Versicherer müssen künftig mit rückläufigen Prämienvolumen in der Kfz-Versicherung rechnen und daher ihre Kosten in der gesamten Wertschöpfungskette verringern. Doch der Omnikanalcharakter in der Kundenbetreuung sollte trotzdem gewährleistet werden. Dies ergab eine Analyse der Managementberatung Bain & Company.
Mit durchschnittlich jährlich rund drei Millionen verkauften Neuwagen ist der Automarkt in Deutschland in den kommenden Jahren gesättigt. In Ballungszentren ersetzen verbesserte öffentliche Nahverkehrsnetze oder neue Mobilitätsangebote wie Car-Sharing für bestimmte Mobilitätsbedürfnisse teilweise das eigene Auto. Parallel dazu führt die technologische Weiterentwicklung bei Sicherheits- und Assistenzsystemen zu einem beschleunigten Schadenrückgang. Hinzu kommt, dass der Preisdruck in einem zunehmend digitalisierten, preissensiblen und transparenten Markt anhält und das Überangebot an Versicherern seinen Teil zu einer weiter konstant hohen Wettbewerbsintensität beiträgt.
Versicherer können aus Kfz nicht aussteigen
"Die Prämienvolumina sind angesichts dieser Entwicklung mittel- und langfristig klar rückläufig", sagt Dr. Gero Matouschek, Partner und Versicherungsexperte bei Bain & Company. Doch für die meisten Versicherer sei ein Ausstieg aus der Kfz-Sparte unmöglich. Sie sind auf die bestehenden Umsatzstrukturen angewiesen und müssen diese systematisch weiterentwickeln, so Matouschek weiter. Ziel der Versicherer wird es deshalb sein, die eigene Abhängigkeit von dieser Sparte sukzessive zu reduzieren und gleichzeitig Kosten und Risiken konsequent zu verringern.
Technologische Innovationen ermöglichen kundenspezifische Risikoprofile
Innovationen in der Datensammlung und -analyse ermöglichen es Versicherern in den kommenden Jahren, die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden in puncto Ansprache oder Produktangebot besser zu verstehen. Entsprechend lassen sich gezielt Produkte für kundenspezifische Risikoprofile entwickeln. Im Kampf um den schrumpfenden Kfz-Markt werden Big-Data-Technologien auch die Risikoselektion verbessern. "Für bestimmte Kundensegmente wird dies zu attraktiven Angeboten führen", so Matouschek. Der Profitpool der Branche werde dadurch vermutlich abnehmen, glaubt er.
Die Möglichkeiten der Telematik sind bei einigen Versicherern bereits im Testlauf oder kommen demnächst auf den Markt. Grundlage ist eine vom Kunden freiwillig installierte Datenbox, die Fahrinformationen kontinuierlich aufnimmt und an den Versicherer sendet. Bei Wohlverhalten des Versicherten sind Rabattierungen von 20 bis 30 Prozent bei gleichem Fahraufkommen oder mittelfristig sogar Pay-as-you-drive-Tarife denkbar. "Telematikangebote werden dadurch in bestimmten Kundensegmenten auf reges Interesse stoßen und entsprechend genutzt werden", erklärt Dr. Klaus Stricker, bei Bain & Company Partner und Leiter der Praxisgruppe Automobilindustrie in Europa. Für die Versicherungsbranche wiederum bedeute dies insgesamt eine höhere Prozess- und Tarifkomplexität, so Stricker weiter.
Im Zuge von Kooperationen bedienen sich Automobilhersteller und Versicherer solcher Innovationen – und bedrohen damit den Profitpool in der unabhängigen Versicherungswirtschaft. Ein Beispiel ist das Joint Venture von Allianz und Volkswagen. Dessen Ziel ist es, den Herstellerkundenzugang und die Herstellerdaten für neue Kfz-Premiumangebote zu besonders fairen Preisen zu nutzen. Dabei setzt der Versicherer auf situationsspezifische Kundenangebote und baut Herstellerofferten mit ein. "Die Verknüpfung von fahrzeug- und fahrprofilbezogenen Daten schafft neue Möglichkeiten für maßgeschneiderte Angebote, die konsequent auf die Bedürfnisse bestimmter Kundensegmente ausgerichtet sind", stellt Autoexperte Stricker fest.
Integrierter Ansatz dank Omnikanalfähigkeit und modularem Produktbaukasten
Versicherer müssen künftig mit strukturell weniger Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette reagieren. Gleichzeitig aber die Omnikanalanforderungen des Kunden erfüllen. "Entscheidend ist die Entwicklung eines integrierten Produktangebots, das sowohl die Nachfrage nach den günstigsten Produkten bedient als auch verständliche, preiswerte Ausbaupakete mit Mehrwert zusammenfasst", betont Bain-Versicherungsexperte Matouschek.
