Rundum-Kunden zur Gewohnheit machen

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Versicherungsvermittlern bläst schon seit geraumer Zeit der Wind ins Gesicht. Regulierungen, Corona-Pandemie, Digitalisierung, Nachwuchsmangel und verändertes Kundenverhalten zwingen sie, ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen. Wie sich Vertriebler in diesen unruhigen Zeiten aufstellen können, um gelassen in die Zukunft zu blicken, verrät Steffen Ritter vom Institut Ritter aus Sangerhausen.

Herr Ritter, viele Firmen sind zu klein oder ineffektiv, wie Studien für den selbstständigen Versicherungsvertrieb zeigen. Wie können Sie helfen?
Steffen Ritter:
Für kleine Vermittler, die im Moment zu wenig Umsatz haben, arbeiten wir sehr stark an der Strategie, sprich an der Erarbeitung des jeweiligen Zielgruppenfocus. Wir wollen die Bekanntheit im eigenen Zielmarkt erhöhen. Das gilt auch für Jungmakler. Sie müssen eine wirklich spannende Nachfrage der eigenen Leistung generieren. Bei etablierten Vermittlern ist oft die Problematik zu finden, dass gerade aufgrund des Wachstums interne Abläufe und Prioritäten durcheinandergekommen sind. Zudem fehlt den Unternehmen oft der interne Fahrplan zum nächsten Entwicklungsschritt. Hier verschlanken wir die Abläufe und verdeutlichen die Kernprozesse in der Verwaltung sowie im Vertrieb und automatisieren sie dann.

Sollten kleine Maklervertriebe öfter miteinander kooperieren?
Ritter:
Eine Kooperation ist durchaus sinnvoll, etwa als Bürogemeinschaft, bei der später Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für beide Berufsträger tätig werden können. Viel seltener gehen die Makler schon eine gemeinsame Rechtsform als GbR oder GmbH ein. Sehr hilfreich ist der Erfahrungsaustausch in der Kooperation. Jungen Versicherungsmaklern empfehle ich eine Teilnahme am Jungmakler Award, wo Gleichgesinnte mit ähnlichen Fragen unterwegs sind und vom Ritter Institut und mir als Coach gratis begleitet werden

Wie können Versicherungsmakler ihren Bestand systematisch auf ein höheres Cross-Selling-Potenzial aktivieren?
Ritter: Das Cross-Selling-Potenzial wird gehoben, wenn der Vermittler sich den Rund-um-Kunden zur Gewohnheit macht. Einvertragskunden sollten bei jeder Gelegenheit mitgeteilt werden, dass es eigentlich üblich ist, sie komplett zu begleiten, um wirklich professionell beraten zu können. Gleichzeitig sollte man alle Segmente präsentieren, die man anbietet. Entscheidend ist, dass man das in die ganz normale Kommunikation integriert. Das Gleiche kann man auch damit erreichen, dass man Komplettkunden- und Exklusivpakete anbietet und den Unterschied bei der Beratung deutlich macht und das vielleicht sogar visualisiert. Damit haben viele Vermittler gute Erfahrungen gemacht.

Corona hat digitale Defizite gnadenlos aufgedeckt. Wie können Makler sich auf den Stand der Technik bringen?
Ritter:
Bei digitalen Defiziten gibt es über Pools die Möglichkeit, durch die Zusammenarbeit von kleineren Programmen zu profitieren. Das ist vor allem in der Anfangsphase wichtig. Größere Makler neigen dazu eigene Lösungen zu entwickeln. 

Welche digitalen Basics brauche ich als Versicherungsmakler?
Ritter:
Der Markt ist sehr heterogen. Reine Online-Makler brauchen eine ganz andere Ausstattung, als Makler, die nur manchmal online unterwegs sind. Über die Homepage sollte man sich nicht nur als Betrieb präsentieren, sondern sie nutzen, um die eigene Zielgruppe anzusprechen. Die Homepage muss einen Köder enthalten, der so spannend, attraktiv und interessant ist, dass die Kunden dafür ihre Mailadresse hergeben oder sich anders melden. Wer keinen Köder auf der Homepage hat, ist in der heutigen Zeit noch nicht angekommen. Vergleichsrechner sind umstritten. Viele Versicherungsmakler wollen schon beim Erstkontakt den Kunden am Telefon haben.

Wie steigt man auf neue Technik, auch auf ein neues Verwaltungsprogramm, möglichst effizient um?
Ritter:
Der Umstieg auf ein neues Verwaltungsprogramm oder generell auf neue Technik ist ein Veränderungsprozess. Dafür empfehle ich, dass sich der Vermittler klarmacht, welchen Bedarf an Technik er hat, was ein neues Verwaltungsprogramm überhaupt beinhalten soll. Die Kernfrage lautet: Welche Aspekte meines Handels will ich, weil modern und schlank, durch die Technik abdecken? Erst dann kann ich ein Programm suchen, das genau zu meinem Bedarf passt. Zudem muss ich mein Team von der Notwendigkeit des Umstiegs überzeugen. In der Regel ist es sinnvoll, sich hier externe Unterstützung zu besorgen. Denn letztlich geht es hier darum Gewohnheiten komplett neu zu entwickeln. Und das geht nur dann, wenn man dranbleibt. Möglich ist daher auch, die Entwicklung durch einen eigenen Systembeauftragter flankieren zu lassen.

Die Weiterbildungsinitiative „Gut beraten“ strebt mit 30 Stunden eine Verdopplung der Pflichtweiterbildung an. Wie organisiert der Makler Weiterbildung so, dass etwas hängenbleibt?
Ritter:
Das Organisieren der Weiterbildung ist sehr stark von der strategischen Ausrichtung des Maklers abhängig. Ich würde sehr empfehlen nicht nur darauf abzustellen, ob das jeweilige Training IDD-Punkte bekommt. Damit ich bei der Weiterbildung nicht an meiner Firma vorbeisegele, brauche ich ein wirkliches unternehmerisches Bewusstsein. 

Ausstieg aus der Vermittleragentur in Richtung Makler, wie kann das sicher gelingen?
Ritter:
Wir begleiten weder den Ausstieg aus der Agentur in Richtung Makler, noch umgekehrt. Denn wir sind der festen Überzeugung, dass sowohl der Vertriebsweg der Versicherungsagenturen als auch der Vertriebsweg Makler die Möglichkeit bieten, hochprofessionell eine Unternehmung in der Versicherungsvermittlung über Jahre und sogar über Generationen zu führen. Wir halten uns da völlig raus. Und zwar als Wertschätzung gegenüber allen Selbstständigen, die es in dem einen oder dem anderen Vertriebsweg geschafft haben, über die Jahre hinweg ein profitables ertragreiches und serviceorientiertes Unternehmen aufzubauen.

Stichwort Nachwuchsprobleme: Wie mache ich den Vermittlervertrieb attraktiv für neue Mitarbeiter?
Ritter: Hier müssen die Vermittler auf den Kanälen unterwegs sein, die neue und gerade junge Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nutzen. Bei der Ansprache ist es wichtig, dass ich mich ein Stück frei mache vom reinen fachlichen Denken als Versicherungsvermittler. Wichtig ist hier, die Abwechslung im Beruf und die Teamfreude darzustellen. Diese Attraktivität hat viel mit Klima, Kultur und Wohlfühlen zu tun. Natürlich gibt es messbare Größen, wie ein ansprechendes Gehalt und lukrative Nebenleistungen.

Kann ich eine besondere Frauenförderung einrichten?
Ritter: Im Hinblick auf die Frauenförderung sind Vermittlervertriebe nicht anders unterwegs als andere Branchen. Besonderheiten sehe ich nicht. Arbeitszeitmodelle sollten eine Familienplanung und eine Auszeit ermöglichen. Vertriebe, die die Zielgruppe Frauen haben, könnten einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Das Thema „Frauen beraten Frauen“ ist in der Branche noch unterbelichtet. Andere Branchen, wie Unternehmensberatungen sind da schon aktiver unterwegs.

Wie mache ich den Vertrieb für Nachhaltigkeit fit? Wie kann das Außenwirkung entfalten?
Ritter: Ich kann nach außen nachhaltig auftreten. Etwa mit dem Fahrrad zum Kunden fahren oder mit dem E-Auto. Der übermotorisierte Firmenwagen ist out. Zudem können natürlich nachhaltige Versicherungslösungen vermittelt werden.

Wie hoch sind die Kosten, für eine Beratung aus Ihrem Haus?
Ritter: Es gibt bei uns zwei Varianten. Wer sich von uns als Vermittler oder Makler im Betrieb einzeln über zwei volle Tage beraten lassen möchte, zahlt in der Regel rund 6.000 Euro. Neben der Vorortberatung gibt es eine nachfolgende coachende Begleitung. Wollen sich Vermittler über ein ganzes Jahr zu verschiedenen Themen begleiten lassen, zahlen sie rund 1.360 Euro brutto. Themen sind beispielsweise die Weiterentwicklung der professionellen Telefonie, die systematische Entwicklung der Vertriebsarbeit oder aber auch die Automatisierung der inneren Abläufe der Verwaltung. Preiswerter ist die Jahresbegleitung, weil mehrere Vermittlerbetriebe teilnehmen. Und das ist durchaus vorteilhaft, denn es gibt einen Erfahrungsaustausch, den bisher alle Teilnehmer sehr geschätzt haben.

Das Gespräch führte Uwe Schmidt-Kasparek, freier Journalist in Düsseldorf.

In der November-Ausgabe von Versicherungsmagazin stellen wir Ihnen viele Beispiele vor, die zeigen, dass auch in stürmischen Zeiten, erfolgreiche Vertriebsarbeit möglich ist.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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