Der jährliche Bericht über administrative Sanktionen und sonstige Maßnahmen nach der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) (Annual Report on administrative sanctions and other measures under the Insurance Distribution Directive (IDD) gibt einen Überblick, welche Sanktionen europäische Aufsichtsbehörden ab dem Umsetzungsjahr 2018 bis Ende 2019 gegen Versicherungsvermittler verhängt haben.
Berücksichtigen muss man dabei, dass bei weitem nicht alle Mitgliedsländer so wie Deutschland die Richtlinie weitgehend pünktlich zum 23. Februar 2018 umgesetzt haben. Viele nutzten die Übergangsfristen bis Oktober 2018 oder brauchten sogar noch länger. Umgekehrt schließt die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde (EIOPA) auch nicht aus, dass zum Teil auch Sanktionen gemeldet wurden, die noch nicht unter IDD, sondern unter die Vorläuferrichtlinie fallen, die Versicherungsvermittlerrichtlinie IMD.
Nur acht von 28 nationalen Aufsichten haben Sanktionen erlassen
Dennoch liegen nur Berichte aus ganzen acht von den damals noch 28 Mitgliedsländern einschließlich Großbritannien vor. Und selbst die sind nicht immer vollständig. So hat Deutschland beispielsweise keine Summen übermittelt, auf die sich die verhängten Strafen (wohl in der Regel Ordnungsgelder) belaufen. Berichtet wird über Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Litauen, Malta und Ungarn. 20 Länder haben offenbar keine Sanktionen verhängt.
Hinzu kommt, dass Deutschland allein 83 Prozent der gemeldeten Sanktionen auf sich vereint, oder 1.588 von 1.923. Dagegen weist Belgien die höchste Strafensumme von 660.000 Euro von insgesamt knapp 946.000 Euro auf, allerdings basierend nur auf vier Ländern, die dazu Angaben machten.
Fast alle Sanktionen in Deutschland erlassen
Die von Deutschland gemeldeten Sanktionen teilen sich auf 870 Entziehungen von Gewerbeerlaubnissen und 718 Bußgeldverhängungen auf. Die 870 entzogenen Gewerbeerlaubnisse sind eine durchaus beachtliche Anzahl in Relation zu den Ende 2019 rund 79.800 von den Industrie- und Handelskammern eingetragenen Versicherungsvermittlern und -beratern - mehr als ein Prozent.
Warum Gewerbeerlaubnisse entzogen werden
Der Bericht gliedert zudem auf, warum die Erlaubnisse entzogen wurden. 473 Entziehungen erfolgten allgemein aufgrund Nichterfüllung der beruflichen Anforderungen nach § 34d Absatz 5 GewO. 59 Entziehungen bezogen sich speziell auf das Nichtvorliegen der Zuverlässigkeit und geordneten Vermögensverhältnisse. 329 Fälle betrafen das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung.
Die Bußgelder hingegen wurden überwiegend - in 439 Fällen - wegen fehlender oder unzureichender Aus- und Weiterbildung verhängt. Weitere 143 Fälle betrafen allgemeine Verstöße gegen die Registrierungspflicht, noch einmal 114 Fälle fehlende Meldungen zu Beteiligungsverhältnissen und engen Beziehungen zwischen dem registrierten Vermittler und Anteilseignern oder sonstigen Personen. 22 Bußgelder wurden wegen Verstößen gegen die Vorschriften zur Sicherung von Kundengeldern verhängt.
Keine Meldungen hat Deutschland in den Kategorien Strafveröffentlichungen, Unterlassungsverfügungen, zeitweise Tätigkeitsbeschränkungen von Geschäftsleitungsmitgliedern und zu sonstigen administrativen Sanktionen und Maßnahmen gemacht.
