Die deutschen Versicherer und Vermittlerverbände sollten einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung besser akzeptieren. Das ist die „private“ Botschaft, die Frank Grund, Exekutivdirektor der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), der Branche auf dem BF21-Kongress „Zukunftsforum Assekuranz“ übermittelte.
„Persönlich kann ich es nicht verstehen, warum die Branche das Provisionssystem nicht über den Provisionsdeckel sichert“, sagte Grund. Vorher hatte sich der Aufseher verwundert darüber gezeigt, dass Branchenexperten bereits Informationen darüber haben, dass eine solche Provisionsbegrenzung für die Lebensversicherung eingeführt wird. Der Bafin lägen solche Informationen noch nicht vor. Die Einführung eines Provisionsdeckels sei allein eine politische Entscheidung. Gleichzeitig machte Grund deutlich, dass Fehlanreize bei der Lebensversicherungsvermittlung durch Provisionen beendet werden müssten. „Das Thema geht nicht weg, auch wenn es die Politik nicht entscheidet“.
Vor allem Reformen in der Verwaltung
Dass die Provisionen runter müssen, machte auch Johannes-Tobias Lorenz deutlich. Die Branche sollte endlich die „Vertriebskosten angehen“, forderte der Mitarbeiter des Beratungsunternehmens McKinsey. So hätten die Assekuranzen in den vergangenen Jahren vor allem Reformen im Bereich der Verwaltung durchgeführt. Doch die Ausgaben in diesem Bereich seien relativ gering, wenn man sie mit den Vertriebskosten vergleichen würde. So bezifferte Lorenz die Verwaltungsaufwendung der Branche für 2017 mit neun Milliarden Euro, während für den Vertrieb 21 Milliarden Euro ausgegeben wurden. Am Beispiel der Hausratversicherung - in der es nur private Verträge gibt - demonstrierte Lorenz die extremen Unterschiede in der Produktivität bei den Versicherern.
Während viele Versicherer im Schnitt für Verwaltung und Akquise zwischen 50 und 40 Euro pro aktiven Vertrag ausgeben, erreichte beispielsweise die Cosmos Direkt zwischen 2010 und 2015 Stückkosten in Höhe von 22 Euro und die DA Direkt von 19 Euro. Noch besser steht die Huk24 da. Sie benötigt lediglich neun Euro.
Noch lange klassischer Verkauf zu erwarten
Trotzdem werden nach Einschätzung des Beraters Versicherungen noch lange Zeit klassisch verkauft werden. Dies zeige auch ein Blick nach Großbritannien, wo durch hohe Kosten für Berater der Online-Vertrieb am stärksten ausgeprägt sei. Selbst hier würden im Kfz-Bereich bisher nur 55 Prozent der Verträge direkt online verkauft. "In 45 Prozent der Abschlüsse spielen Vermittler weiterhin eine Rolle", so Lorenz. Bei Hausrat gelte das noch für 49 Prozent aller Policen und in Leben sogar für einen Anteil von 62 Prozent am Neugeschäft. Trotzdem müssen die Versicherer schon heute "alle Kanäle spielen". Sie sollten sich aber nicht verzetteln, sondern den digitalen Wandel aus einer ganzheitlichen Unternehmensphilosophie einleiten.
Lebensänderung per Kontobewegung erkennen
Hier glauben sich beispielsweise die Versicherer Zurich und R+V auf einem besonders guten Weg. So setze die R+V mit den 870 Raiffeisen- und Volksbanken den genossenschaftlichen Gedanken in digitale Ökosysteme um. „Mit dem Insurtech Friendsurance haben wir eine App entwickelt, die die Verwaltung von Versicherungen und das Online-Banking umfassend optimiert“, erläuterte Norbert Rollinger, Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung AG. Künftig sollen mit dem Einverständnis der Kunden die Kontendaten ausgewertet werden, um veränderte Lebensphasen zu erkennen und so direkt Angebote machen zu können.
Gleichzeitig gäbe es aber auch weiterhin die persönliche Ansprache, wie beispielsweise die umfassende Energieberatung für Hausbesitzer. „Solarzellen auf dem Dach werden dann von der Bank finanziert und von der R+V versichert“, so Rollinger. Ein anderes Beispiel für Innovation und Vernetzung seien Medizinische Vorsorgezentren in der Rechtsform einer Genossenschaft. Hier ist die R+V in der Region Eifel aktiv, die mit einem großen Landarztmangel zu kämpfen habe. Das Regressrisiko der Ärzte bei Überschreiten des Budgets werde durch eine Bürgschaftsversicherung der R+V gedeckt.
Kulturwandel mit persönlichem „Du“
Von einem gelungenen Wandel geht auch Carsten Schildknecht, Vorstandsvorsitzende der Zurich Deutschland aus. Die Assekuranz kooperiert, beteiligt sich oder übernimmt Insurtechs. So habe man das Insurtech Dentolo für die Deutsche Allgemeine DA übernommen, um nun dort in die Zahnzusatzversicherung einzusteigen. Damit hätte der Versicherer mit einem Schritt Zugang zu einem Netzwerk von 500 Zahnärzten. Während die DA weiterhin auf „selbst gesteuerte Kunden“ abzielt., werde die Zurich sich vor allem auf Gewerbeunternehmen und Mittelstand fokussieren.
Der große Kulturwandel in der Zurich wird auch mit der Verlegung des Unternehmens an den Standort Köln verknüpft. In einem einstündigen Film hat die Zurich die künftige Entwicklung für ihre Mitarbeiter dargestellt und in Kinos vorgeführt. Ein äußeres Zeichen des Wandels bei der Zurich sei das von den Mitarbeitern eingeforderte persönliche „Du“ in der Kommunikation. Getrieben wird hingegen die HUK-Coburg. Sie fürchtet, dass Autohersteller mit eigenen Telematiktarifen in die Kfz-Versicherung eindringen. Daher will der größte Autoversicherer Telematiktarife weiterhin ausbauen und mit hohem Aufwand auswerten.
Smartphone als künftiges Schaufenster
„Wir glauben, dass Bremsen, Beschleunigen und die Beachtung von Tempolimits künftig relevante Merkmale bei der Tarifierung von Kfz-Versicherungen werden“, sagte der Vorstandvorsitzende Klaus-Jürgen Heitmann. „Über Telematik-Tarife wollen wir für die Kunden auf dem Smartphone präsent bleiben.“ Denn das Smartphone sei künftig das Schaufenster, indem Versicherer ihre Produkte anbieten müssten.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek