Das Deutsche Institut für Service-Qualität (DISQ) hat im Auftrag von N-TV zum wiederholten Mal die Beratungsqualität von Versicherern getestet. Welche Aussagekraft die Ergebnisse haben.
Angesichts der anhaltenden Kritik am Versicherungsvertrieb und den regulatorischen Bemühungen, die Qualität der Beratung zu erhöhen und Interessenkonflikte durch Provisionssteuerung der Versicherer zu reduzieren, ist es wichtig, sich mit dem Phänomen Beratungsqualität näher auseinanderzusetzen. Bei Dienstleistungen ist Beratungsqualität weitaus komplexer zu definieren als bei Produkten.
Individuelle Leistung, Erwartungen und Erfahrungen
Grund dafür ist die hohe Individualität, die eine für den Kunden erbrachte Dienstleistung notwendigerweise aufweist. Auch sind die Erwartungen der Kunden höchst unterschiedlich. Und die wiederum werden stark durch bisherige Erfahrungen, aber auch durch Medienberichte, Verbraucherschutzaussagen und Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld beeinflusst. Die eine „absolute“ Qualität gibt es deshalb gar nicht.
Einen wertvollen Maßstab für die Beratungsqualität liefert allerdings der Gesetzgeber. Insbesondere mit der anlassbezogenen Befragungs-, Beratungs-, Begründungs- und Dokumentationspflicht nach § 61 VVG (§ 6 VVG für Versicherungsangestellte) kann gemessen werden, ob der Vermittler grundlegende Fragen geklärt und seine Beratung an den beim Kunden erfragten Wünschen und dessen objektiv erkennbaren Bedarf ausgerichtet hat. Hinzu kommt die Einhaltung der Beratungsgrundlage (§ 60 VVG), die vor allem an Makler hohe Ansprüche bei der Marktauswahl stellt, aber auch von Vertretern eine verständliche Aufklärung über deren begrenzte Marktauswahl verlangt.
Kein Augenkontakt = Geringe Beratungsqualität?
Marktforschungsinstitute vertreten oft noch andere Perspektiven auf die Beratungsqualität, wie das Beispiel der Analyse von DISQ/N-TV () zeigt. Hier spielt vor allem die Kundenwahrnehmung eine entscheidende Rolle. Verkürzt gesagt erzeugt ein sympathischer, eloquenter und dem Kunden zugewandt agierender Vermittler eine hohe Beratungsqualität. Wer dagegen vereinbarte Termine nicht pünktlich einhält, im Gespräch keinen Augenkontakt hält und weitere Merkmale fehlender Kundenzugewandtheit aufweist, liefert eine geringe Beratungsqualität.
Im Vordergrund der Analyse: Das Kundenerleben
Im Messmodell von DISQ/N-TV fließen „weiche“ Faktoren wie die Qualität des Umfelds mit zehn Prozent, der Aktivitätsgrad mit ebenfalls zehn Prozent und die Kommunikationsqualität mit 25 Prozent ein, zusammen also 45 Prozent. Auch in den verbleibenden 25 Prozent für die Bedarfsanalyse sowie 30 Prozent für den Kompetenzgrad sind solche Faktoren enthalten. Beispiel Kompetenzgrad: Allein zwölf Prozentpunkte werden den Merkmalen Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Motivation des
Beraters und Beratungserlebnis beigemessen - von der sehr persönlichen Beurteilung der Kunden abhängigen Aspekte.
Damit wird deutlich, dass diese Bewertung in erster Linie die Servicequalität und das Kundenerleben in den Vordergrund stellt. Das ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt des Gesamtkonstrukts Beratungsqualität.
Wo die größten Schwächen der Versicherer liegen
Eine sehr wichtige Größe ist die Bedarfsanalyse, die beim Modell von DISQ mit einem Viertel einfließt. Sie entscheidet darüber, ob der Vermittler den Bedarf des Kunden zutreffend erkennt und angemessen in Produktangebote und deren Gestaltung wie unter anderem Versicherungssummenwahl und Empfehlung von Ein- und Ausschlüssen umsetzt. Hier zeigen die getesteten Versicherer die größten Schwächen, wie auch DISQ in seiner Studie hervorhebt. Auf Basis dieses Kriteriums allein hätte keiner der getesteten Versicherer nach der von DISQ gewählten Bewertung die Note „sehr gut“ erhalten – immerhin vier der 15 untersuchten Versicherer haben diese Note aber über alle Kriterien hinweg erzielt.
Die Bewertungen basieren auf verdeckten Testkäufen. Insgesamt wurden 150 Testberatungen durchgeführt, zehn pro Versicherer.
90 Testszenarien
Dazu kamen jeweils sechs unterschiedliche Fallgestaltungen, was die Kundenprofile und die nachgefragten Versicherungen angeht. So wurden beispielsweise in fünf Fällen kaufmännische Angestellte und in einem eine selbstständig beschäftigte Person, in keinem Fall Angestellte anderer Berufe oder Beamte simuliert. Auch so ergeben sich schon 15 Versicherer mal sechs Fallgestaltungen gleich 90 verschiedene Testszenarien. Die statistische Fehlerwahrscheinlichkeit dabei ist überaus groß.
Modell entwickeln und sich diesem auch stellen
Der Ansatz ist deshalb keineswegs falsch oder ungeeignet, aber die gewählte Methode führt rasch an Grenzen. Wichtig ist jedoch, dass es verschiedene Modelle für Beratungsqualität gibt, die in der Summe zu durchaus konsistenten Ergebnissen führen. Das gilt beispielsweise für die Bedarfsanalyse, die in verschiedenen Untersuchungen sowohl von Marktforschungsinstituten als auch von Verbraucherschutzinstitutionen immer wieder als verbesserungswürdig erkannt worden ist.
Sinnvoll wäre es, wenn die Versicherungsbranche den Mut aufbringen würde, ein problemgerechtes Modell der Beratungsqualität festzulegen und sich diesem Messinstrument auch zu stellen.
Bildquelle: © Bosch
Angesichts der anhaltenden Kritik am Versicherungsvertrieb und den regulatorischen Bemühungen, die Qualität der Beratung zu erhöhen und Interessenkonflikte durch Provisionssteuerung der Versicherer zu reduzieren, ist es wichtig, sich mit dem Phänomen Beratungsqualität näher auseinanderzusetzen. Bei Dienstleistungen ist Beratungsqualität weitaus komplexer zu definieren als bei Produkten.
Individuelle Leistung, Erwartungen und Erfahrungen
Grund dafür ist die hohe Individualität, die eine für den Kunden erbrachte Dienstleistung notwendigerweise aufweist. Auch sind die Erwartungen der Kunden höchst unterschiedlich. Und die wiederum werden stark durch bisherige Erfahrungen, aber auch durch Medienberichte, Verbraucherschutzaussagen und Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld beeinflusst. Die eine „absolute“ Qualität gibt es deshalb gar nicht.
Einen wertvollen Maßstab für die Beratungsqualität liefert allerdings der Gesetzgeber. Insbesondere mit der anlassbezogenen Befragungs-, Beratungs-, Begründungs- und Dokumentationspflicht nach § 61 VVG (§ 6 VVG für Versicherungsangestellte) kann gemessen werden, ob der Vermittler grundlegende Fragen geklärt und seine Beratung an den beim Kunden erfragten Wünschen und dessen objektiv erkennbaren Bedarf ausgerichtet hat. Hinzu kommt die Einhaltung der Beratungsgrundlage (§ 60 VVG), die vor allem an Makler hohe Ansprüche bei der Marktauswahl stellt, aber auch von Vertretern eine verständliche Aufklärung über deren begrenzte Marktauswahl verlangt.
Kein Augenkontakt = Geringe Beratungsqualität?
Marktforschungsinstitute vertreten oft noch andere Perspektiven auf die Beratungsqualität, wie das Beispiel der Analyse von DISQ/N-TV () zeigt. Hier spielt vor allem die Kundenwahrnehmung eine entscheidende Rolle. Verkürzt gesagt erzeugt ein sympathischer, eloquenter und dem Kunden zugewandt agierender Vermittler eine hohe Beratungsqualität. Wer dagegen vereinbarte Termine nicht pünktlich einhält, im Gespräch keinen Augenkontakt hält und weitere Merkmale fehlender Kundenzugewandtheit aufweist, liefert eine geringe Beratungsqualität.
Im Vordergrund der Analyse: Das Kundenerleben
Im Messmodell von DISQ/N-TV fließen „weiche“ Faktoren wie die Qualität des Umfelds mit zehn Prozent, der Aktivitätsgrad mit ebenfalls zehn Prozent und die Kommunikationsqualität mit 25 Prozent ein, zusammen also 45 Prozent. Auch in den verbleibenden 25 Prozent für die Bedarfsanalyse sowie 30 Prozent für den Kompetenzgrad sind solche Faktoren enthalten. Beispiel Kompetenzgrad: Allein zwölf Prozentpunkte werden den Merkmalen Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Motivation des
Beraters und Beratungserlebnis beigemessen - von der sehr persönlichen Beurteilung der Kunden abhängigen Aspekte.
Damit wird deutlich, dass diese Bewertung in erster Linie die Servicequalität und das Kundenerleben in den Vordergrund stellt. Das ist ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt des Gesamtkonstrukts Beratungsqualität.
Wo die größten Schwächen der Versicherer liegen
Eine sehr wichtige Größe ist die Bedarfsanalyse, die beim Modell von DISQ mit einem Viertel einfließt. Sie entscheidet darüber, ob der Vermittler den Bedarf des Kunden zutreffend erkennt und angemessen in Produktangebote und deren Gestaltung wie unter anderem Versicherungssummenwahl und Empfehlung von Ein- und Ausschlüssen umsetzt. Hier zeigen die getesteten Versicherer die größten Schwächen, wie auch DISQ in seiner Studie hervorhebt. Auf Basis dieses Kriteriums allein hätte keiner der getesteten Versicherer nach der von DISQ gewählten Bewertung die Note „sehr gut“ erhalten – immerhin vier der 15 untersuchten Versicherer haben diese Note aber über alle Kriterien hinweg erzielt.
Die Bewertungen basieren auf verdeckten Testkäufen. Insgesamt wurden 150 Testberatungen durchgeführt, zehn pro Versicherer.
90 Testszenarien
Dazu kamen jeweils sechs unterschiedliche Fallgestaltungen, was die Kundenprofile und die nachgefragten Versicherungen angeht. So wurden beispielsweise in fünf Fällen kaufmännische Angestellte und in einem eine selbstständig beschäftigte Person, in keinem Fall Angestellte anderer Berufe oder Beamte simuliert. Auch so ergeben sich schon 15 Versicherer mal sechs Fallgestaltungen gleich 90 verschiedene Testszenarien. Die statistische Fehlerwahrscheinlichkeit dabei ist überaus groß.
Modell entwickeln und sich diesem auch stellen
Der Ansatz ist deshalb keineswegs falsch oder ungeeignet, aber die gewählte Methode führt rasch an Grenzen. Wichtig ist jedoch, dass es verschiedene Modelle für Beratungsqualität gibt, die in der Summe zu durchaus konsistenten Ergebnissen führen. Das gilt beispielsweise für die Bedarfsanalyse, die in verschiedenen Untersuchungen sowohl von Marktforschungsinstituten als auch von Verbraucherschutzinstitutionen immer wieder als verbesserungswürdig erkannt worden ist.
Sinnvoll wäre es, wenn die Versicherungsbranche den Mut aufbringen würde, ein problemgerechtes Modell der Beratungsqualität festzulegen und sich diesem Messinstrument auch zu stellen.
Bildquelle: © Bosch
Autor(en): Matthias Beenken