Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) wurden Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auf den Weg gebracht. Außerdem wird die finanzielle Lage der sozialen Pflegeversicherung stabilisiert, die Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende verbessert und die Digitalisierung in der Langzeitpflege gestärkt. Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf in 2. und 3. Lesung am 26. Mai 2023 verabschiedet. Die Chance auf den großen Wurf einer wesentlichen Verbesserung der Bedingungen für Familien mit pflegebedürftigen Personen wurde leider verpasst. Jetzt muss sich die Gesellschaft beziehungsweise jeder von uns selbst helfen, um zumindest gut vorbereitet zu sein, wenn der Ernstfall eintritt.
Mit Sicherheit steigen die Beiträge in den kommenden Jahren. Dies hat sich die Regierung mit diesem Gesetz gesichert und wird künftig per Rechtsverordnung den Beitrag neu festlegen. Lediglich Bundestag und Bundesrat sind dabei zu beteiligen.
Die wesentlichen Änderungen der Reform
Pflegegeld und Pflegesachleistungen: die meisten Bedürftigen sind in Pflegegrad 2
Die Grunddevise lautet: ambulant vor stationär. Laut Statistischem Bundesamt erhält die Mehrheit der Bezieher*innen den Satz von Pflegegrad II.
Wir haben nachrechnet: Bei einem Durchschnittspaar mit einem Bedürftigen in Pflegegrad 2 und zwei Rentenempfängern wird nach Abzug der Beitragserhöhung noch rund zehn Euro bleiben. Diese zehn Euro im Monat erhalten die tragenden Säulen der Pflegeversorgung in Deutschland: die Partner*innen, die sich um einen Pflegebedürftigen kümmern. Als Anerkennung für ihre Leistung und für den Inflationsausgleich! Gleichzeitig werden auch die Leistungsbeträge für ambulante Sachleistungen, also häusliche Pflegehilfen durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste, um fünf Prozent angehoben.
Zum 1. Januar 2025 steigen das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungen nochmals um 4,5 Prozent an. Zum 1. Januar 2028 ist eine weitere Erhöhung geplant, die sich am Anstieg der Kerninflationsrate in den drei vorausgehenden Kalenderjahren, für die zu diesem Zeitpunkt die Daten vorliegen, orientiert.
Zuschuss bei vollstationärer Pflege abhängig nach Verweildauer ab Pflegegrad 2
Zum 1. Januar 2024 wird der Anteil an den pflegebedingten Aufwendungen, den die Pflegeversicherung leistet,
- bei einer Verweildauer von 0 bis 12 Monaten von 5 % auf 15 %,
- bei einer Verweildauer von 13 bis 24 Monaten von 25 % auf 30 %,
- bei einer Verweildauer von 25 bis 36 Monaten von 45 % auf 50 % und
- bei einer Verweildauer von mehr als 36 Monaten von 70 % auf 75 % erhöht.
Dies darf als Verbesserung gewertet werden, betrifft laut Statistik aber nur wenige Bedürftige.
Beitragserhöhungen ab 1. Juli 2023
Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Diese Maßnahme ist mit Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro/Jahr verbunden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, den Beitragssatz künftig durch Rechtsverordnung festzusetzen, sofern auf kurzfristigen Finanzierungsbedarf reagiert werden muss. Bundestag und Bundesrat sind dabei zu beteiligen.
Bei kinderlosen Mitgliedern gilt ein Beitragssatz in Höhe von vier Prozent. Bei Mitgliedern mit einem Kind gilt nur ein Beitragssatz von 3,4 Prozent. Bei Mitgliedern mit mehreren Kindern unter 25 Jahren reduziert sich der Beitragssatz darüber hinaus ab dem zweiten bis zum fünften Kind um einen Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten je Kind.
Das wurde außerdem beschlossen
Digitalisierung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und allgemeine Unterstützung bei ambulanter Pflege.
Jedes Jahr erhöht sich die Anzahl der Pflegebedürftigen und ein Ende ist nicht in Sicht
Seit Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995 hat sich die Anzahl der Pflegebedürftigen mehr als verdreifacht (Statistisches Bundesamt: 1995: 1.061.000 Personen, 2020: 3.480.000 Personen). Die Zahl der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten hat sich binnen 20 Jahren mehr als verdoppelt, berichtet das Ministerium.
Diese Maßnahme ist mit Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro/Jahr verbunden. Ziel war die Entlastung der pflegenden Angehörigen, die einen wesentlichen Teil zum Funktionieren des Gesamtkonzeptes der Pflegeversorgung in Deutschland beitragen.
Beispiel der Versorgung unter Eheleuten
Unser Beispielfall steht für zahlreiche Betroffenen: Die 81-Jährige Marie erfüllt den größten Wunsch ihres fünf Jahre älteren Mannes Heinrich. Er verbringt seine Zeit in einem nahegelegenen Pflegeheim, Pflegegrad V und sie besucht ihn täglich. Er wünscht sich so sehr, die letzte Zeit seines Lebens in gewohnter Umgebung zuhause zu verbringen. Zwar hat sie durch den ambulanten Pflegedienst eine gewisse Unterstützung. Doch mit nunmehr 82 Jahren geht ihr die tägliche Hausarbeit und das mehrfache Versorgen des Mannes nicht mehr gut von der Hand. Am schwierigsten ist die Erledigung des Einkaufes. Es bleibt keine Zeit für sich selbst. Sogar auf eigene Arztbesuche verzichtet sie. Eines Tages, als ihre Schmerzen kaum auszuhalten sind, ruft der ambulante Pflegedienst beim Beuch des Mannes kurzerhand den Notarzt. Tage später stirbt sie. Der Mann inzwischen wieder im Pflegeheim kann nicht recht realisieren, was passiert ist.
Als Gesellschaft gilt es, die pflegenden Angehörigen so zu unterstützen, dass die Belastung durch die Pflege erträglich bleibt.
Vorbereitet sein
Es kommt viel auf die betroffenen Familien zu, wenn es zum Pflegefall kommt. Sowohl die emotionale als auch die wirtschaftlichen Belastungen sind enorm. Sicher möchten die meisten von uns, zuhause gepflegt und umsorgt werden. Doch wie ist das in Würde möglich?
Beispielsweise mit Beratern, die helfen Liquidität möglichst ab der ersten Pflegestufe bereitzustellen, mit der Vermittlung von Vorsorgevollmachten, damit sich die Pflegeperson nicht mit der Bürokratie der Betreuungsbehörde auseinandersetzen muss, mit Übersichten zu Finanzen und Versicherungen, weil das in der Regel in der Hand einer Person liegt und mit klaren Absprachen für Unterstützungen von Anfang an, für die Geld bereitzustellen ist (Haushaltshilfe, Organisation von Gartenarbeit und Haustechnik, usw.).
Mit guten und vorausschauenden Vorbereitungen kommen zumindest keine vermeidbaren Komplexitäten hinzu. Schließlich soll die Pflegeperson fit bleiben und der Pflegebedürftige seine Würde behalten.
Autor(en): Margit Winkler, Institut für Generationenberatung