Ob Unfall, Brände oder Reparaturen: Automatischer Service soll die Kunden binden und die Kontaktfrequenz zum Autobesitzer erhöhen.
Viele Ideen, die die Allianz Versicherung auf ihrem 11. Autotag vorstellte, sind aber noch Theorie. Denn meist baut der Service auf dem Zugriff der Fahrzeugdaten auf. Und die betrachten die Hersteller eigentlich als ihr Eigentum oder Geschäftsgeheimnis. Noch. Denn mit einer neuen EU-Gesetzgebung könnte sich das deutlich ändern.
„Die Feuergefahr bei E-Autos ist nicht höher als bei einem Verbrenner“, stellte der Allianz-Vorstandsvorsitzende Frank Sommerfeld fest. Doch wenn E-Autos einmal brennen, sind sie bekanntlich deutlich schwerer zu löschen. Daher will Sommerfeld, der von einem Siegeszug der E-Autos ausgeht, künftig seine Kunden mit einem Frühwarnsystem vor Bränden schützen. „Die Sensorik dafür ist im Fahrzeug längst vorhanden“, sagte Sommerfeld auf der Presseveranstaltung im Allianz Zentrum für Technik (AZT). „Das Auto signalisiert dann, dass es in wenigen Minuten zu einem Batteriebrand kommen wird.“ So hätten die Fahrer Zeit auszusteigen und Hilfskräfte zu rufen. Der Service dürfte viele E-Autokunden interessieren und die Bindung an die Assekuranz, den zweitgrößten Autoversicherer in Deutschland mit rund 8,8 Millionen Kunden, deutlich erhöhen.
Neues EU-Recht erst ab 2025
Noch ist es aber nicht so weit. Denn der EU Data Act, der den Kunden das Recht an den Daten ihres Autos zusichert, wird wohl frühestens im Sommer 2025 anwendbar sein. Die neue EU-Regulierung folgt dem Grundsatz: Mein Gerät, meine Daten. Nutzerinnen und Nutzer eines vernetzten Autos, so die neue Rechtslage, können künftig vom Hersteller verlangen, dass die im Fahrzeug gesammelten Daten an Dritte übermittelt werden. Für „leicht zugängliche Daten“ fordere der EU Data Act sogar eine Bereitstellung der Daten in Echtzeit. Für den Gebrauchtwagenwert ist bei E-Autos vor allem der Zustand der Batterie entscheidend. „Ich muss die Qualität der Batterie messen, damit ich ein faires Angebot bekomme“, so Sommerfeld. Bisher müsse das noch direkt über eine Box am Fahrzeug passieren. Doch künftig würde der Zustand in der Cloud abrufbar sein, wenn der Kunde einverstanden ist. Auch hier sieht Sommerfeld ein neues Service-Feld.
Umfangreiche Test mit Smartphones verschiedener Hersteller durchgeführt
Derzeit setzt die Allianz noch auf Service per Smartphone. Aktuell gibt es die automatische Unfallerkennung. „Der Unfallmelder, der allein über eine App auf dem Smartphone funktioniert, ist eine Revolution“, sagte Allianzvorständin Lucie Bakker. Das AZT hat hierzu umfangreiche Test mit den Smartphones verschiedener Hersteller durchgeführt. „Das System wird von den Kunden als unglaublich positiv wahrgenommen“, erläuterte Bakker. Es gebe eine sehr hohe Sternebewertung im Netz. Wie viele Allianz Kunden die App, die seit Mai 2023 freigeschaltet ist, schon nutzen, teilte die Allianz aber auch auf Nachfrage nicht mit. Im Rahmen des Telematiktarifs hätten 40 Prozent den Unfallsensor aktiviert, das sind rund 200.000 Kunden. Zudem können neue Fahrzeuge der Automarken Audi, BMW und Ford per Internetzugang an die Allianz aufgeschaltet werden.
App ergänzt E-Call
„Der Allianz Unfallmelder per Smartphone ist aber ein Game-Changer“, so Bakker, weil er ganz einfach zu nutzen sei. Nach einer Meldung über die App wird der Kunde sofort angerufen und Hilfe angeboten. Laut AZT-Leiter Christoph Lauterwasser will die Allianz mit dem Unfallmelder vor allem Kunden mit älteren Autos erreichen, die noch keines der seit 2018 für Neuwagen vorgeschriebenes E-Call-System haben. Im Schnitt liege das Durchschnittsalter von PKW in Deutschland bei rund zehn Jahren. „Unser Unfallmelder ist gleichzeitig eine Ergänzung, weil auch minderschwere Schäden gemeldet werden, bei denen der E-Call gar nicht auslöst“, so Lauterwasser.
Künftig vorauseilende Schadenregulierung
„Wir wollen unsere Kundinnen und Kunden in der Autoversicherung mit attraktiven Angeboten davon überzeugen, ihre Daten mit uns zu teilen“, sagte Sommerfeld. „Während ich nach einem Unfall noch aus dem Auto krabbele, ist der Abschlepper schon fast da, die Werkstatt über den Schaden informiert und die notwendigen Ersatzteile bestellt sowie das Ersatzfahrzeug geordert“, erläuterte Sommerfeld die zukünftige Entwicklung. Damit könne man proaktiv auf Kundinnen und Kunden zugehen.
Eine aktuelle Umfrage der Allianz in fünf europäischen Ländern zeigt, dass eine Mehrheit der Autofahrerinnen und -fahrer bereit ist, ihre Autodaten an ihren Versicherer weiterzugeben, wenn sie im Gegenzug verbesserte Serviceleistungen erhalten: In Deutschland sind es 53 Prozent, in Großbritannien sogar 61 Prozent.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek