Obwohl die Inflation im Dezember 2023 sowohl im Euro-Raum als auch in Deutschland stärker gesunken ist als erwartet und die Wirtschaft sich überraschend robust zeigt, geht Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Kreditvermittlers Dr. Klein, nicht davon aus, dass die Zinsen für Baufinanzierungen demnächst sinken werden. Im Gegenteil: Er hält einen Anstieg auf bis zu fünf Prozent im Verlauf des Jahres für möglich, so ein aktueller Kommentar seines Unternehmens.
Das Jahr begann mit einem Anstieg der Baufinanzierungszinsen, zuletzt hat sich die Zinskurve wieder leicht abgesenkt. Laut Neumann beträgt der aktuelle repräsentative Bestzins 3,44 Prozent (Stand: 16. Januar 2023). Wesentlicher Auslöser für die Aufwärtsbewegung sei die aktuelle Inflationserwartung seitens der Europäischen Zentralbank (EZB). Nachdem die EZB den Anstieg der Inflation völlig unterschätzt habe, wolle sie nun nicht den Fehler begehen und das Abflauen überschätzen. "Darauf hat der Markt reagiert und weitere Zinsschritte eingepreist, zumindest für das Frühjahr. Als Folge sind auch die Baufinanzierungszinsen hochgegangen", erläutert der Experte die jüngste Zinsbewegung.
Zuletzt gab es positive Daten aus der Wirtschaft: Die Inflation in der Euro-Zone sank im Dezember zum zweiten Mal in Folge, und zwar stärker als vorhergesagt. Und die deutsche Wirtschaftsleistung wuchs im Gesamtjahr 2022 um 1,9 Prozent. Dennoch stehe fest: selbst wenn die Inflation ihren Höhepunkt bereits hinter sich haben sollte, bleibe sie auf einem hohen Niveau und fernab der Zielmarke von zwei Prozent. Der leichte Rückgang sei zum Teil auf staatliche Maßnahmen zurückzuführen, die Verbraucher und Industrie von den hohen Energiekosten entlasten. Zudem sei die Kerninflation, bereinigt um schwankungsanfällige Güter wie Energie und Nahrungsmittel, im Dezember auf eine Rekordhöhe von 5,2 Prozent gestiegen.
Eine fünf vor dem Komma
Auch für die kommenden Monate ist Neumann daher wenig optimistisch, was sinkende Konditionen für Baufinanzierungen angeht: "Ich rechne mit weiteren Zinsanstiegen im ersten Halbjahr und mit einem Zinsniveau von über vier Prozent. Schwankungen können dabei immer wieder in Richtung drei Prozent gehen, aber auch eine zeitweise fünf vor dem Komma will ich nicht ausschließen", so seine Prognose.
Für Kaufinteressenten sei bis auf Weiteres keine deutliche Entspannung in Sicht. Bei einem vermutlich weiterhin leicht steigenden Zinsniveau träfen sie in den meisten Regionen auf immer noch hohe Quadratmeterpreise. In einigen Fällen gebe es aber bereits signifikante Rückgänge bei den tatsächlich gezahlten Immobilienpreisen: "Wir sehen Rücksetzer vor allem in strukturschwachen Regionen und bei Objekten, die viel zu viel Energie verbrauchen. Auch bei ehemals überbewerteten Immobilien in begehrten Metropolvierteln gibt es zum Teil deutliche Preisabschläge", beobachtet Neumann.
Eine der sichersten Arten der Altersvorsorge
An der Zurückhaltung auf der Käuferseite gebe es derzeit nichts zu rütteln, die Nachfrage liege deutlich unter dem Niveau von Anfang 2022. Das Zinsniveau habe so schnell angezogen, dass der Immobilienmarkt nicht Schritt halten konnte. "Noch besteht eine deutliche Kluft zwischen den Preisvorstellungen der Anbieter und den Möglichkeiten der Kaufinteressenten", kommentiert Neumann. Wobei er relativiert: Nicht immer übersteige der Immobilienkauf die finanzielle Machbarkeit. "Wir haben viele Kunden, die sich ihre Wunschimmobilie rein rechnerisch leisten könnten. Die Frage ist, ob sie sich das auch leisten wollen und viele sind da im Moment zögerlich."
Ein Grund sei, dass man bis vor kurzem bei vergleichbaren Immobilien die Monatsrate ungefähr mit der aktuellen Mietzahlung gleichsetzen konnte. Das habe sich geändert: Für die Finanzierung der eigenen Immobilie sei in den meisten Fällen ein höherer monatlicher Betrag notwendig. "Aktuell ist die Situation wieder ähnlich wie früher: Die Finanzierung einer Immobilie läuft nicht mehr nebenbei, sondern es muss in die Tilgung gespart werden. Das erfordert Disziplin und ist gleichzeitig eine der besten und sichersten Arten der Altersvorsorge", so Neumanns Fazit.
Autor(en): versicherungsmagazin.de