Warum Deutschland das AV-Schlusslicht in der EU ist

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Nicht mal ein Drittel aller EU-Bürger verfügt über eine private Altersvorsorge. Das ist unbedenklich, sofern die staatliche Rentenversorgung für eine ausreichende Absicherung sorgt. Die Springer-Autoren Heinz Benölken und Nils Bröhl haben die Lage innerhalb Europas verglichen und stellen fest, dass Deutschland bei der Altersversorgung die rote Laterne hält.

Ein kurzer Blick ins Buch Altersvorsorge am Scheideweg: "Wer bekommt wie viel/wie wenig Rente im Vergleich zum letzten Einkommen? Die Basis ist die Netto-Ersatzquote (NE), das Verhältnis des Netto-Rentenanspruchs zum Netto-Arbeitsentgelt vor Renteneintritt in 18 EU-Ländern. Zwar haben nur 27 Prozent der EU-Bürger eine private Altersversorgung (AV), aber das ist nur dann bedenklich, wenn die gesetzliche Rentenversicherung, wie in Deutschland, nicht für einen auskömmlichen Versorgungsstatus im Rentneralter ausreicht. Bei den folgenden Vergleichen nehmen wir an, dass die jeweils nationale Kaufkraft - innerhalb der der Industrieländer in der EU eine vertretbare Annahme - zu den regionalen AV-Gegebenheiten passt.

Die Ergebnisse eines Vergleichs aus der "Welt am Sonntag" vom 2. Juli 2017 zeigen drei Gruppen:

  1. Sieben Länder mit einer NE von 80 Prozent und mehr: In den Niederlanden mit 95 Prozent, Österreich, Ungarn, Spanien, Portugal, Luxemburg (alle bei jeweils 90 Prozent) und Italien (80 Prozent) können Senioren von ihrer Rente auskömmlich leben. Ergänzende private Vorsorge ist in diesen Ländern im System nicht vorgesehen beziehungsweise der Eigeninitiativen überlassen.
  2. Es folgen sechs Länder mit einer NE von 70 bis 60 Prozent: Frankreich, Dänemark, Finnland, Schweden, Belgien und Estland. Auch diese Länder setzen (Ausnahme: Belgien) ausschließlich auf die gesetzliche Rente, die den Bürgern noch eine NE von 70 Prozent bringt.
  3. Das Schluss-Quintett bilden die Länder Griechenland, Polen (beide noch über 50 Prozent), Deutschland (48,6 Prozent), Irland (42 Prozent) und Großbritannien (38 Prozent). Deutsche erreichen auch mit privater Vorsorge in der Regel nur ein NE von 65 Prozent, also unterhalb des Gesamtversorgungsniveaus.

Der Durchschnitt der einbezogenen 18 EU-Länder liegt bei 70 Prozent (gesetzlich) beziehungsweise 73 Prozent (inklusive privater Vorsorge) klar vor Deutschland mit zusammen 67 Prozent: Damit ist Deutschland neben den Schwellenländern Polen und Griechenland ein EU-Schlusslicht in der AV.

Das Lehrstück für Deutschland: Die gesetzliche Rentenversicherung oberhalb einer NE von 50 Prozent stabilisieren (das ist beileibe keine primäre 'linke' Forderung, sondern ein Gebot der Menschenachtung und -würde) und private Vorsorge bei Riester und bAV mit engen Opting-out-Regeln obligatorisch machen. So können 70 bis 75 Prozent NE zusammenkommen, und damit ist Deutschland noch nicht unter den ersten sechs Ländern, also noch nicht in der Euro-League und noch zehn NE-Punkte von Champions-League-Plätzen entfernt: Es ist einer führenden Wirtschaftsnation unwürdig, wenn Deutschland als Export- und Beschäftigungsweltmeister zugleich auch Altersarmut-Europameister wird."

Lesetipp
Altersvorsorge am Scheideweg liefert eine umfassende Gesamtschau der deutschen Altersvorsorgesysteme. Vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase und der demografischen Entwicklung analysieren die Autoren Heinz Benölken und Nils Bröhl ausführlich die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Altersvorsorge-Schichten in Deutschland:
gesetzliche Rentenversicherung,
kapitalgedeckte Zusatzversorgung (Riester-Rente und betriebliche Altersvorsorge) sowie
Kapitalanlageprodukte.

Auf dieser Basis stellen sie als Vorschlag ein von ihnen entwickeltes neues Modell unter der Bezeichnung "AV 2030 plus" vor. Eine Betrachtung zur Integration von Alters-, Risiko- und Gesundheitsvorsorge rundet das Buch ab.

Heinz Benölken, Nils Bröhl
Altersvorsorge am Scheideweg

Erfolgreiche Strategien gegen Altersarmut
Springer Gabler 2018
eBook: ISBN 978-3-658-21837-9, 26,99 Euro
Softcover: SBN 978-3-658-21836-2, 34,99 Euro

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Cover Benölken 2018

Autor(en): Versicherungsmagazin.de

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