Die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA hat verschiedene Antworten der Europäischen Kommission auf Auslegungsfragen zur Richtlinie IDD veröffentlicht.
Die EIOPA hat ihren Fragen- und Antworten-Katalog (FAQ) Anfang März aktualisiert und Antworten der Europäischen Kommission aufgenommen.
Schadensachbearbeiter sind weiterbildungspflichtig
Für deutsche Versicherungsunternehmen von besonderer Bedeutung dürfte die Antwort auf Frage Nr. 2006 sein, ob die Ausnahme der Schadenregulierung vom Begriff des Versicherungsvertriebs laut Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b) IDD so zu verstehen ist, dass Schadensachbearbeiter in Versicherungsunternehmen nicht unter die IDD fallen. Das würde unter anderem bedeuten, dass die beruflichen Anforderungen (siehe § 48 Absatz 2 VAG) und darunter auch die laufende Weiterbildung von 15 Stunden pro Kalenderjahr nicht auf diesen Personenkreis zutreffen würden. Darüber gab es bekanntlich in der Vergangenheit Meinungsverschiedenheiten, die schließlich die deutschen Aufsichtsbehörden mit eigenen FAQ lösten, wonach Schadensachbearbeiter auch der IDD unterliegen .
Die EU-Kommission sieht das genauso: „Zweck des Ausschlusses nach Art. 2 Abs. 2 lit. b IDD für professionelles Schadenmanagement ist daher der Ausschluss von Dienstleistern, die dauerhaft eine ausschließlich aus Schadenmanagement, Schadensregulierung und Sachverständigengutachten bestehende berufliche Tätigkeit ausüben, da sie zu diesem Zweck als eine vom Versicherungsvertrieb getrennte Tätigkeit betrachtet werden.“ Damit ist im Umkehrschluss klar, dass solche Tätigkeiten als „Mitwirken bei Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadensfall“ gelten, also als Versicherungsvertrieb, wenn sie von Versicherungsangestellten durchgeführt werden. Versicherungsunternehmen werden nun wohl damit rechnen müssen, in Zukunft auf die Einhaltung der Aus- und Weiterbildungsvorschriften auch in diesen Tätigkeitsbereichen überprüft zu werden.
Dagegen bestätigt die Kommission in einer bisher noch nicht von EIOPA veröffentlichten Frage Nr. 2111, dass Buchhalter und Verwaltungspersonal von der Pflicht zur laufenden Weiterbildung ausgenommen sind. Diese Pflicht betreffe nur Personen, die entweder maßgeblich oder unmittelbar eine der verschiedenen Aktivitäten ausüben, die als Versicherungsvertrieb definiert sind.
Kontrollrecht über ausländische Vertreiber?
In der Frage Nr. 1847 geht es darum, ob Vermittler und Angestellte von Versicherungsunternehmen, die in einem anderen EU-Land ihren Sitz haben, von der Aufsichtsbehörde des Gastlandes kontrolliert werden dürfen. Beispielsweise könnte das in Deutschland die Frage sein, ob eine Industrie- und Handelskammer die regelmäßige Weiterbildung eines Auslandsvermittlers überprüfen oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Qualifikation von Versicherungsangestellten überprüfen kann.
Hierzu führt die EU-Kommission in ihrer Antwort aus, dass die IDD ein Sitzlandprinzip verfolgt. Das bedeutet, dass nur die zuständige Aufsichtsbehörde des Heimatlandes eines Vermittlers beziehungsweise eines Versicherers für die Überwachung verantwortlich ist, selbst wenn diese im EU-Ausland tätig werden. Die Aufsichtsbehörden der Gastländer sind nur berechtigt und verpflichtet, die Einhaltung der Informations- und Beratungspflichten sowie der Pflichten rund um den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten auf dem Boden ihres Territoriums zu überwachen – auch wenn sie von ausländischen Vermittlern oder Versicherungsangestellten auszuführen sind.
Gap-Deckung kann Annexgeschäft sein
Autohändler könnte die Frage 1870 interessieren. Bestimmte Vermittler von Garantieversicherungen sind vom Anwendungsbereich der IDD beziehungsweise in der deutschen Umsetzung von der Anwendung der Vorschriften zur Gewerbeerlaubnis und Registrierung nach § 34d Absatz 8 Nr. 1 GewO ausgenommen. In der Frage geht es um die Gap-Deckung, die den Wertverlust zwischen Kaufpreis und Unfallzeitpunkt abdeckt.
