Zusammen mit der Konsultation eines neuen Merkblatts hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am Montag auch eine Reihe statistischer Daten zu den Kosten des Vertriebs von kapitalbildenden Verträgen vorgelegt.
Die BaFin möchte Versicherern wichtige Hinweise zum Wohlverhalten bei der Produktentwicklung und dem Vertrieb von kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen geben. Dazu stellte sie einen Entwurf eines Merkblatts zur Diskussion und lieferte gleichzeitig wichtige statistische Daten mit.
Besser nicht über dem 75%-Quantil
Wenig überraschend, will die BaFin sich besonders diejenigen Lebensversicherer (LVU) mit hohen Kosten näher ansehen. „Im Rahmen ihres risikoorientierten Aufsichtsansatzes wird die BaFin bis auf Weiteres schwerpunktmäßig solche LVU näher prüfen, deren Hauptverkaufsprodukte Effektivkosten oberhalb des 75%-Quantils aufweisen“. Sie betrachte Aufwendungen dann als hoch, „wenn sie im oberen Viertel (oberhalb des 75%-Quantil) der Branchenwerte liegen“.
Diese Grenze ist allerdings eine dynamische – senken die teuersten Versicherer ihre Kosten signifikant, wird sich einfach eine neue 75%-Quantil-Grenze und eine entsprechend darüberstehende Gruppe an Versicherern bilden. Andererseits vermeidet dieses Vorgehen, dass die BaFin absolute Grenzwerte definieren müsste, für die weder die Europäische Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD noch die deutsche Gesetzgebung derzeit eine unstrittige Vorgabe machen. Aus diesem Grund scheiterten wohl auch Versuche, entweder einen Provisionsdeckel oder wenigstens einen Provisionsrichtwert durch die Aufsicht zu definieren.
Verschiedene Bezugsgrößen
In den Übersichten der BaFin werden die Kosten nach zwei verschiedenen Bezugsgrößen ausgewiesen. Eine gängige setzt die Abschluss- und daneben auch die Verwaltungsaufwendungen eines Berichtsjahres zu den Beitragseinnahmen desselben Jahres in Beziehung. Diese Werte sind naturgemäß höher als diejenigen nach einer anderen gängigen Methode, bei der die Abschlussaufwendungen ins Verhältnis zur Beitragssumme des Neugeschäfts gesetzt werden. Das ist auch die übliche Grundlage für Vergütungen.
Die Differenz resultiert sowohl aus dem Neugeschäftswachstum, das sofort Abschlussaufwendungen, aber erst im Zeitablauf Beitragseinnahmen einbringt, als auch aus vorzeitigen Stornierungen. Die bei Abschluss vereinbarten Beitragssummen des Neugeschäfts werden oft nicht vollständig realisiert.
Erhebliche Spannbreiten zwischen teuren und günstigen Versicherern
Die Abschlussaufwendungen auf Kalenderjahresbasis betrugen beispielsweise 2021 für fondsgebundene Sparprodukte im Mittel 11,8 Prozent, bei klassischen 5,7 Prozent. Darin bildet sich allein schon einmal die weit auseinanderfallende Bedeutung der beiden Produktkategorien im Neugeschäft ab.
Die Spannbreite zwischen dem 25%-Quantil, also der Grenze für kostengünstige Versicherer, und umgekehrt dem 75%-Quantil, ist enorm. Sie liegt bei den Fondspolicen bei 11,3 Prozent – zwischen 3,2 Prozent im unteren und 14,5 Prozent im oberen der beiden Quantile.
Dieselbe Spannbreite ist bei klassischen Lebensversicherungen weniger ausgeprägt. Hier liegen 4,2 Prozentpunkte zwischen den beiden Quantilsgrenzen von 3,0 Prozent und 7,2 Prozent.
Klassik kosteneffizienter als Fonds-Bindung
Weiter werden die Effektivkosten aufgeschlüsselt, die Versicherer in den Produktinformationsblättern ausweisen müssen. Die Exceltabelle zeigt sie für die jeweils meist verkauften Tarife in den Bereichen fondsgebundene sowie klassische Lebensversicherung. Hier zeigt sich einmal mehr, dass klassische Lebensversicherungen signifikant kostengünstiger sind als fondsgebundene. Zudem sinken die Effektivkosten naturgemäß mit der Länge der Aufschubzeit, es werden Beispiele zwischen zwölf und 40 Jahren angeführt. Zum Vergleich werden auch die Effektivkosten von Einmalbeitragsversicherungen gezeigt.
Im arithmetischen Mittel sinken die Effektivkosten bei aufgeschobenen Fondspolicen von 2,72 (zwölf Jahre Aufschubzeit) auf 1,69 Prozent (40 Jahre), bei Klassik-Verträgen von 1,91 auf 1,02 Prozent. Auch hier ist die Spannbreite zwischen kostengünstigen und kostenintensiven Verträgen beachtlich. Beispielsweise liegt die untere Quantilsgrenze bei 40 Jahren Aufschubzeit der meistverkauften Fondspolicen bei 1,13 Prozent, die obere bei 2,21 Prozent. Die Spannbreite bei klassischen Produkten fällt deutlich geringer aus und liegt zwischen 0,83 und 1,22 Prozent.
Vertriebswege könnten besser definiert werden
Aufschlussreich ist die Analyse der Vermittlungskosten nach Art der Kosten und nach Vertriebsweg. Bei den Vertriebswegen unterscheidet die BaFin Ausschließlichkeit (53 Prozent Marktanteil am Neugeschäft 2021), Mehrfachvermittler (14 Prozent), Makler (25 Prozent) und Angestellter Außendienst (8 Prozent).
Schade ist, dass nicht die von der Europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA bevorzugte Gliederung der Vertriebswege verwendet wird. Sie unterscheidet Ausschließlichkeitsvertreter, Mehrfachgeneralagenten/Assekuradeure, Makler, Bancassurance, Direktgeschäft und Vergleichsportale. Beispielsweise zeigen Analysen von Bilanzkennzahlen, dass der Bankvertrieb überproportionale Kosten verursacht (https://www.versicherungsmagazin.de/rubriken/branche/welche-vertriebswege-die-kosten-treiben-3061318.html). In der BaFin-Statistik kann sich der Bankvertrieb sowohl in der Ausschließlichkeit als auch bei Mehrfachvermittlern „verstecken“.
Nettotarifgeschäft beachten
Schwierig ist die Kosteninterpretation zudem beim Vertriebsweg Makler. Die untere Quantilsgrenze ist mit 2,9 Prozent Abschlusskostenquote bei Versicherungsanlageprodukten zwar niedriger als beispielsweise in der Ausschließlichkeit mit 3,3 Prozent. Allerdings finden sich im Maklergeschäft auch Anbieter von Nettotarifen, bei denen die Vermittlungskosten als Honorar oder als Kostenausgleich in einen separaten Vertrag mit dem Kunden ausgelagert werden.
Besonders günstig ist der Vertriebsweg Angestellter Außendienst. Das gilt sowohl für Versicherungsanlageprodukte als auch klassische kapitalbildende Versicherungen. Hier liegen die niedrigsten Quantilsgrenzen und die niedrigsten Mediane (Wert, bei dem gleich viele Angaben über wie unter diesem Wert liegen) vor. Besonders hoch liegen die Werte dagegen bei den Mehrfachvermittlern. In dieser Gruppe könnten sich sowohl größere Banken und Sparkassen als auch Struktur- und Finanzvertriebe befinden.
Abschlussprovisionen dominieren
In allen Vertriebswegen dominiert bei der Art der Vermittlervergütungen die Abschlussprovision oder Abschlusscourtage. Im Median macht sie rund 80 Prozent der Gesamt-Abschlussaufwendungen bei fondsgebundenen beziehungsweise 77 Prozent bei klassischen Produkten aus.
Dabei unterteilt die BaFin die Abschlussvergütung nach der sofort fälligen Einmalvergütung und einer – mit drei Prozent diskontierten – laufenden Abschlussvergütung. Deutlich erkennen kann man, dass die laufende oder aufgeschobene Abschlussvergütung bei den teuren Versicherern verbreitet, bei den günstigen hingegen selten ist. Offensichtlich wirken die Versicherer somit Fehlanreizen und Stornorisiken entgegen, die aus vergleichsweise hohen Abschlussvergütungen resultieren, wenn diese auch noch einmalig vorab bezahlt werden.
Die ebenfalls diskontierten Bestandsprovisionen und -courtagen erreichen im Median einen Anteil von rund zehn Prozent bei fondsgebundenen wie bei klassischen Produkten. Weitere rund acht beziehungsweise 13 Prozent Anteil machen die Kosten der Vertriebsunterstützungsmaßnahmen aus, worunter beispielsweise die Zurverfügungstellung von Informationstechnik, Werbematerial oder auch personelle und organisatorische Unterstützung der Vermittler zu verstehen ist. Nach Vertriebswegen unterschieden fallen solche Kosten am ehesten in der Ausschließlichkeit an. Aber selbst bei ihr ist das Gewicht nicht so hoch, wie es immer wieder einmal von Lobbyverbänden der freien Vermittler behauptet wird, die darin eine Benachteiligung der Makler und gleichzeitig ein Argument für höhere Courtagen erkennen wollen.
Rund zwei Prozent der Gesamtvergütung im Median wird schließlich durch Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vermittler ausgemacht. Betroffen sind naturgemäß die fondsgebundenen Versicherungen und dort in erster Linie der Vertriebsweg Mehrfachvermittler sowie in geringerem Ausmaß die Ausschließlichkeit.
Autor(en): Matthias Beenken