Sind die Wahltarife der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein Zeichen der Annäherung an das System der privaten Krankenversicherung (PKV) oder ein systemfremdes, ja sogar rechtlich bedenkliches Element innerhalb von Körperschaften des öffentlichen Rechts? Ein Streitgespräch in Berlin brachte auch keine wirkliche Erhellung.
Beide Protagonisten, die während einer Fachveranstaltung des Vereins zur Förderung der Versicherungswissenschaft in Berlin e. V. zu Wort kamen, vertraten ihren jeweiligen Standpunkt sehr engagiert und pointiert: Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, auf der einen und Roland Weber, Vorstandsmitglied der Debeka Versicherung, auf der anderen Seite. Beide -und das war eigentlich die einzige wirkliche Übereinstimmung - betonten, dass das deutsche Gesundheitssystem ungeachtet aller Probleme zu den besten in Europa gehört.
Komplette Durchlässigkeit gewünscht
Zusatz- und Wahltarife, wie sie durch die gesetzlichen Kassen seit 2004 angeboten werden können, seien aus verschiedenen Gründen günstig für die Kunden, betonte Graalmann: Vor allem, weil diese sich verschiedene Leistungen aus einer Hand wünschen. Die Kritik, dass die GKV-Tarife versicherungsmathematisch nicht durchkalkuliert seien, wies er von sich. Die AOK biete nur solche Tarife an, die sie auch guten Gewissens verantworten könne. Produkte, die sich nur mit Gesundheitsprüfung, Alterungsrückstellung und Altersbegrenzung seriös kalkulieren lassen, biete die AOK grundsätzlich nicht an.
Kostenerstattungen, Selbstbehalte, Leistungsergänzungen und Tarife für bestimmte Kundengruppen seien hingegen einfach zu kalkulieren und ungefährlich. Auch Quersubventionierungen zwischen Wahltarifen und Pflichtversicherung, wie sie den gesetzlichen Kassen vielfach vorgeworfen werden, gebe es in seinen Häusern nicht. Als wichtige Aufgaben der kommenden Legislaturperiode - unabhängig davon, welche Parteien die Regierung bilden - nannte er neben der Pflegeabsicherung und einer dringend nötigen Reform der Arzthonorare eine Neudefinition der Schnittstellen zwischen GKV und GKV. Er forderte eine hundertprozentige Durchlässigkeit zwischen beiden Systemen und in beide Richtungen.
Keine Tarife ohne Alterungsrückstellungen
Debeka-Vorstand Weber hingegen wehrt sich gegen Konvergenzbewegungen, wie sie sich in den Wahltarifen der GKV zeigten. Weder gebe es beim Vertrieb dieser Tarife ausreichend Verbraucherschutz, da zum Beispiel die Qualifikation der Kassenmitarbeiter anders als die der Versicherungsvertriebe nicht gesetzlich geregelt sei und zudem Tarife geschlossen werden könnten, wie der Tarif "TK Privat" der Techniker Krankenkasse verdeutliche. "Ein Aktuar hätte sich strafbar gemacht, wenn er einen solchen unterkalkulierten Tarif entwickelt hätte", schimpfte er.
Aber auch europarechtlich gebe es Bedenken, da gesetzliche Krankenkassen durch das Angebot von Wahltarifen zu wirtschaftlichen Unternehmen würden, die aufgrund ihrer Marktmacht - sie haben einen Marktanteil von 90 Prozent - den Wettbewerb gefährden könnten. Wenn, dann müssten ihre Privilegien abgeschafft werden, forderte Weber weiter. Dann müssten zum Beispiel Gewerbe- und Körperschaftssteuer gezahlt, Eigenkapital vorgehalten werden und andere Privilegien wegfallen wie das der millionenfachen Kundenadressen, über die die PKV nicht verfüge.
Tarife ohne Alterungsrückstellung, kritisierte er mit Seitenblick auf die GKV, halte er für schädlich, da Beitragssprünge bei Erreichen bestimmter Altersgruppen unausweichlich seien, wie er am Beispiel des Tarifs "K 100" (Kostenerstattung) der Barmer Gek verdeutlichte (siehe Grafik). Insgesamt schließt er sich der Meinung des Deutschen Juristentages an, der kürzlich empfohlen hat, die Ermächtigung zum Angebot von Wahltarifen an die GKV wieder abzuschaffen. "Zusatztarife gehören in die PKV", so sein eindeutiges Fazit. Im Übrigen sei auch das Votum der Versicherten eindeutig: Rund 17 Millionen Zusatztarifen bei der PKV stünden nur elf Millionen Wahltarife bei der GKV gegenüber, von denen 9,6 den Tarif "Besondere Versorgungsformen" gewählt hätten, für den kein Zusatzbeitrag erforderlich sei.