Nach Meinung der EU-Kommission ist die ausschließliche Vermittlung solcher Gap-Deckungen erlaubnis- und registrierungsfrei möglich, sofern auch die weiteren Voraussetzungen wie unter anderem eine maximale Jahresprämie von 600 Euro erfüllt sind. Auch müssen solche Vermittler dann immer noch die Wohlverhaltenspflichten und die Pflichten rum um den Paketverkauf von Versicherungen (siehe § 7a VVG) beachten. In den meisten Fällen dürften Autohändler allerdings, wenn, dann komplette Autoversicherungen vermitteln, was dann in Deutschland nicht mehr unter den § 34d Abs. 8 Nr. 1 GewO fällt. In diesen Fällen muss ein Händler eine Erlaubnis oder eine Erlaubnisbefreiung auf Antrag oder eine Eintragung als erlaubnisfreier Ausschließlichkeitsvertreter eines Versicherers besitzen.
Wann ist der Vertrieb „produktakzessorisch“?
Die Frage Nr. 1971 befasst sich mit weiteren Fällen des Annexvertriebs, und ob dort die Privilegierung eines produktakzessorischen Vermittlers (siehe § 34d Absatz 6 GewO) möglich ist. Unter anderem formuliert die Kommission, dass Vertragsverlängerungen von Kfz-Versicherungen auch unter den Begriff „produktakzessorisch“ fallen können, sofern das versicherte Fahrzeug bei diesem Händler gekauft worden ist, weil dann eine enge Beziehung zwischen Produkt und Versicherung gegeben ist. Will der Kfz-Händler darüber hinaus auch Kfz-Versicherungen an Besitzer von Autos vermitteln, die nicht bei ihm gekauft wurden, gilt das nicht mehr als produktakzessorische Vermittlung.
In einer bisher noch nicht veröffentlichten Frage Nr. 2208 antwortet die EU-Kommission, ob eine produktakzessorische Vermittlung voraussetzt, dass Kauf des Produkts und Kauf der Versicherung zeitgleich erfolgen müssen. Das ergibt sich so nicht aus der Richtlinie. Denkbar wäre beispielsweise, dass ein Reiseversicherung nicht bereits bei der Flugbuchung, sondern erst beim Check-in nachträglich erworben wird. Die Kommission sieht hier kein Problem, das als von der Ausnahmeregelung zum Beispiel für Reiseversicherungsvertrieb (siehe § 34d Absatz 8 GewO) gedeckt anzusehen.
In Frage 1795 geht es um Autovermietungen, ob diese auch vom Anwendungsbereich der Richtlinie IDD ausgenommen werden können. Die typische Juristenantwort ist, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, was genau die Autovermietung an Versicherungsvermittlung betreibt. Die Ausnahme von der Richtlinie bezieht sich nicht pauschal auf bestimmte Gruppen von Gewerbetreibenden, sondern auf das, was sie tatsächlich tun.
Interessenkonflikte und Portfoliomanagement
Beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten können laut der Antwort der Kommission auf Frage Nr. 2100 grundsätzlich auch Versicherungsunternehmen als „dritte Partei“ gelten, allerdings nicht dasjenige, das ein Versicherungsanlageprodukt unmittelbar vertreibt. Interessenkonflikte und schädliche Vergütungen können grundsätzlich jeden betreffen, der nicht selbst Vertragspartei des Versicherungsvertrags ist.
Vermittler von Versicherungsanlageprodukten bekommen von der Kommission Rückendeckung, wenn sie gemäß der Frage Nr. 1596 im Rahmen der Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten auch „Portfoliomanagement“ betreiben. Das ist zwar eigentlich ein Begriff aus der Wertpapier-Richtlinie MiFID II. Aber auch bei Versicherungsanlageprodukten sind laufende Überprüfungen und Fondswechsel sinnvoll und notwendig. Solange sie innerhalb eines Versicherungsanlageprodukts erfolgen, sind sie vom Begriff Versicherungsvertrieb und damit vom Anwendungsbereich der IDD-Regeln gedeckt.
Autor(en): Matthias Beenken