Zielvereinbarungen werden nicht nur bei angestellten Außendienstmitarbeitern immer beliebter. Auch der Vertrieb durch selbständige Versicherungsvertreter wird zunehmend durch den Einsatz von Zielvereinbarungen gesteuert. Das Bundesarbeitsgericht hat am 12. Dezember 2007 eine grundlegende Entscheidung getroffen, welche Ansprüche ein Arbeitnehmer hat, wenn die Vereinbarung von Zielen für eine bestimmte Periode unterbleibt. Diese Entscheidung wird sicher auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung ausstrahlen.
Im Fall des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hatten die Vertragsparteien zwar für das Jahr 2005 eine konkrete Zielvereinbarung getroffen, wie sie in einer arbeitsvertraglichen Rahmenvereinbarung auch vorgesehen war. Für das Jahr 2006 kam allerdings keine Zielvereinbarung mehr zustande. Hintergrund dürfte gewesen sein, dass das Arbeitsvertragsverhältnis bereits zum 31. März 2006 gekündigt war und zu dieser Zeit die Abteilung "Vertrieb und Marketing" geschlossen wurde. Einzelheiten, warum keine Ziele für 2006 mehr vereinbart wurden, waren im Prozess jedoch streitig. Der Arbeitnehmer verlangte mit seiner Klage Ersatz des ihm entstandenen Schadens.
Unterscheidung Zielvorgabe und Zielvereinbarung
In den Entscheidungsgründen folgte das Bundesarbeitsgericht zunächst einer grundlegenden Differenzierung, die zuvor in der rechtswissenschaftlichen Literatur erarbeitet worden war.
Sieht eine arbeitsvertragliche Rahmenvereinbarung vor, dass der Arbeitgeber konkrete (Jahres-)Ziele einseitig vorgeben darf (Zielvorgabe), verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn er die einseitige Vorgabe unterlässt. Den Arbeitnehmer trifft in einem solchen Fall keine Mitwirkungspflicht. Die "Initiativlast" trägt allein der Arbeitgeber.
Wenn die Parteien in einer Rahmenvereinbarung hingegen vorgesehen haben, dass die konkreten Ziele jeweils immer wieder neu für eine bestimmte Periode vereinbart werden müssen (Zielvereinbarung), so lässt sich nicht ohne weiteres eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers feststellen, wenn die Zielvereinbarung letztlich unterbleibt. Es gibt vielmehr verschiedene mögliche Gründe hierfür:
- keine Vertragspartei wird mit einem Vorschlag aktiv
- eine Seite verweigert Verhandlungen trotz Aufforderung
- die Vorstellungen einer Partei sind völlig überzogen
- eine Einigung scheitert auch nach intensiven, ernsthaft geführten Verhandlungen
Auslegung der Zielvereinbarung
Wirft der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vor, er habe die Initiative für die Aufnahme von Verhandlungen über die Zielvereinbarung nicht ergriffen, ist zunächst durch Auslegung der Rahmenvereinbarung zu klären, ob dem Arbeitgeber wirklich die "Initiativlast" oblag. Kann das durch Auslegung nicht eindeutig geklärt werden, kommt nach Ansicht des BAG unter Umständen auch eine Anwendung der AGB-rechtlichen Unklarheitenregel – zu Lasten des Arbeitgebers – in Betracht.
Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers
Wenn die Parteien Verhandlungen aufgenommen haben, obliegen auch dem Arbeitnehmer Mitwirkungspflichten. Zu einer Vereinbarung gehören bekanntlich immer mindestens zwei. Verletzt der Arbeitnehmer diese Mitwirkungspflichten, muss ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Das Verschulden des Arbeitnehmers wird dann allerdings im Rahmen eines anspruchskürzenden oder gar -ausschließenden Mitverschuldens berücksichtigt.
Fazit
Nach Ansicht des BAG ist immer sehr genau nach den konkreten Gründen dafür zu fragen, warum die Zielvereinbarung letztlich nicht zustande kam. Bei alleinigem oder überwiegendem Verschulden des Arbeitgebers besteht ein Schadensersatzanspruch. Dieser richtet sich auf Ersatz des entgangenen Gewinns. Dabei kommt dem Arbeitnehmer die vom BAG entwickelte Vermutung zu Gute, dass der Arbeitnehmer vereinbarte Ziele auch erreicht hätte, wenn dem nicht besondere Umstände entgegenstehen. Solche besonderen Umstände müsste der Arbeitgeber konkret darlegen und nachweisen.
