Die Pläne der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), einen Provisionsrichtwert in der Lebensversicherung zu implementieren, sorgen für heftige Kritik bei Vermittlerverbänden. Ein Provisionsdeckel per Rundschreiben steht rechtlich auf tönernen Füßen, meint Bernhard Rudolf.
„Wir streben einen Provisionsrichtwert an.“ Dieser Satz von BaFin-Chef Frank Grund brachten Vermittlerverbände auf die Palme. Denn bedeutet „Richtwert“ die Einführung eines Quasi-Provisionsdeckels? Die Aufseher kündigen in ihrem aktuellen Jahresbericht an, im zweiten Halbjahr 2022 ein Rundschreiben mit „Aufsichtsstandards“ zu veröffentlichen, um eine „angemessene Vertriebsvergütung bei Lebensversicherungsunternehmen“ etablieren zu wollen. Diese sollen die Lebensversicherer an die in der EU-Vertriebsrichtlinie IDD festgeschriebenen Vorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten erinnern, wie sie durch zu hohe Provisionen entstehen könnten.
Überschreitet die BaFin ihre Kompetenzen?
Die Rede ist von klarer Kompetenzüberschreitung der BaFin, schimpft Martin Klein, Vorstand beim Vermittlerverband Votum. Nur weil man dem Kind mit dem Begriff Richtwert einen neuen Namen gibt, bedeute dies nicht, dass sich die Zuständigkeiten änderten. Derartige regulative Markteingriffe benötigten in jedem Fall eine konkrete gesetzliche Grundlage und könnten nicht allein der Willkür der Aufsichtsbehörde überlassen werden. So hätten die Provisionsgrenzen in der privaten Krankenversicherung mit § 50 VAG eine eindeutige gesetzliche Grundlage. Auch der Verband AfW ist alles andere als begeistert. Dass die BaFin als eine Art Ersatzgesetzgeber fungiere, sei „eine verfassungsrechtlich äußerst bedenkliche Grenzüberschreitung“, erklärt Sprecher Norman Wirth.
Nur überhöhte Vergütungen betroffen
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) ist zwar ob des BaFin-Vorstoßes erstaunt, allerdings nicht wirklich betroffen. Generelle Eingriffe in das Vergütungssystem der Vermittler widersprächen aber grundsätzlich der marktwirtschaftlichen Ordnung und seien deshalb unangebracht. BVK-Chef Michael H. Heinz geht davon aus, dass diese aufsichtsrechtlichen Maßnahmen für die Vermittlerbranche weniger einschneidend sein werden als ein gesetzlich vorgeschriebener Provisionsdeckel. Hier wolle die BaFin nur diejenigen maßregeln, die überhöhte Vergütungsstrukturen haben. „Unsere Mitglieder werden als ehrbare Versicherungskaufleute davon nicht betroffen sein“, so Heinz.
Renditen bei Fondspolicen erfreulich
Die Diskussion um überhöhte Provisionen in der Lebensversicherung ist wahrlich nicht neu. BaFin und die europäische Aufsicht Eiopa stören sich vor allem an den angeblich hohen Kosten bei Fondspolicen. Die Vermittlerverbände beteuern dagegen, dass es keine Marktverwerfungen gebe, die einen derartigen Eingriff in die Provisionslandschaft notwendig machen. Votum verweist darauf, dass laut Studien der Eiopa die Renditen von fondsgebundenen Lebensversicherungen in den zurückliegenden fünf Jahren durchaus erfreulich waren. Die geringfügig höhere Nettokostenquote von Fondspolicen führten nicht zu geringeren Renditen, so dass auch insoweit eine Schieflage im Markt nicht zu beobachten sei. Aus Daten zu den Effektivkosten der Lebensversicherer könne keinesfalls automatisch auf problematische Provisionshöhen geschlossen werden.
Abstimmung mit den Füßen
Tatsache ist, dass das provisionsbasierte Vertriebsmodell derzeit in den meisten europäischen Märkten dominiert, wie auch die Eiopa konstatiert. Und das nicht ohne Grund! Schon heute können Verbraucher entscheiden, ob sie Honorarberatung in Anspruch nehmen wollen. Die Abstimmung mit den Füßen geht aber nicht in diese Richtung. Schließlich haben die Erfahrungen aus Großbritannien gezeigt, dass bei einem Provisionsverbot beziehungsweise bei einer strikten Deckelung weite Teile der Bevölkerung von der Beratung zu Altersvorsorgeprodukten ausgeschlossen sind.
Agieren durch die Hintertür
Der Gesetzgeber hat schon in der letzten Legislaturperiode zurecht davon abgesehen, einen Provisionsdeckel gesetzlich vorzuschreiben. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag steht dazu nichts. Wenn es tatsächlich zu Fehlentwicklungen bei den Provisionen kommt, könnte die BaFin doch in diesen Fällen einschreiten. Das Instrumentarium dazu hat sie. Da bedarf es keines einheitlichen Provisionsrichtwertes und Deckels durch die Hintertür.
Die Diskussion könnte sich aber auch in Richtung der vom Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler längst vorgelegten Vorschläge öffnen. Diese sehen eine deutlich reduzierte Abschlussvergütung und eine höhere laufende Betreuungsvergütung vor.
Autor(en): Bernhard Rudolf