Die Einführung einer Grundrente zum 1. Januar 2021 ist nach Einschätzung der Deutschen Rentenversicherung ein sehr „ambitionierter“ Termin. Dann sollen Rentner, die 35 Jahre eingezahlt haben und nur eine Minirente bekommen, einen Zuschuss erhalten, damit sie nicht nur auf „Grundsicherung“ angewiesen sind.
Nach unserer Erfahrung dauert der Aufbau einer vollautomatischen Prüfung in der Regel mehrere Jahre“, sagte Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) auf einer Pressetagung in Würzburg. Nicht nur für die jährlichen 1,6 Millionen neuen Rentner muss der Anspruch einer Grundrente geprüft werden, sondern auch für den gesamten Bestand von 21 Millionen Rentenempfängern. Besondere Schwierigkeiten würde die Analyse alter Versicherungskonten und Rentner aus der ehemaligen DDR mit sich bringen. Zudem wird der Familienstand der Rentner derzeit nicht erfasst. Für die vorgesehene Bedürftigkeitsprüfung, die sich am Einkommen orientiert, müssten die Ehepaare identifiziert werden.
Meldebehörden mit ins Boot holen
„Den Familienstand könnten uns beispielsweise die Meldebehörden übermitteln“, so Roßbach. Als sehr problematisch gilt die Meldung der Einkommensdaten aus den Finanzämtern. Es ist unklar, wie gut die DRV die Daten verarbeiten kann. Nicht jeder Rentner hat überhaupt eine Steuererklärung abgegeben. Außerdem müssten im Ausland lebende Rentner einer Einkommensprüfung unterzogen werden. „Gelöst werden muss zudem, dass die Finanzbehörden oft nur die Einkommen vergangener Jahre haben. „Hier könnte es bei Rentenbeginn zu einer Überschätzung des Verdienstes kommen“, warnte Roßbach. Das zuständige Bundesministerium hatte schon angekündigt, dass für den Aufbau eines automatischen Übermittlungsverfahrens mindestens zwei Jahre benötigt würden.
Notfalls „tausende“ neue Stellen bei Rentenbehörde
Wenn die digitale Kooperation mit den Finanzämtern nicht klappt, müssten bei der Rentenbehörde mehrere tausend zusätzliche Stellen geschaffen werden. Dabei soll die Grundrente nicht von Rentenbeiträgen, sondern vom Staat finanziert werden. „Auf keinen Fall darf es sein, dass die Beitragszahler mit den Kosten der Grundrente belastet werden“, warnte Annelie Buntenbach, die den deutschen Gewerkschaftsbund im Vorstand der DRV vertritt. Wenn das Verfahren zur Ermittlung der Grundrente aber weitgehend auf den Schultern der DRV abgeladen wird, müssten doch indirekt alle Beitragszahler für die Grundrente aufkommen.
Höchstzuschuss soll bei 450 Euro liegen
Ein Ermittlungsverfahren für die Berechtigung zur Grundrente kann zudem erst starten, wenn das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist. Dabei müsse der Bundesrat zustimmen, da aufgrund der Steuerdaten auch in die Finanzhoheit der Länder eingegriffen wird. Zudem sieht Roßbach einen erheblichen Beratungsbedarf auf die DRV zukommen. Schätzungen, wieviel Rentner einen Anspruch auf die neue Grundrente haben, kann die DRV derzeit nicht leisten. Das zuständige Ministerium hatte 1,5 Millionen Betroffene ermittelt. Der Höchstzuschuss soll derzeit 450 Euro monatlich betragen. Anspruch haben Arbeitnehmer, die 35 Jahre in die Rente eingezahlt haben und nur ein geringes Einkommen von 30 bis 80 Prozent des Durchschnitts erzielt haben.
Bei der Einkommensprüfung gibt es einen Freibetrag von 1250 Euro für Alleinstehende und 1950 Euro für Paare. Grundrentenbezieher müssen ihr Einkommen jährlich überprüfen lassen. Laut Roßbach müssten die Reaktionen der Verwaltung – also der deutschen Rentenversicherung und der Finanzbehörden - „nun politisch“ bewertet werden. Im Klartext heißt das wohl: Wenn nicht schnell ein automatisches Verfahren entwickelt wird, rückt die Grundrente in weite Ferne.
Besonders viele Rentner, aber immer weniger Beitragszahler
Spätestens Anfang des Jahres rechnet die DRV damit, dass es für die obligatorische Alterssicherung von Selbstständigen und die säulenübergreifende Renteninformation Referentenentwürfe gibt. Im März 2020 stellt zudem die Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“, ihre Vorschläge vor, wie es mit der Alterssicherung ab dem Jahre 2025 in Deutschland weitergeht. Die gesetzliche Rentenversicherung gerät ab diesem Zeitpunkt unter erheblichen demografischen Druck: Es gibt dann besonders viele Rentner, aber immer weniger Beitragszahler. „Wir werden den Termin zu Veröffentlichung des Berichts einhalten“, sagte Buntenbach, die Mitglied der Rentenkommission ist. Es gebe schon Konsens, aber nicht in allen Punkten. Über die Inhalte sei Stillschweigen vereinbart worden. „Bisher haben sich überraschender Weise alle daran gehalten“, so Buntenbach.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek