Nicht bedarfsgerechte Produkte für Studierende

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Studierende in ganz Deutschland werden nach Erkenntnis der Verbraucherzentrale Hamburg (VZ HH) auf „neutralem Universitätsgelände“ schlecht von spezialisierten Finanzdienstleistern beraten. Daher haben die Verbraucherschützer eine Aufklärungskampagne gestartet.

„Verkäuferinnen und Verkäufer von Finanzprodukten können dich nicht unabhängig beraten. Sie werden von den Produktherstellern gegen Provision bezahlt und verkaufen deren Produkte“, so die Kritik der Verbraucherschützer.

„Die Beratungsfälle der Verbraucherzentralen in ganz Deutschland zeigen: Noch immer werden Studierenden nicht bedarfsgerechte Finanzprodukte empfohlen und verkauft - noch dazu auf einem neutralen Boden wie dem Universitätsgelände“, so die Verbraucherzentrale Hamburg in einer Pressemitteilung. Gerade zu Semesterbeginn, aber auch während der gesamten Vorlesungszeit, wären Promotionsstände oder Seminarangebote von Finanzdienstleistern auf dem Universitätsgelände „allgegenwärtig“.

Vertrauen über Geschenke aufbauen

„Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die Vertriebsmitarbeitenden gezielt Studierende ansprechen und sie mit kostenlosen Seminaren zum Abfassen der Thesis, Bewerbungstraining oder der Anwendung gängiger Software locken", so Sandra Klug von der VZ HH. "Ist der Kontakt dann einmal hergestellt und das Vertrauen gewonnen, versuchen die Vertriebler ihre Altersvorsorge- und Versicherungsprodukte an die Studierenden zu verkaufen." Der Schaden durch nicht bedarfsgerechte Produkte würde oft erst nach Jahren auffallen. Daher gebe es nun eine Aktion, wie sich Studentinnen und Studenten gegen die „Maschen der Finanzdienstleister“ wappnen können (www.verbraucherzentrale.de//finanzberater-campus).

Kopplungsprodukte in der Kritik

Vor allem die Rürup-Rente in Kombination mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung würde an den Universitäten verkauft. "Derartige Kombiprodukte maximieren aber nur die Provision der Vermittler.“ Für Verbraucherinnen und Verbraucher sei es dagegen wichtig, die Risikoabsicherung und den Kapitalaufbau voneinander zu trennen. Auf der Info-Seite der Verbraucherschützer heißt es: „Zur Altersvorsorge brauchst du keine Versicherungen. Parke deinen Notgroschen auf einem gut verzinsten Tagesgeldkonto. Das ist flexibel und sicher. Baue Vermögen langfristig mit ETF auf, die die weltweiten Aktienmärkte abbilden. Die können zwar erheblich im Wert schwanken, sind auf lange Sicht aber am rentabelsten.“

In einem dargestellten Fallbeispiel, bei dem es um eine Beratung durch den Finanzdienstleister MLP geht, wird zudem empfohlen, nur eine selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung (SBU) abzuschließen. Zudem gibt es Videos zum Selbstlernen. Hier erläutert die VZ HH, welche verkaufspsychologische Strategien in der Finanzberatung eingesetzt würden. Die Videos stehen unter dem Obertitel „Die Taktik des Gebens und Nehmens“.

Wer an der Uni aktiv ist

Aktiv auf den Universitätsgeländen sind neben MLP auch, die Horbach Wirtschaftsberatung oder Formaxx. Schon 2020 hatte Professor Hartmut Walz von der Uni Ludwigshafen oder der ehemalige Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick auf seinem Portal „Finanzwende“ die Aktivitäten von Finanzdienstleistern an den Unis kritisiert. Aktiv an den Hochschulen sind zudem typische Beamtenversicherer, wie die Huk-Coburg Gruppe, die Debeka-Gruppe oder die Axa-Tochter DBV.

In einer aktuellen Stellungnahme gegenüber dem Magazin "Cash" weist MLP daraufhin, dass auf dem Universitätsgelände keine Beratung stattfinden würde. „Wie andere Unternehmen auch machen wir an Hochschulen auf uns aufmerksam, vor allem im Recruiting. Die Gewinnung von Kunden erfolgt primär über digitale Kanäle“, so der Finanzdienstleister. Demgegenüber fordert Britta Langenberg, Leiterin Verbraucherschutz bei Finanzwende, dass Unternehmen grundsätzlich den Campus nicht für Kundenwerbung nutzen sollten.

MLP verweist darauf, dass die Rürup-Rente in Kombination mit einem Berufsunfähigkeitsschutz lediglich ein Produkt aus einer großen Angebotspalette sei. Zwar sind auch nach Einschätzung von MLP Kopplungsprodukte weniger flexibel, könnten sich aber in „quantitativer Hinsicht“ lohnen. Das habe das Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaft (ifa) in seiner Studie gezeigt.

Auch Verbraucherschützer natürlich nicht uneigennützig

Ganz uneigennützig ist auch die Aktion der VZ HH nicht. So empfehlen die Verbraucherschützer, sich bei den Verbraucherzentralen zu informieren. Zudem verweist die VZ HH auf das Buch „Einfach machen: Geldanlage Nachhaltig und erfolgreich“, dass die Verbraucherschützer für 20 Euro anbieten.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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