Wie Dagmar Schmidt das Rentenpaket II sieht

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Die Sozialpolitikerin Dagmar Schmidt (SPD) verteidigt das Rentenpaket II der Ampel-Regierung gegen Kritik: „Wir senden ein sehr deutliches Signal der Sicherheit an jene, die heute arbeiten und wissen sollen, dass sie sich auf die gesetzliche Rente verlassen können“, sagt sie in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“. Die SPD wolle nicht, dass die Renten sinken und mit den im Gesetzentwurf kalkulierten Beitragssätzen sei dies auch machbar. „Die Rentenbeiträge gehen bei all unseren Kalkulationen auch nicht durch die Decke“, so Schmidt.

Wer jetzt nur niedrigere Rentenbeiträge im Blick habe, übersehe die Folgen: eine niedrigere gesetzliche Rente und dadurch mehr Druck, selber privat vorzusorgen. Das sei nicht billiger, so die SPD-Abgeordnete.

Der erste Ansatzpunkt der Bundesregierung beim Thema Rente sei aber, für gute Löhne zu sorgen. „Ich kann das Rentenniveau noch so hochschrauben: Wenn ich einen schlechten Lohn gehabt oder lange Teilzeit gearbeitet habe, wird auch ein höheres Rentenniveau nicht zu einer armutsfesten Rente führen.“

Schmidt lehnt es ab, das Renteneintrittsalter pauschal für alle Beschäftigten über 67 Jahre hinaus zu erhöhen: „Das trifft ganz besonders diejenigen hart, die eine deutlich geringere Lebenserwartung haben, also vor allem Menschen in geringen Einkommensgruppen, die oft harte Arbeit leisten. Menschen mit geringem sozioökonomischen Status haben bei uns eine deutlich geringere Lebenserwartung als in anderen Industrienationen. Dafür sollten wir uns schämen und ihnen nicht noch weiter die Renten kürzen.“

Das Wortlaut-Interview (Auszüge):

Frau Schmidt, das Rentenpaket II wurde von FDP-Fraktionschef Christian Dürr noch im Mai als „Jahrhundertreform“ bezeichnet. Haben Sie Sorge, dass der nun angekündigte „Herbst der Entscheidungen“ durch die FDP dem Projekt doch noch einen Strich durch die Rechnung macht?
Nein, denn das Kabinett hat das Rentenpaket beschlossen und deswegen gehe ich davon aus, dass wir als Ampel-Koalition es im Bundestag auch beschließen.

Würden Sie das Rentenpaket II auch mit solchen Superlativen beschreiben? Einige Kritiker nennen es im Gegenzug „einen kleinen Wurf“.
Ich bin mit Superlativen grundsätzlich vorsichtig. Aber: Wir senden ein sehr deutliches Signal der Sicherheit an jene, die heute arbeiten und wissen sollen, dass sie sich auf die gesetzliche Rente verlassen können. Denn für die allermeisten Menschen ist sie die Grundlage des Einkommens im Alter. Über einen langen Zeitraum bis 2040 geben wir den Menschen die Sicherheit, dass die Renten weiter mit den Löhnen steigen. Das ist in Zeiten, in denen große Angriffe auf den Sozialstaat gefahren werden, nicht Nichts.

Die 2018 beschlossene Haltelinie für das Rentenniveau von 48 Prozent soll über 2025 hinaus gelten. Sozialverbände argumentieren, auch 48 Prozent seien für eine armutsfeste Rente zu wenig.
Zuerst orientiert sich die Rente an dem, was ich während meines Arbeitslebens verdient und eingezahlt habe. Und deswegen ist unser erster Ansatzpunkt, für gute Löhne zu sorgen. Ich kann das Rentenniveau noch so hochschrauben: Wenn ich einen schlechten Lohn gehabt oder lange Teilzeit gearbeitet habe, wird auch ein höheres Rentenniveau nicht zu einer armutsfesten Rente führen. Für die SPD gilt deshalb: Gute Arbeit ist gut bezahlte Arbeit; Teilzeitbeschäftigte müssen die Möglichkeit haben, auch Vollzeit zu arbeiten; es braucht eine gute Kinderbetreuung. All das sind zentrale Punkte, die die Chance auf eine gute Rente deutlich erhöhen.

