Bei der Jahrestagung des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft stritten Branchenvertreter, Verbraucherschützer und externe Beobachter über Ursachen für das schlechte Bild der Versicherungswirtschaft und die Rezepte zur Beseitigung. "150 Jahre schlechtes Image haben der Branche offensichtlich nicht geschadet", so Dr. Marc Surminski, Chefredakteur der "Zeitschrift für Versicherungswesen, in seinem Abriss zum Thema "Die Versicherung in der öffentlichen Wahrnehmung".
Darin erinnerte er an den "historischen Punkt, wo das Image gekippt ist". Diesen macht er Mitte des 19. Jahrhunderts aus, als Versicherungen zum Massenprodukt und damit auch zum Gegenstand eines Massenvertriebs wurden. Die heute heftig diskutierte Abschlussprovision in der Lebensversicherung förderte diesen Trend, dient sie doch zur Finanzierung der Existenzgründung.
Versicherungen werden gebraucht
Das genau darf aber heute nicht mehr die Aufgabe der Versicherten sein, mahnte Lars Gatschke, Versicherungsreferent beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Wenn die Versicherer in Vermittler investieren wollen, sollten sie das mit ihrem eigenen Kapital und nicht dem Geld der Versicherten tun. "Die Branche hat nicht nur ein Imageproblem, sondern teilweise auch strukturelle Probleme", fasste Gatschke seine Kritik zusammen. Dabei hob er einige Bemühungen der Branche durchaus lobend hervor. Die Einrichtung des Versicherungsombudsmanns oder auch die neu geregelte Datenbank HIS seien zum Wohl der Verbraucher gelungen. Überhaupt seien Versicherungen "eine sinnvolle Sache, soweit es um existenzbedrohende Risiken geht". Dazu zählten dann allerdings wohl kaum Handyversicherungen, sondern ein Muss für jeden Verbraucher seien Kranken-, Privathaftpflicht-, Autohaftpflicht-, Berufsunfähigkeits- und Elementarversicherung für Gebäude.
Uneinig waren sich die Referenten und Diskutanten darüber, ob das schlechte Image auf ungerechtfertigte Vorwürfe zur Schadenregulierung zurückzuführen sind, wie es GDV-Präsident Dr. Alexander Erdland mit Blick vor allem auf die ARD-Sendung "Die Nein-Sager" beklagte. Immerhin hatte die Sendung das Bundesjustizministerium auf den Plan gerufen. Das wiederum befragte die Gerichte und den Versicherungsombudsmann, ob es Hinweise auf systematische Hinhaltetaktiken der Versicherer gibt. Laut Versicherungsombudsmann Professor Dr. Günter Hirsch konnten die Befragten diesen bösen Verdacht nicht bestätigen. Vielmehr wurden offenbar Einzelfälle thematisiert, wie auch in einem Schlagabtausch zwischen Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität Berlin und Beiratsvorsitzender beim Bund der Versicherten sowie Branchenvertretern deutlich wurde.
Kostendruck und Internet verändern Journalismus
Eine weitere Quelle des schlechten Images könnte die Presse sein, referierte Surminski in seinem Vortrag. Die Versicherungsbranche sei ein dankbares Opfer aufgrund des ohnehin schlechten Images. Dies treffe aktuell mit zwei Trends zusammen, einer zunehmenden Boulevarisierung selbst ursprünglich seriöser Wirtschaftsmedien wie dem "Handelsblatt" und einem zunehmenden Verbraucherjournalismus.
Dabei werde von vornherein Partei ergriffen für die Seite derjenigen, die nach dem "Robin Hood-Schema" als Entrechtete sich ihrer Haut wehren müssten. Das Internet beflügelt seiner Ansicht nach diesen Trend, weil es "ganz neue Formen der Öffentlichkeit" ermögliche mit "gewaltiger Reichweite" und "extremer Geschwindigkeit", die es kaum mehr möglich mache, dass Betroffene sich dagegen wehren könnten. Ursächlich sei auch der gestiegene Kostendruck der Medien und die Ausdünnung der Redaktionen, vor allem Fachleute fehlten immer mehr.
Schöne Geschichten und hässliche Skandale
Eine "neue Härte in der Berichterstattung" sah auch Erdland, bekannte aber auch selbstkritisch, dass die Branche selbst unnötige Schlagzeilen über Verfehlungen und Skandale zugeliefert hat. Die Öffentlichkeitsarbeit will der GDV zur weiteren Säule der Verbandsarbeit ausbauen und "Geschichten über Ja-Sager" verbreiten, über die vielen regulierten Schäden und zufriedenen Kunden.
