Die Basisrente hat Nachteile für den Kunden, die eine sorgfältige Beratung erforderlich machen. Ein aktuelles Urteil wirft ein Schlaglicht vor allem auf organisatorische Mängel.
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat mit Urteil vom 7. Dezember 2021 (Az. 9 U 97/19, VersR 2022, 237-240) entschieden, dass einem Kunden Schadenersatz in Höher der gezahlten Beiträge zusteht, weil die ihm vermittelte Basisrente nicht bedarfsgerecht war.
Vertreter soll die Nachteile nicht erklärt haben
Der seinerzeit 41-jährige Kunde hatte mit Wirkung zum 1. Oktober 2010 eine Basisrente für 200 Euro monatlich abgeschlossen, die bis 2036 laufen sollte. In dem Vertrag war eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung enthalten. Vermittelt wurde der Vertrag von einem Versicherungsvertreter, der neben seinem Vertragspartner mit verklagt wurde.
Mit einem Schreiben vom 18. Oktober 2015 hatte der Kunde vom Versicherer verlangt, die Beiträge wegen Falschberatung zurückzubezahlen. Denn ihm sei nicht erklärt worden, dass die Basisrente keine Möglichkeit vorsieht, sich eingezahlte Beiträge zurückzahlen zu lassen. Hätte er das gewusst, wäre er einen solchen Vertrag nicht eingegangen.
Der Versicherer stellte den Vertrag allerdings nur beitragsfrei, lehnte aber eine Rückabwicklung ab. Die daraufhin folgende Klage auf Schadenersatz in Höhe der bereits gezahlten 11.600 Euro an Beiträgen zuzüglich Zinsen und Anwaltskosten wurde vom zuständigen Landgericht abschlägig beschieden. Die Revision beim OLG dagegen war erfolgreich. Das OLG sah beide Beklagten gesamtschuldnerisch als schadenersatzpflichtig an, sowohl den Vertreter selbst als auch den Versicherer, der für seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen hat.
Bei finanziellen Problemen Basisrente nicht bedarfsgerecht
Das Problem an der Sache war ein fehlender Nachweis der Erfüllung der Dokumentationspflicht. Der Kläger hatte behauptet, keine Beratungsdokumentation erhalten zu haben. Einen Nachweis über eine Zustellung konnten weder der Vertreter noch der Versicherer erbringen. Das führt jedoch zu einer faktischen Beweislastumkehr: Der beklagte Vertreter hätte nun trotz fehlender Beratungsdokumentation nachweisen müssen, richtig beraten zu haben.
Eine Beratung war hier nach Ansicht des OLG besonders nötig. Denn der Kläger hatte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gerade erst ein Privatinsolvenzverfahren beendet und eine selbstständige Tätigkeit neu aufgenommen. Erschwerend kam hinzu, dass diese selbstständige Tätigkeit anfangs kaum Geld einbrachte, nachgewiesen wurde ein nicht einmal fünfstelliges, steuerpflichtiges Jahreseinkommen im ersten Jahr.
Deshalb bezweifelte das OLG, dass eine Basisrente für einen solchen Kunden ein guter Rat ist. „Unter den gegebenen Umständen war die Empfehlung einer Rürup-Rente für den Kläger ungeeignet“, so das Gericht. Es sei „nicht zweckmäßig“, wenn sich ein Kunde mit schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen auf 26 Jahre festlegen solle, ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung. „Ein Hinweis in der Beratung, dass beim Vertrag über eine Rürup-Rente vor dem vereinbarten Rentenbeginn keine Möglichkeit bestand, eine vorzeitige Auszahlung des angesparten Kapitals zu erhalten, war wesentlich und erforderlich“, so die Richter weiter.
Kein Beweis für Zugang der Dokumentation
Selbst das wäre anders beurteilt worden, wenn es eine ordentliche Beratungsdokumentation gegeben hätte. Hier trat aber ein weiteres Problem auf. Der Vertreter konnte sich nicht mehr exakt an die Beratung erinnern und nur allgemein behaupten, er habe den Kunden auf die Besonderheiten der Basisrente hingewiesen.
Es habe zudem zur Zeit des Vertragsabschlusses einen Beratungsprozess gegeben, bei dem vorgesehen war, die Dokumentation zwar auf einem elektronischen Gerät während der Beratung zu erstellen. Aber sie konnte nicht unmittelbar in Papierform oder elektronisch an den Kunden übermittelt werden. Vielmehr sollte die Dokumentation nachträglich zugesendet werden. Einen Beweis für den Zugang beim Kunden gibt es jedoch nicht. Eine Erklärung zum elektronischen Antrag, die der Kläger unterschrieben hatte, reichte nicht aus. Denn diese sagte inhaltlich lediglich aus, dass sich der Antragsteller mit diesem Verfahren einer späteren Zusendung per Post einverstanden erklärt.
Es gab allerdings eine Beratungsdokumentation, die anlässlich einer Beschwerde des Klägers beim Versicherungsombudsmann von Seiten der Beklagten vorgelegt wurde. Der Kläger jedoch behauptete, erst anlässlich des Beschwerdeverfahren eine Kopie erhalten zu haben. Er habe zudem alle Versicherungsunterlagen stets ordentlich abgeheftet, ein Versehen sei nicht anzunehmen. Das Gericht schenkte dem Vortrag Glauben.
Papier-lastige Verfahrensweise empfohlen
Dem Versicherer hält das Gericht in der Urteilsbegründung vor, „durch eine unzureichende Organisation der von den Versicherungsvertretern zu erstellenden Dokumentation“ die Beweislastverteilung verursacht zu haben, die den Beklagten zum Verhängnis wurde.
Es führt weiter aus, dass es „zweckmäßig“ sei, „eine Organisation“ zu etablieren, „bei welcher die Dokumentation während des Beratungsvorgangs vom Versicherungsvertreter auf Papier erstellt bzw. ausgedruckt wird. Üblich ist sodann, dass die schriftliche Dokumentation im Beratungstermin von Versicherungsnehmer unterschrieben wird, und dass anschließend sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherungsvertreter ein Exemplar des unterzeichneten Formulars erhalten.“ Damit wären die Beweisprobleme nicht entstanden.
Nachhaltig ist das nicht
Fragwürdig sind daran allerdings mehrere Dinge. Zum einen ist die Papierfixierung nicht mehr zeitgemäß und würde voraussetzen, dass Versicherungsvertreter stets mobile Drucker mit sich führen. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten wäre das ein klarer Rückschritt hinter den Willen der Europäischen Union zu mehr Klimaschutz.
Eine Unterschrift der Beratungsdokumentation kann missbraucht werden, um zu versuchen sich vom Kunden eine Haftungsfreizeichnung zu erschleichen. Das Gericht hätte mindestens differenzierter ausführen können, dass eine Unterschrift des Kunden allenfalls als Empfangsbestätigung möglich und zulässig ist, nicht aber als Zustimmung zur Richtigkeit aller gemachten Angaben. Eine Falschberatung kann nicht durch Unterschrift des Kunden „geheilt“ werden.
Schließlich erstaunt, dass in der Urteilsbegründung keine Ausführungen zu finden sind, warum der Kunde einen Anspruch auf Rückerstattung aller gezahlten Beiträge hat, obwohl er zumindest über fünf Jahre einen Berufsunfähigkeitsschutz in Anspruch genommen hat.
Automatisch erzeugte Dokumentationen werden Anspruch nicht gerecht
Allerdings zeigt dieses Urteil einmal mehr, wie wichtig eine sachgerechte Beratungsdokumentation ist, mit der die Umstände eines Rates für eine bestimmte Versicherung ausgeleuchtet werden. Rein automatisch erzeugte Dokumentationen werden diesem Anspruch nicht immer gerecht werden. Und wenn man dann noch nicht einmal den Zugang beweisen kann, sind sie im Zweifel nutzlos.
Autor(en): Matthias Beenken