Wie sinnvoll ist überhaupt die Konzentration der Debatte auf das Rentenniveau, denn das bezieht sich auf sogenannte Standard-Rentner, die 45 Jahre den Durchschnittslohn verdient haben. Das trifft auf Millionen Menschen, vor allem Frauen und ostdeutsche Beschäftigte, gar nicht zu.
Das Rentenniveau ist wichtig, um deutlich zu machen: Die Renten sind an die Lohnentwicklung gekoppelt – und damit von der Wohlstandsentwicklung eben nicht abgekoppelt. Was die Frage von niedrigen Löhnen angeht: Darum kümmern wir uns, indem wir den Mindestlohn und die Tariflöhne im Blick haben, der Mindestlohn wurde bereits erhöht und am Tariftreuegesetz arbeiten wir mit Hochdruck.

Ohne Beitragssteigerungen wird es jedenfalls nicht gehen, dagegen laufen vor allem Wirtschaftsverbände Sturm, die diese zur Hälfte mittragen.
Natürlich klingen niedrigere Rentenbeiträge zunächst verlockend. Aber das bedeutet als erstes: Ich muss privat vorsorgen. Private Vorsorge ist dann aber nicht mehr paritätisch, denn dafür zahlt der Arbeitgeber nichts mehr, außer ich habe eine gute Betriebsrente. Das ist am Ende nicht billiger. Wir wollen nicht, dass die Renten sinken und mit den von uns kalkulierten Beitragssätzen ist es auch machbar. Die Rentenbeiträge gehen bei all unseren Kalkulationen auch nicht durch die Decke.

Die größte Herausforderung, der Renteneintritt der Babyboomer, erreicht bald seine Spitze. Hätte das Generationenkapital, die aktienbasierte Finanzspritze für die Rentenversicherung, nicht schon viel früher angelegt werden müssen?
Insgesamt steht unser Rentensystem finanziell gut da. Die Beiträge werden auch nicht ins unermessliche steigen. Man hätte, wie andere Länder das gemacht haben, sehr viel früher den Beitragssatz punktuell ansteigen lassen können, um vorbereitet zu sein. Wir waren in der Vorsorge nicht so gut wie andere Länder und müssen das jetzt nachholen. 

In diesem Zusammenhang wird gern auf Schweden oder Österreich verwiesen.
Das ist aber oft ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Gerade beim österreichischen System wird oft vergessen, dass man dort mindestens 15 Jahre einzahlen muss, um überhaupt einen Anspruch zu haben. Deswegen können wir nicht einfach sagen, wir machen es jetzt so wie in Österreich.

Neu im Spiel ist das private Altersvorsorgedepot, an dem das Bundesfinanzministerium arbeitet, eine ebenfalls staatlich geförderte Anlagemöglichkeit ohne Beitragsgarantie aber mit mehr Wahlfreiheit, mehr Risiko, mehr Rendite. Für wie notwendig halten Sie diese Pläne?
Die SPD hat nichts gegen private Vorsorge, aber man muss schon sehr genau prüfen, wie viel Steuergeld und Subventionen dort reingesteckt werden. Wer privat vorsorgen möchte, muss sich darauf verlassen können, dass er ein gutes Produkt bekommt. Wir wissen inzwischen, dass gerade in der Anfangszeit der Riester-Rente viele Produkte verkauft worden sind, die sich am Ende nicht so gut auszahlen. Unsere gesetzliche Rentenversicherung als Generationenvertrag hat uns dagegen bisher durch alle Höhen und Tiefen dieses Landes sicher begleitet. Es ist ein System, das sehr gut funktioniert, obwohl es schon zigmal für gescheitert erklärt wurde.

Quelle: Deutscher Bundestag

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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