Tarifliche Pflegezusatzversicherung: Mit einem Schlag Tausende Versicherte mehr

740px 535px

Im vergangenen Jahr erhielt die private Pflegezusatzversicherung einen neuen Schub: Die Tarifpartner der Chemie- und Pharmaindustrie haben bundesweit die erste arbeitgeberfinanzierte tarifliche Pflegezusatzversicherung vereinbart. Dies war für den Verband der privaten Krankenversicherer (PKV) Anlass genug, ein Online-Expertengespräch zum Thema abzuhalten.

"CareFlex Chemie" heißt das Produkt, das seit Juli den Beschäftigten in der Chemieindustrie eine zusätzliche Absicherung für den Pflegeernstfall bieten soll. Es ist Bestandteil des Tarifvertrags, den die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und der Bundesarbeitgeberverband Chemie im November 2019 abgeschlossen haben. Bis zu 580.000 Beschäftigte könnten von der Zusatzversicherung profitieren. Seit Juli 2020 gilt sie zunächst für die 440.000 tariflich Beschäftigten der Chemiebranche.

33,65 Euro monatlicher Beitrag

"Die tarifliche Pflegezusatzversicherung ist ein großer Hebel, um die Bevölkerung mit Pflegevorsorge auszustatten", erläutert Christian Jungvogel, Abteilungsleiter Tarifpolitik der IG BCE, der als Experte am Gespräch teilnahm. Er hat den Tarifvertrag mitverhandelt und zeigt sich stolz auf das Erreichte. Erste Erfahrungen mit dem Modell hat die Gewerkschaft bereits 2018 gemacht. Gemeinsam mit der Deutschen Familienversicherung (DFV) wurden per Haustarifvertrag rund 9.000 Tarif-Mitarbeiter des Chemiekonzerns Henkel in Düsseldorf automatisch versichert.

Für seine Gewerkschaft sei, um die Pflegelücke zu schließen nur ein Solidarmodell in Frage gekommen, so Jungvogel: Niemand sollte ausgeschlossen werden und alle Arbeitnehmer die gleichen Leistungen erhalten. Folglich gibt es keine Gesundheitsprüfungen, auch eine Wartezeit entfällt. Für alle Arbeitgeber, die im Flächentarifvertrag Chemie sind, ist die Pflegezusatzversicherung verpflichtend. Tarifbeschäftigte sind obligatorisch versichert. Der Beitrag pro Beschäftigten liegt bei 33,65 Euro im Monat, den die Arbeitgeber tragen. Die Versicherung leistet bei stationärer Pflege in den Pflegeraden 2 bis 5 pro Monat 1.000 Euro. Bei häuslicher Pflege sind es 300 Euro in den Pflegegraden 2 bis 4. 

Versicherung kann privat fortgeführt werden

Auch außertariflich Beschäftigte und Leitende Angestellte können zusätzlich über den Arbeitgeber ohne Gesundheitsprüfung versichert werden. Wer als Beschäftigter seine Pflegelücke noch weiter schließen will, kann privat noch aufstocken. Auch der privat bezahlte Einschluss von Ehe- oder Lebenspartner, Kindern, Eltern oder Großeltern bis 75 Jahre ist möglich.

Und was passiert, wenn Beschäftigte aus dem Unternehmen ausscheiden? Dann können sie die Versicherung privat fortführen. Eine Gesundheitsprüfung ist auch in diesem Fall nicht nötig. Dynamisiert wird die Versicherung nicht automatisch. Da sie Teil eines Tarifvertrags ist, könne sie nur durch einen neuen Tarifvertrag geändert werden, erläutert Jungvogel. Die IG BCE werde aber Veränderungen, etwa der Inflationsrate, regelmäßig beobachten.

Konsortium ist Produktgeber

Hinter dem Versicherungsangebot steht ein Anbieterkonsortium aus DFV, R+V Krankenversicherung sowie Barmenia. Diese sind Produktgeber und tragen das finanzielle Risiko. Ein Pflegekonsortium soll das Konsortium unterstützen und den Tarifparteien Kontrollrechte durch eine Sperrminorität sichern.

Kann der Tarifvertrag der IG BCE Schule machen? Jungvogel verweist auf die lange gelebte Tarifpartnerschaft in seiner Branche. So ein Modell könne man mit den Arbeitgebern nur in Kooperation und nicht konfrontativ verhandeln. Benachbarte Branchen wie Kautschuk oder Papier hätten schon großes Interesse gezeigt. Für die PKV-Unternehmen ist die betriebliche Pflegezusatzversicherung auf jeden Fall interessant. Betrug doch der Neuzuwachs an privaten Pflegezusatzversicherungen im vergangenen Jahr nicht einmal 100.000 Personen.

Autor(en): Alexa Michopoulos

Zum Themenspecial "Pflege"

 

Alle Branche News