Während der Industrialisierung wanderte die Arbeit aus dem Haushalt in die Fabrik. Heute klopft sie wieder an der Haustür. Die Möglichkeit zu mehr zeitlicher und örtlicher Flexibilität, beispielsweise zur Arbeit im Homeoffice, macht vor keiner Branche mehr halt. "Selbst in der industriellen Produktion kehrt hinsichtlich der Arbeitszeit eine gewisse Flexibilität ein", beschreibt Steffen Neefe, Deutschland-Chef des Top Employers Institutes.
Offiziell bieten zwar immer mehr Arbeitgeber die Möglichkeit zur Heimarbeit an, doch in der Praxis, so klagen viele Arbeitnehmer, werde es dann doch nicht gerne gesehen und bleibt ein Lippenbekenntnis. So kann bisher meist nur eine Minderheit die flexible Arbeitswelt mit Homeoffice und freien Freitagen auch leben. In der Regel sind es privilegierte Jobs in Mangelberufen, beispielsweise im Mint-Bereich, der Tech-Branche oder bei Projektarbeit, die sich in diese Richtung bewegt haben.
Der Arbeitsplatz der Zukunft muss mobil sein
In der im Auftrag des Düsseldorfer Telekommunikationsunternehmens Sipgate durchgeführten Studie "Arbeitsplatz der Zukunft 2017", bei der jede zehnte Antwort aus der Banken- und Versicherungsbranche kam, sehen immerhin schon rund 40 Prozent der befragten Unternehmen ihre Entwicklung zum Arbeitsplatz der Zukunft als relativ weit fortgeschritten an. Knapp zwei Drittel haben eine dedizierte Strategie für neue Arbeits- und Mobilitätskonzepte entwickelt. Ziele sind vor allem Flexibilität, Agilität, Produktivität sowie die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit.
Aber jedes siebte Unternehmen hat sich bisher noch gar nicht mit dem Arbeitsplatz der Zukunft beschäftigt. Dabei verbinden sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter mit dem "Arbeitsplatz der Zukunft" in erster Linie die Themen Mobilität und Technologie, neue Arbeitszeitmodelle und verstärkte Nutzung technischer Möglichkeiten.
Männer wollen standortunabhängig auf Daten zugreifen
Für rund 62 Prozent der befragten Mitarbeiter ist die Veränderung der Unternehmenskultur ein wichtiger Bestandteil von "New Work". Ihren derzeitigen Arbeitsplatz empfinden 79 Prozent der befragten Mitarbeiter als "noch weit entfernt" beziehungsweise "nur ansatzweise so", wie sie sich den Arbeitsplatz der Zukunft vorstellen. Eine flexiblere Zeiteinteilung steht ganz oben auf der Liste.
Während 60 Prozent der Frauen gerne die Möglichkeit hätten, aus dem Homeoffice zu arbeiten, ist für Männer der standortunabhängige Datenzugriff der wichtigste Aspekt.
Funk schaffte Kernarbeitszeit ab
Für Unternehmen bietet die Flexibilisierung der Arbeitszeiten den Vorteil, dass die Mitarbeiter sich weniger kontrolliert fühlen. Hauptsache, die Arbeit wird erledigt. Der internationale Versicherungsmakler Funk hat beispielsweise seit Mai die Kernarbeitszeit abgeschafft. "Jetzt kann jeder zwischen 6:30 und 21 Uhr arbeiten", sagt der geschäftsführende Gesellschafter Christoph Bülk. "Wer einen privaten Termin hat, kann diesen jetzt wahrnehmen und arbeitet die Zeit später nach." Dazu sprechen sich die Teams unkompliziert intern ab.
Wegen des hohen Anteils an Außendienstmitarbeitern waren die klassischen Arbeitszeiten von 8 bis 17 Uhr unter Versicherungsmaklern auch in der Vergangenheit nicht die Norm. Viele Kunden wünschen sich flexible Beratungstermine - zum Teil auch außerhalb der herkömmlichen Bürozeiten. Deshalb haben bei Funk beispielsweise die rund 350 Außendienstmitarbeiter Vertrauensarbeitszeit.
Finanzwelt ändert sich langsam
So ganz allmählich bewegt sich also auch etwas in dieser männerdominierten und konkurrenzgeprägten Finanzwelt: Nahmen zum Beispiel bei der R+V-Versicherung im Jahr 2007 nur 17 Männer Elternzeit, waren es 2017 bereits 152, also knapp ein Drittel aller Elternzeiten. "Wir beobachten, dass das Thema Elternzeit für junge Väter selbstverständlich geworden ist", bestätigt auch Holger Mardfeldt, Partner von Martens & Prahl Versicherungskontor aus Lübeck.
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Autor(en): Anja Kühner