Aufsicht funktioniert
Für Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverband Finanzdienstleistung AfW, zeigen diese Zahlen: "Die Aufsicht über die Versicherungsvermittler funktioniert." Die in Deutschland für die Vermittler mit Gewerbeerlaubnis zuständigen Industrie- und Handelskammern hätten das "europaweit das mit Abstand strengste Aufsichtsregime" etabliert.
Dass ein Vermittlerverband eine besonders strenge und effektive Aufsicht lobt, ist durchaus ungewöhnlich. Zu verstehen ist dies aber vor dem Hintergrund des vom Bundesfinanzministerium eingebrachten Gesetzesvorschlags, die Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenvermittler auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu übertragen.
IDD verlangt keine Maßnahmen gegen "Grundrauschen"
Das Gesetz ist im Bundestag derzeit gestoppt. Die Große Koalition ist sich untereinander nicht einig, ob das Ziel des Gesetzes einer Vereinheitlichung und einer Qualitätsverbesserung der Vermittleraufsicht erreicht werden kann. In einer Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags hatten die Experten, die das Gesetz befürworteten, keine empirische Evidenz für ein Versagen des IHK-Aufsichtsregimes nennen können. Lediglich von "einem Grundrauschen schlechter Beratung" wurde gesprochen, wogegen die Industrie- und Handelskammern nicht vorgehen würden.
Dabei war in der Diskussion offenbar nicht immer klar, was die nationalen Aufsichtsbehörden laut IDD leisten sollen - und wofür sie nicht zuständig sind. Legitimiert sind sie in erster Linie dafür, die Zulassung und Registrierung vorzunehmen sowie laufend nach Bedarf zu prüfen, ob die dafür notwendigen fünf Voraussetzungen gegeben sind: Zuverlässigkeit, geordnete Vermögensverhältnisse, Berufshaftpflichtversicherung, Sachkundeprüfung sowie anschließende Weiterbildung. Wer schwerwiegende oder wiederholte Verstöße gegen berufliche Pflichten begeht, setzt sich dabei dem Verdacht der Unzuverlässigkeit aus.
Dass diese Aufsicht funktioniert, und zwar sogar weitaus besser als in der gesamten Europäischen Union, dafür liefert der EIOPA-Bericht einen bemerkenswerten Beleg.
Unregelmäßigkeiten versus Verwaltungssanktionen
Zum Vergleich interessant ist, welche Zahlen die BaFin für die von ihr beaufsichtigen, mehrere hundert Versicherungsunternehmen sowie die rund 119.000 gebundenen, von Versicherern registrierten Vertreter (Stand Ende 2019) meldet. Sie veröffentlicht zwar keine Übersicht, die mit den im EIOPA-Bericht genannten Kriterien direkt vergleichbar wäre. So erfährt man zum Beispiel nicht, ob und in welchem Umfang die BaFin Verstöße gegen die Pflichten zur Überprüfung der Zuverlässigkeit, der geordneten Vermögensverhältnisse, der angemessenen Qualifikation und der laufenden Weiterbildung geahndet hat.
Allerdings berichtet sie traditionell über "Unregelmäßigkeiten". Im Jahr 2019 waren es laut der BaFin-Statistik 212 in Unregelmäßigkeiten verwickelte Personen, davon 142 gebundene Vertreter, 21 Makler, 36 Versicherungsangestellte sowie einige sonstige Vermittler. Dabei handelte es sich um Fallgruppen wie "fingierte Anträge" (31 Fälle), "Schadenmanipulation" (13 Fälle) und einer größeren Zahl sonstiger Vergehen.
Auch wenn die Zahlen nicht direkt vergleichbar sind, so spricht das Verhältnis der 212 von der BaFin gelisteten Fälle zu den 1.588 Sanktionen der Industrie- und Handelskammern auf den ersten Blick nicht gegen die Qualität der Arbeit der Industrie- und Handelskammern. Wer die Aufsichtsleistung kritisiert, wird künftig bessere Argumente und vor allem Zahlennachweise liefern müssen.
Autor(en): Matthias Beenken