Das aber war den Diskussionsteilnehmern zu wenig. So warf Gatschke den Versicherern ein übergroßes "Beharrungsvermögen" vor. Am Beispiel der Rückkaufswerte in der Lebensversicherung zeigte er auf, dass die Versicherer sich wiederholt erst von obersten deutschen Gerichten zu einem verbraucherfreundlichen Verhalten mahnen lassen müssen. Auch Schwintowski hieb in diese Kerbe und zeigte als Vision das Bild einer Branche, die sich ihrem Selbstverständnis entsprechend als oberster Kundenvertreter verstehen und deshalb selbst kundenfreundliche Innovationen und Gesetzesänderungen anstoßen oder erklagen sollten. Ob damit allerdings "Lieschen Müller", für die Gatschke eine Besserstellung bei den Bewertungsreserven erreichen will - "sie will einfach Geld sehen"- auch nachhaltig entgegen allen Wirtschaftlichkeitsanforderungen zufrieden gestellt werden kann, wurde in der Diskussion nicht geklärt.
Überhaupt erregt die Lebensversicherung in die Diskussion um die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven die Gemüter. Erdland räumte ein, "es könnte sein, dass zu viele Erwartungen an das Produkt geknüpft sind", und zwar auch auf Versichererseite. Eine Rückbesinnung täte Not, dass Lebensversicherungen nicht in erster Linie Renditeerwartungen und Steuersparmotive erfüllen, sondern "eine lebenslange Rente als die große Leistung" erbringen soll. Außerdem forderte Erdland weitere Anstrengungen, die Bedingungswerke sprachlich verständlicher zu fassen und kündigte weitere, entsprechende Verbandsvorschläge zu verschiedenen Sparten an.
Vertrauensbruch als Beschwerdeursache
Gatschke kritisierte, dass Versicherer und Vertrieb das Produktinformationsblatt nicht sinnvoll einsetzten. Es werde aufbereitet wie Werbematerial, das in der Flut anderer Unterlagen untergeht und keinen Nutzen stifte. Vielmehr müsse dies in den Beratungsprozess eingebaut und dem Kunden erläutert werden.
Ombudsmann Hirsch widersprach manchen Darstellungen von Berufsverbänden, wonach der Vertrieb kaum nennenswerter Auslöser von Kundenbeschwerden sei. Vielmehr sei sehr häufig ein Motiv für Beschwerden, dass Kunden sich getäuscht und nicht ihrem Bedarf entsprechend beraten sähen. Das sei fatal, denn die Produkte würden nie so einfach werden können, dass der Verbraucher sie leicht verstehe - er müsse letztendlich dem Vermittler trauen. Ein künftiges Betätigungsfeld sieht Hirsch zudem in den zunehmenden Online-Abschlüssen, weil hier auch die Vertrauensperson fehle.
Image hoffentlich bald nicht mehr ganz so schlimm
"Ein Superimage wird die Branche nie bekommen", meinte Surminski abschließend. Aber es wäre schon viel gewonnen, wenn durch gemeinsame Anstrengungen an verschiedenen Baustellen, durch Befolgung des Verhaltenskodexes für den Vertrieb und Selbstregulierungsmaßnahmen wie den Verein Ehrbarer Versicherungskaufleute oder gut beraten das Image in absehbarer Zeit zumindest "nicht mehr ganz so schlimm" sei.
Darin erinnerte er an den "historischen Punkt, wo das Image gekippt ist". Diesen macht er Mitte des 19. Jahrhunderts aus, als Versicherungen zum Massenprodukt und damit auch zum Gegenstand eines Massenvertriebs wurden. Die heute heftig diskutierte Abschlussprovision in der Lebensversicherung förderte diesen Trend, dient sie doch zur Finanzierung der Existenzgründung.
Versicherungen werden gebraucht
Das genau darf aber heute nicht mehr die Aufgabe der Versicherten sein, mahnte Lars Gatschke, Versicherungsreferent beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Wenn die Versicherer in Vermittler investieren wollen, sollten sie das mit ihrem eigenen Kapital und nicht dem Geld der Versicherten tun. "Die Branche hat nicht nur ein Imageproblem, sondern teilweise auch strukturelle Probleme", fasste Gatschke seine Kritik zusammen. Dabei hob er einige Bemühungen der Branche durchaus lobend hervor. Die Einrichtung des Versicherungsombudsmanns oder auch die neu geregelte Datenbank HIS seien zum Wohl der Verbraucher gelungen. Überhaupt seien Versicherungen "eine sinnvolle Sache, soweit es um existenzbedrohende Risiken geht". Dazu zählten dann allerdings wohl kaum Handyversicherungen, sondern ein Muss für jeden Verbraucher seien Kranken-, Privathaftpflicht-, Autohaftpflicht-, Berufsunfähigkeits- und Elementarversicherung für Gebäude.
Uneinig waren sich die Referenten und Diskutanten darüber, ob das schlechte Image auf ungerechtfertigte Vorwürfe zur Schadenregulierung zurückzuführen sind, wie es GDV-Präsident Dr. Alexander Erdland mit Blick vor allem auf die ARD-Sendung "Die Nein-Sager" beklagte. Immerhin hatte die Sendung das Bundesjustizministerium auf den Plan gerufen. Das wiederum befragte die Gerichte und den Versicherungsombudsmann, ob es Hinweise auf systematische Hinhaltetaktiken der Versicherer gibt. Laut Versicherungsombudsmann Professor Dr. Günter Hirsch konnten die Befragten diesen bösen Verdacht nicht bestätigen. Vielmehr wurden offenbar Einzelfälle thematisiert, wie auch in einem Schlagabtausch zwischen Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt-Universität Berlin und Beiratsvorsitzender beim Bund der Versicherten sowie Branchenvertretern deutlich wurde.