Beide Protagonisten, die während einer Fachveranstaltung des Vereins zur Förderung der Versicherungswissenschaft in Berlin e. V. zu Wort kamen, vertraten ihren jeweiligen Standpunkt sehr engagiert und pointiert: Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, auf der einen und Roland Weber, Vorstandsmitglied der Debeka Versicherung, auf der anderen Seite. Beide -und das war eigentlich die einzige wirkliche Übereinstimmung - betonten, dass das deutsche Gesundheitssystem ungeachtet aller Probleme zu den besten in Europa gehört.
Komplette Durchlässigkeit gewünscht
Zusatz- und Wahltarife, wie sie durch die gesetzlichen Kassen seit 2004 angeboten werden können, seien aus verschiedenen Gründen günstig für die Kunden, betonte Graalmann: Vor allem, weil diese sich verschiedene Leistungen aus einer Hand wünschen. Die Kritik, dass die GKV-Tarife versicherungsmathematisch nicht durchkalkuliert seien, wies er von sich. Die AOK biete nur solche Tarife an, die sie auch guten Gewissens verantworten könne. Produkte, die sich nur mit Gesundheitsprüfung, Alterungsrückstellung und Altersbegrenzung seriös kalkulieren lassen, biete die AOK grundsätzlich nicht an.
Kostenerstattungen, Selbstbehalte, Leistungsergänzungen und Tarife für bestimmte Kundengruppen seien hingegen einfach zu kalkulieren und ungefährlich. Auch Quersubventionierungen zwischen Wahltarifen und Pflichtversicherung, wie sie den gesetzlichen Kassen vielfach vorgeworfen werden, gebe es in seinen Häusern nicht. Als wichtige Aufgaben der kommenden Legislaturperiode - unabhängig davon, welche Parteien die Regierung bilden - nannte er neben der Pflegeabsicherung und einer dringend nötigen Reform der Arzthonorare eine Neudefinition der Schnittstellen zwischen GKV und GKV. Er forderte eine hundertprozentige Durchlässigkeit zwischen beiden Systemen und in beide Richtungen.
Keine Tarife ohne Alterungsrückstellungen
Debeka-Vorstand Weber hingegen wehrt sich gegen Konvergenzbewegungen, wie sie sich in den Wahltarifen der GKV zeigten. Weder gebe es beim Vertrieb dieser Tarife ausreichend Verbraucherschutz, da zum Beispiel die Qualifikation der Kassenmitarbeiter anders als die der Versicherungsvertriebe nicht gesetzlich geregelt sei und zudem Tarife geschlossen werden könnten, wie der Tarif "TK Privat" der Techniker Krankenkasse verdeutliche. "Ein Aktuar hätte sich strafbar gemacht, wenn er einen solchen unterkalkulierten Tarif entwickelt hätte", schimpfte er.
Aber auch europarechtlich gebe es Bedenken, da gesetzliche Krankenkassen durch das Angebot von Wahltarifen zu wirtschaftlichen Unternehmen würden, die aufgrund ihrer Marktmacht - sie haben einen Marktanteil von 90 Prozent - den Wettbewerb gefährden könnten. Wenn, dann müssten ihre Privilegien abgeschafft werden, forderte Weber weiter. Dann müssten zum Beispiel Gewerbe- und Körperschaftssteuer gezahlt, Eigenkapital vorgehalten werden und andere Privilegien wegfallen wie das der millionenfachen Kundenadressen, über die die PKV nicht verfüge.
Tarife ohne Alterungsrückstellung, kritisierte er mit Seitenblick auf die GKV, halte er für schädlich, da Beitragssprünge bei Erreichen bestimmter Altersgruppen unausweichlich seien, wie er am Beispiel des Tarifs "K 100" (Kostenerstattung) der Barmer Gek verdeutlichte (siehe Grafik). Insgesamt schließt er sich der Meinung des Deutschen Juristentages an, der kürzlich empfohlen hat, die Ermächtigung zum Angebot von Wahltarifen an die GKV wieder abzuschaffen. "Zusatztarife gehören in die PKV", so sein eindeutiges Fazit. Im Übrigen sei auch das Votum der Versicherten eindeutig: Rund 17 Millionen Zusatztarifen bei der PKV stünden nur elf Millionen Wahltarife bei der GKV gegenüber, von denen 9,6 den Tarif "Besondere Versorgungsformen" gewählt hätten, für den kein Zusatzbeitrag erforderlich sei.
Autor(en): Elke Pohl