Das Urteil des BAG (Az: 10 AZR 97/07) finden Sie im Volltext unter .
Weitere Informationen zum Autor
Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteuffel & Wurdack - Anwaltskanzlei für Vertriebsrecht
Herzberger Landstraße 48
37085 Göttingen
Tel.: +49 (0)551 - 49 99 6 - 0
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kanzlei@vertriebsrecht.de
Im Fall des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hatten die Vertragsparteien zwar für das Jahr 2005 eine konkrete Zielvereinbarung getroffen, wie sie in einer arbeitsvertraglichen Rahmenvereinbarung auch vorgesehen war. Für das Jahr 2006 kam allerdings keine Zielvereinbarung mehr zustande. Hintergrund dürfte gewesen sein, dass das Arbeitsvertragsverhältnis bereits zum 31. März 2006 gekündigt war und zu dieser Zeit die Abteilung "Vertrieb und Marketing" geschlossen wurde. Einzelheiten, warum keine Ziele für 2006 mehr vereinbart wurden, waren im Prozess jedoch streitig. Der Arbeitnehmer verlangte mit seiner Klage Ersatz des ihm entstandenen Schadens.
Unterscheidung Zielvorgabe und Zielvereinbarung
In den Entscheidungsgründen folgte das Bundesarbeitsgericht zunächst einer grundlegenden Differenzierung, die zuvor in der rechtswissenschaftlichen Literatur erarbeitet worden war.
Sieht eine arbeitsvertragliche Rahmenvereinbarung vor, dass der Arbeitgeber konkrete (Jahres-)Ziele einseitig vorgeben darf (Zielvorgabe), verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn er die einseitige Vorgabe unterlässt. Den Arbeitnehmer trifft in einem solchen Fall keine Mitwirkungspflicht. Die "Initiativlast" trägt allein der Arbeitgeber.
Wenn die Parteien in einer Rahmenvereinbarung hingegen vorgesehen haben, dass die konkreten Ziele jeweils immer wieder neu für eine bestimmte Periode vereinbart werden müssen (Zielvereinbarung), so lässt sich nicht ohne weiteres eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers feststellen, wenn die Zielvereinbarung letztlich unterbleibt. Es gibt vielmehr verschiedene mögliche Gründe hierfür:
- keine Vertragspartei wird mit einem Vorschlag aktiv
- eine Seite verweigert Verhandlungen trotz Aufforderung
- die Vorstellungen einer Partei sind völlig überzogen
- eine Einigung scheitert auch nach intensiven, ernsthaft geführten Verhandlungen
Auslegung der Zielvereinbarung
Wirft der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vor, er habe die Initiative für die Aufnahme von Verhandlungen über die Zielvereinbarung nicht ergriffen, ist zunächst durch Auslegung der Rahmenvereinbarung zu klären, ob dem Arbeitgeber wirklich die "Initiativlast" oblag. Kann das durch Auslegung nicht eindeutig geklärt werden, kommt nach Ansicht des BAG unter Umständen auch eine Anwendung der AGB-rechtlichen Unklarheitenregel – zu Lasten des Arbeitgebers – in Betracht.
Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers
Wenn die Parteien Verhandlungen aufgenommen haben, obliegen auch dem Arbeitnehmer Mitwirkungspflichten. Zu einer Vereinbarung gehören bekanntlich immer mindestens zwei. Verletzt der Arbeitnehmer diese Mitwirkungspflichten, muss ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Das Verschulden des Arbeitnehmers wird dann allerdings im Rahmen eines anspruchskürzenden oder gar -ausschließenden Mitverschuldens berücksichtigt.
Fazit
Nach Ansicht des BAG ist immer sehr genau nach den konkreten Gründen dafür zu fragen, warum die Zielvereinbarung letztlich nicht zustande kam. Bei alleinigem oder überwiegendem Verschulden des Arbeitgebers besteht ein Schadensersatzanspruch. Dieser richtet sich auf Ersatz des entgangenen Gewinns. Dabei kommt dem Arbeitnehmer die vom BAG entwickelte Vermutung zu Gute, dass der Arbeitnehmer vereinbarte Ziele auch erreicht hätte, wenn dem nicht besondere Umstände entgegenstehen. Solche besonderen Umstände müsste der Arbeitgeber konkret darlegen und nachweisen.
Das Urteil des BAG (Az: 10 AZR 97/07) finden Sie im Volltext unter .
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Autor(en): Dr. Michael Wurdack