Die Automatisierung von Geschäftsprozessen wird im Retail-Geschäft eine Kernanforderung sein. Bei der Weiterentwicklung der Systemlandschaft ist zudem auf Flexibilität sowie offene Kunden- und Vertriebsschnittstellen zu achten, die auch Innovationen im Smartphone- sowie Tablet-Bereich abdecken. Wie Kunden im Internet müssen Agenten und Makler sofort und vor Ort zum Abschluss kommen können – Policierung inklusive. Gerade im Kfz-Segment ist es deshalb unabdingbar, die Onlinepräsenz zusammen mit einer konsistenten Produkt- und Tarifwelt für alle Online- und Offlineangebote auszubauen. Dies führt zu modularen Policen im Baukastenprinzip: Eine Onlinebasisversicherung wird im persönlichen Vertrieb mittels hinzubuchbarer Premiummodule zum individuellen und margenstarken Premiumprodukt erweitert. Da das Basisprodukt online und offline gleich ist, kann der Kunde im Web, telefonisch oder im persönlichen Gespräch Preise vergleichen oder Optionen wählen, ohne dass es zu Friktionen oder Verwirrungen kommt.
Kunden mit Self-Service besser einbinden
Viele Versicherer positionieren sich derzeit als Servicemarke. Die Kundenbetreuung sollte daher ebenfalls Omnikanalcharakter haben und Telefon, E-Mail, Website oder das persönliche Gespräch einschließen. Auch um Kostenchancen durch Self-Service zu erzielen, sollte man eine Kundenperspektive einnehmen. Denn nur wenn es für den Kunden effektiver ist, wird er zu Self-Service greifen. "Convenience" für den Kunden ist also Voraussetzung. Serviceeinschränkungen nach dem Motto "Das geht jetzt nur noch online" lassen sich ausschließlich als günstigster Anbieter mit eng gefasster Kundenzielgruppe argumentieren und durchsetzen.
Im Oktober 2015 soll der eCall, das automatische Notrufsystem für Kraftfahrzeuge, flächendeckend eingeführt werden. Damit wird eine für Kfz-Versicherer entscheidende neue Technologie in allen Neufahrzeugen verfügbar. Die Versicherungsunternehmen dürfen sich dabei die Betreuung ihrer Kunden am wichtigsten Interaktionspunkt, der schnellen Schadenbehebung, nicht aus der Hand nehmen lassen. Sie sollten daher bereits in der kurzen Erholungsphase 2014 konsequent ihre neue Kfz-Strategie einleiten.
Quelle: Bain & Company
Bildquelle: © romelia/
Mit durchschnittlich jährlich rund drei Millionen verkauften Neuwagen ist der Automarkt in Deutschland in den kommenden Jahren gesättigt. In Ballungszentren ersetzen verbesserte öffentliche Nahverkehrsnetze oder neue Mobilitätsangebote wie Car-Sharing für bestimmte Mobilitätsbedürfnisse teilweise das eigene Auto. Parallel dazu führt die technologische Weiterentwicklung bei Sicherheits- und Assistenzsystemen zu einem beschleunigten Schadenrückgang. Hinzu kommt, dass der Preisdruck in einem zunehmend digitalisierten, preissensiblen und transparenten Markt anhält und das Überangebot an Versicherern seinen Teil zu einer weiter konstant hohen Wettbewerbsintensität beiträgt.
Versicherer können aus Kfz nicht aussteigen
"Die Prämienvolumina sind angesichts dieser Entwicklung mittel- und langfristig klar rückläufig", sagt Dr. Gero Matouschek, Partner und Versicherungsexperte bei Bain & Company. Doch für die meisten Versicherer sei ein Ausstieg aus der Kfz-Sparte unmöglich. Sie sind auf die bestehenden Umsatzstrukturen angewiesen und müssen diese systematisch weiterentwickeln, so Matouschek weiter. Ziel der Versicherer wird es deshalb sein, die eigene Abhängigkeit von dieser Sparte sukzessive zu reduzieren und gleichzeitig Kosten und Risiken konsequent zu verringern.
Technologische Innovationen ermöglichen kundenspezifische Risikoprofile
Innovationen in der Datensammlung und -analyse ermöglichen es Versicherern in den kommenden Jahren, die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden in puncto Ansprache oder Produktangebot besser zu verstehen. Entsprechend lassen sich gezielt Produkte für kundenspezifische Risikoprofile entwickeln. Im Kampf um den schrumpfenden Kfz-Markt werden Big-Data-Technologien auch die Risikoselektion verbessern. "Für bestimmte Kundensegmente wird dies zu attraktiven Angeboten führen", so Matouschek. Der Profitpool der Branche werde dadurch vermutlich abnehmen, glaubt er.
Die Möglichkeiten der Telematik sind bei einigen Versicherern bereits im Testlauf oder kommen demnächst auf den Markt. Grundlage ist eine vom Kunden freiwillig installierte Datenbox, die Fahrinformationen kontinuierlich aufnimmt und an den Versicherer sendet. Bei Wohlverhalten des Versicherten sind Rabattierungen von 20 bis 30 Prozent bei gleichem Fahraufkommen oder mittelfristig sogar Pay-as-you-drive-Tarife denkbar. "Telematikangebote werden dadurch in bestimmten Kundensegmenten auf reges Interesse stoßen und entsprechend genutzt werden", erklärt Dr. Klaus Stricker, bei Bain & Company Partner und Leiter der Praxisgruppe Automobilindustrie in Europa. Für die Versicherungsbranche wiederum bedeute dies insgesamt eine höhere Prozess- und Tarifkomplexität, so Stricker weiter.
Im Zuge von Kooperationen bedienen sich Automobilhersteller und Versicherer solcher Innovationen – und bedrohen damit den Profitpool in der unabhängigen Versicherungswirtschaft. Ein Beispiel ist das Joint Venture von Allianz und Volkswagen. Dessen Ziel ist es, den Herstellerkundenzugang und die Herstellerdaten für neue Kfz-Premiumangebote zu besonders fairen Preisen zu nutzen. Dabei setzt der Versicherer auf situationsspezifische Kundenangebote und baut Herstellerofferten mit ein. "Die Verknüpfung von fahrzeug- und fahrprofilbezogenen Daten schafft neue Möglichkeiten für maßgeschneiderte Angebote, die konsequent auf die Bedürfnisse bestimmter Kundensegmente ausgerichtet sind", stellt Autoexperte Stricker fest.
Integrierter Ansatz dank Omnikanalfähigkeit und modularem Produktbaukasten
Versicherer müssen künftig mit strukturell weniger Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette reagieren. Gleichzeitig aber die Omnikanalanforderungen des Kunden erfüllen. "Entscheidend ist die Entwicklung eines integrierten Produktangebots, das sowohl die Nachfrage nach den günstigsten Produkten bedient als auch verständliche, preiswerte Ausbaupakete mit Mehrwert zusammenfasst", betont Bain-Versicherungsexperte Matouschek.
Die Automatisierung von Geschäftsprozessen wird im Retail-Geschäft eine Kernanforderung sein. Bei der Weiterentwicklung der Systemlandschaft ist zudem auf Flexibilität sowie offene Kunden- und Vertriebsschnittstellen zu achten, die auch Innovationen im Smartphone- sowie Tablet-Bereich abdecken. Wie Kunden im Internet müssen Agenten und Makler sofort und vor Ort zum Abschluss kommen können – Policierung inklusive. Gerade im Kfz-Segment ist es deshalb unabdingbar, die Onlinepräsenz zusammen mit einer konsistenten Produkt- und Tarifwelt für alle Online- und Offlineangebote auszubauen. Dies führt zu modularen Policen im Baukastenprinzip: Eine Onlinebasisversicherung wird im persönlichen Vertrieb mittels hinzubuchbarer Premiummodule zum individuellen und margenstarken Premiumprodukt erweitert. Da das Basisprodukt online und offline gleich ist, kann der Kunde im Web, telefonisch oder im persönlichen Gespräch Preise vergleichen oder Optionen wählen, ohne dass es zu Friktionen oder Verwirrungen kommt.
Kunden mit Self-Service besser einbinden
Viele Versicherer positionieren sich derzeit als Servicemarke. Die Kundenbetreuung sollte daher ebenfalls Omnikanalcharakter haben und Telefon, E-Mail, Website oder das persönliche Gespräch einschließen. Auch um Kostenchancen durch Self-Service zu erzielen, sollte man eine Kundenperspektive einnehmen. Denn nur wenn es für den Kunden effektiver ist, wird er zu Self-Service greifen. "Convenience" für den Kunden ist also Voraussetzung. Serviceeinschränkungen nach dem Motto "Das geht jetzt nur noch online" lassen sich ausschließlich als günstigster Anbieter mit eng gefasster Kundenzielgruppe argumentieren und durchsetzen.
Im Oktober 2015 soll der eCall, das automatische Notrufsystem für Kraftfahrzeuge, flächendeckend eingeführt werden. Damit wird eine für Kfz-Versicherer entscheidende neue Technologie in allen Neufahrzeugen verfügbar. Die Versicherungsunternehmen dürfen sich dabei die Betreuung ihrer Kunden am wichtigsten Interaktionspunkt, der schnellen Schadenbehebung, nicht aus der Hand nehmen lassen. Sie sollten daher bereits in der kurzen Erholungsphase 2014 konsequent ihre neue Kfz-Strategie einleiten.
Quelle: Bain & Company
Bildquelle: © romelia/
Autor(en): versicherungsmagazin.de