Künftig dürfte die Elementarschadenabsicherung von Unternehmen auf der Kippe stehen, wenn sie nicht ausreichende Verhütungsvorkehrungen gegen Überschwemmungen vorweisen können. Dies geht aus dem „Update Versicherungsmarktreport Deutschland 2021“ hervor, den der internationale Versicherungsmakler Marsh veröffentlicht hat.
Marsh-Geschäftsführer Thomas Olaynig ist sicher, dass die Versicherer wie derzeit schon in der Feuerversicherung „nachdrücklich“ auch in der Elementarschadenversicherung eine Optimierung der Überschwemmungsschutzmaßnahmen fordern werden. Nach Einschätzung des Maklers wäre in der Industrieversicherung die Mitversicherung von Elementarschäden mittlerweile Marktstandard.
Olayning: „Unternehmen werden auch weiterhin Versicherungsschutz gegen Elementarschäden einkaufen können – die Versicherer werden allerdings höhere Prämien und Selbstbehalte fordern und auch die zur Verfügung gestellten Kapazitäten im Einzelfall begrenzen.“ Bei privaten Haushalten schätzt Marsh die Versicherungsdurchdringung lediglich auf 35 bis 45 Prozent. Zum gewerblichen Markt macht der Makler keine Aussage. Hier dürfte der Schutz gegen Extra-Elementargefahren aber kaum „Marktstandard“ sein.
Spontanereignisse weder langfristig in ihrer Ausprägung noch regional vorhersehbar
Die Risikolage schätzt Marsh problematisch ein. Ereignisse durch Stürme, Hagelschläge, Überschwemmungen und durch Spontanereignisse wie Starkregen wären weder langfristig in ihrer Ausprägung noch regional vorhersehbar. „Dies passiert inzwischen überall und meist überraschend.“ Zudem geht der Makler davon aus, dass die Schätzung der Schäden durch die verheerenden Naturkatastrophen im Juli durch das Tiefdruckgebiet „Bernd“ insbesondere in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie zuvor durch Starkregen und Hagelschlägen in Baden-Württemberg viel zu konservativ sind.
Laut Marsh liegt die offizielle Prognose der versicherten Schäden bei bis zu sieben Milliarden Euro. Der Gesamtschaden werde auf 15 Milliarden Euro geschätzt. Hinzukämen weitere 15 Milliarden Euro an Infrastrukturschäden. Der Makler geht davon aus, dass die wirkliche Schadensumme noch höher liegt. Der Grund: Nicht nur die Betriebsunterbrechungsschäden würden sehr teuer, weil es um lange Zeiträume gehe. Gleichzeitig wären aber auch indirekt andere Betriebe betroffen, weil sie mit den Unternehmen in den Katastrophengebieten in enger Verbindung stehen.
Cyber: Schwieriges Neugeschäft
Auf ganz schwieriges Geschäft müssen sich laut Marsh alle Vermittler bei der Cyber-Versicherung einstellen. So wären zum einen die Prämien im ersten Halbjahr 2021 um rund 40 Prozent gestiegen. Zum anderen würden die Versicherer statt Neugeschäft abzuschließen, erst einmal ihre Bestände sanieren. Schon 2020 habe die Schadenquote in Europa bei 74 Prozent gelegen. Einige Versicherer hätten sich schon damals mit Schadenquoten über 100 Prozent in roten Zahlen befunden. Marsh verweist darauf, dass die Bedrohungslage sich stark gewandelt hat. Während von 2016 bis 2019 die Cyber-Schäden mit Lösegeldforderungen lediglich 14 Prozent ausgemacht hätten, sei dieser Anteil 2020 auf 32 Prozent angestiegen. Zudem sind fast nur noch Kriminelle am Werk. Denn böswillige Cyber-Attacken hätten im vergangenen Jahr bei rund 80 Prozent gelegen. Lediglich 18 Prozent wären „unbeabsichtigte“ Cyber-Ereignisse gewesen.
Wer neue Kunden mit Cyber-Schutz ausstatten möchte, habe als Makler deutlich mehr Arbeit vor sich. „So gilt es Schwachstellen in der Informationssicherheit zunächst zu identifizieren und anschließend zu beseitigen, um Risiken überhaupt versicherbar zu gestalten“, so Olayning. Anschließend müssten die Risiken transparent dargestellt und die Konditionen mehr denn je mit den Versicherern verhandelt werden.
Haftungslage in den USA bedrohlich
Als Pandemiefolge hat Marsh für alle Unternehmen eine klare Ansage: „Wir empfehlen den zeitnahen Abschluss von Kreditversicherungen zum Schutz vor zu erwartenden steigenden nationalen und internationalen Forderungsausfällen in fast allen Branchen und Ländern.“ Zudem sollten Makler den amerikanischen Versicherungsmarkt im Auge behalten. Dort gebe es eine „Social Inflation“ im Haftpflichtbereich. Unternehmen würden immer öfter zu extremen Schadenersatzsummen verklagt. Grund wäre eine verbraucherfreundliche Rechtsprechung und gewinnorientierte Prozessfinanzierer.
Wird Beitragszusage mit Mindestleistung ab 2022 nicht mehr geben
Betroffen sind Schmerzmittel-, Auto-, Kosmetik- und Lebensmittelhersteller. In Deutschland gehe zudem die Verhärtung des Haftpflichtmarktes mit teils drastischen Prämiensteigerungen bei gleichzeitigen Kapazitätsreduzierungen und höheren Selbstbehalten weiter. Der gewerbliche Haftpflichtmarkt sei bisher aber nur vereinzelt betroffen. In der betrieblichen Altersversorgung wird es laut Marsh die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) ab 2022 nicht mehr geben, weil die 100-prozentige Beitragsgarantie mit einem Höchstrechnungszins von 0,9 Prozent nicht mehr darstellbar sei.
Mehr Geschäft gibt es aber für Versicherer, die Pensionsverpflichtungen in ihre Bücher nehmen. Hier wäre nun bei vielen Unternehmen Auslagerung im Trend. Durch eine solche Auslagerung können erhebliche Kostenersparnisse erzielt werden“, sagte Experte Olaynig.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek