersR 5/2024, 295-297) entschiedenen Fall ging es um einen Mehrfachvertreter. Der hatte dem Kunden im Jahr 2018 geraten, seine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung zu kündigen und stattdessen eine Grundfähigkeitsversicherung neu abzuschließen.
Neuer Risikoausschluss nach Umdeckung
Der Kunde, ein Bäcker, wollte Schadenersatz haben, und zwar zum einen vom Mehrfachvertreter selbst und zum anderen von dem Versicherer, bei dem die neue Versicherung eingedeckt worden war. Beide waren von der Vorinstanz verurteilt worden, wehrten sich aber dagegen. Die Revision ging für den Versicherer positiv, für den Mehrfachvertreter hingegen negativ aus.
Stein des Anstoßes war, dass die später abgeschlossene Versicherung einen Risikoausschluss enthielt, da der Kunde verschiedene Atemwegserkrankungen angegeben hatte. Die vorherige Versicherung hatte keine solche Einschränkung.
Das Gericht geht von einer Verletzung der Beratungspflicht bei der Umdeckung aus. Erschwerend kam hinzu, dass es zwar ein Beratungsprotokoll gab, das aber „lediglich eine Produktempfehlung enthält, den Inhalt des Gesprächs jedoch in keiner Weise wiedergibt“. Die Folge: Die Beweislast kehrt sich faktisch um, der Vermittler muss sich entlasten und seinerseits beweisen, dass er die nicht dokumentierte, aber behauptete Beratung erbracht hat.
Wer sich den falschen Hut aufsetzt, wird ihn nicht mehr los
Für den Mehrfachvertreter kam es aber noch dicker. Denn das OLG Dresden stufte ihn als sogenannten Pseudomakler ein. Man sei aufgrund der Gesamtumstände davon ausgegangen, „dass zwischen den Beteiligten ein Versicherungsmaklervertrag abgeschlossen wurde“. Und das wäre sogar dann der Fall gewesen, wenn der Mehrfachvertreter eine korrekte statusbezogene Erstinformation abgegeben hätte, wonach er eine Gewerbeerlaubnis als Versicherungsvertreter hat – nachweisen ließ sich das in diesem Fall jedoch auch nicht.
Viel wichtiger waren der Ablauf und das Auftreten, wie es sich aus der Urteilsbegründung ablesen lässt. Offenbar war ein „Finanzgutachten“ erstellt worden, in dem sich der Mehrfachvertreter als „Unternehmensberater für den privaten Haushalt“ bezeichnete. Man arbeite mit „unabhängigen Spezialisten“ zusammen und sei „unabhängig von Produktgebern“.
Zudem wurde eine „Dienstleistungsvereinbarung“ geschlossen und eine Beratungsgebühr verlangt. Der Kunde wurde zudem als „Mandant“ bezeichnet. In der Beratungsdokumentation wurde zwar auf eine „Liste der vertretenen Gesellschaften“ hingewiesen, aber ansonsten kein Hinweis auf die Vertretereigenschaft angebracht.
Das Gericht führt aus, dass der Vertreter selbst dann als Anscheinsmakler hafte, wenn der Kunde möglicherweise gewusst habe, dass es sich um einen Vertreter handele. Es komme „allein auf das objektive Auftreten des Vermittlers gegenüber dem Versicherungsnehmer“ an.
Weitreichende Pflichten nicht erfüllt
Das Problem an der Sache ist für diesen Mehrfachvertreter, dass er in dem Umdeckungsfall nach Meinung des Gerichts die sehr weit gehenden Pflichten eines Versicherungsmaklers gehabt hat, diesen aber nicht gerecht geworden ist. Er hätte den Kunden „auf die Folgen und Risiken der vorzeitigen Kündigung einer bestehenden und des Abschlusses einer neuen Versicherung“ hinweisen müssen.
Es hat danach eben nicht gereicht, dass der Kunde wohl Prämie sparen wollte. Er hätte die Situation des Kunden und die bestehenden Verträge genau analysieren müssen. Dies ganz besonders, weil der Kunde in diesem Fall „in Versicherungsanagelegenheiten ersichtlich hilflos war“. Der Makler hätte die Sondervereinbarung der neuen Versicherung wahr- und ernstnehmen müssen und dem Kunden besser geraten, die alte Versicherung doch nicht zu kündigen.
In der Anbahnungsphase steht ein Mehrfachvertreter allein da
Obendrein musste der gewinnende Versicherer nicht für den Beratungsfehler dieses Mehrfachvertreters gesamtschuldnerisch haften. Grund ist, dass die Beratungspflichtverletzung in der Anbahnungsphase geschehen ist, also bevor die Beratung zu der letztlich abgeschlossenen Grundfähigkeitsversicherung begann. Der Mehrfachvertreter war also in diesem Moment noch kein Erfüllungsgehilfe des gewinnenden Versicherers, die Haftung konnte nicht auf diesen übergehen. Das wäre in einer vergleichbaren Situation bei einem Ausschließlichkeitsvertreter anders gewesen.
Der falsche Anschein eines Maklers verstärkt diese Zuordnung eher noch. Denn das Gericht führt aus, dass es ganz grundsätzlich zweifelhaft sei, ob man Pflichtverletzungen eines Anscheinsmaklers einem Versicherer zurechnen kann, mit dem er durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbunden ist. Der Mehrfachvertreter habe sich ja gerade mit seinem falschen Anschein aus dem Lager des Versicherers hin in dasjenige des Kunden gestellt.
Verräterische Selbstdarstellung vermeiden
Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur formale Pflichten wie die Aushändigung der Visitenkarte als statusbezogener Erstinformation zu erfüllen. Denn das lässt sich im Nachhinein oft gar nicht mehr beweisen – es wäre schon merkwürdig, wenn man vom Kunden eine Unterschrift als Empfangsbeleg für die Visitenkarte verlangen wollte.
Viel entscheidender ist das gesamte sonstige Auftreten. Verräterische Begriffe wie „Unabhängigkeit“, „Mandant“ und „Unternehmensberater“ gehören nicht in den Mund und in die schriftlichen Unterlagen eines Vertreters, ganz gleich ob Ausschließlichkeits- oder Mehrfachvertreter. Der Unabhängigkeitsanspruch wird mittlerweile selbst echten Versicherungsmaklern streitig gemacht (Versicherungsmagazin vom 30.10.2023), da ist er beim Mehrfachvertreter erst recht verfehlt.
Autor(en): Matthias Beenken