Kostendruck und Internet verändern Journalismus
Eine weitere Quelle des schlechten Images könnte die Presse sein, referierte Surminski in seinem Vortrag. Die Versicherungsbranche sei ein dankbares Opfer aufgrund des ohnehin schlechten Images. Dies treffe aktuell mit zwei Trends zusammen, einer zunehmenden Boulevarisierung selbst ursprünglich seriöser Wirtschaftsmedien wie dem "Handelsblatt" und einem zunehmenden Verbraucherjournalismus.
Dabei werde von vornherein Partei ergriffen für die Seite derjenigen, die nach dem "Robin Hood-Schema" als Entrechtete sich ihrer Haut wehren müssten. Das Internet beflügelt seiner Ansicht nach diesen Trend, weil es "ganz neue Formen der Öffentlichkeit" ermögliche mit "gewaltiger Reichweite" und "extremer Geschwindigkeit", die es kaum mehr möglich mache, dass Betroffene sich dagegen wehren könnten. Ursächlich sei auch der gestiegene Kostendruck der Medien und die Ausdünnung der Redaktionen, vor allem Fachleute fehlten immer mehr.
Schöne Geschichten und hässliche Skandale
Eine "neue Härte in der Berichterstattung" sah auch Erdland, bekannte aber auch selbstkritisch, dass die Branche selbst unnötige Schlagzeilen über Verfehlungen und Skandale zugeliefert hat. Die Öffentlichkeitsarbeit will der GDV zur weiteren Säule der Verbandsarbeit ausbauen und "Geschichten über Ja-Sager" verbreiten, über die vielen regulierten Schäden und zufriedenen Kunden.
Das aber war den Diskussionsteilnehmern zu wenig. So warf Gatschke den Versicherern ein übergroßes "Beharrungsvermögen" vor. Am Beispiel der Rückkaufswerte in der Lebensversicherung zeigte er auf, dass die Versicherer sich wiederholt erst von obersten deutschen Gerichten zu einem verbraucherfreundlichen Verhalten mahnen lassen müssen. Auch Schwintowski hieb in diese Kerbe und zeigte als Vision das Bild einer Branche, die sich ihrem Selbstverständnis entsprechend als oberster Kundenvertreter verstehen und deshalb selbst kundenfreundliche Innovationen und Gesetzesänderungen anstoßen oder erklagen sollten. Ob damit allerdings "Lieschen Müller", für die Gatschke eine Besserstellung bei den Bewertungsreserven erreichen will - "sie will einfach Geld sehen"- auch nachhaltig entgegen allen Wirtschaftlichkeitsanforderungen zufrieden gestellt werden kann, wurde in der Diskussion nicht geklärt.
Überhaupt erregt die Lebensversicherung in die Diskussion um die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven die Gemüter. Erdland räumte ein, "es könnte sein, dass zu viele Erwartungen an das Produkt geknüpft sind", und zwar auch auf Versichererseite. Eine Rückbesinnung täte Not, dass Lebensversicherungen nicht in erster Linie Renditeerwartungen und Steuersparmotive erfüllen, sondern "eine lebenslange Rente als die große Leistung" erbringen soll. Außerdem forderte Erdland weitere Anstrengungen, die Bedingungswerke sprachlich verständlicher zu fassen und kündigte weitere, entsprechende Verbandsvorschläge zu verschiedenen Sparten an.
Vertrauensbruch als Beschwerdeursache
Gatschke kritisierte, dass Versicherer und Vertrieb das Produktinformationsblatt nicht sinnvoll einsetzten. Es werde aufbereitet wie Werbematerial, das in der Flut anderer Unterlagen untergeht und keinen Nutzen stifte. Vielmehr müsse dies in den Beratungsprozess eingebaut und dem Kunden erläutert werden.
Ombudsmann Hirsch widersprach manchen Darstellungen von Berufsverbänden, wonach der Vertrieb kaum nennenswerter Auslöser von Kundenbeschwerden sei. Vielmehr sei sehr häufig ein Motiv für Beschwerden, dass Kunden sich getäuscht und nicht ihrem Bedarf entsprechend beraten sähen. Das sei fatal, denn die Produkte würden nie so einfach werden können, dass der Verbraucher sie leicht verstehe - er müsse letztendlich dem Vermittler trauen. Ein künftiges Betätigungsfeld sieht Hirsch zudem in den zunehmenden Online-Abschlüssen, weil hier auch die Vertrauensperson fehle.
Image hoffentlich bald nicht mehr ganz so schlimm
"Ein Superimage wird die Branche nie bekommen", meinte Surminski abschließend. Aber es wäre schon viel gewonnen, wenn durch gemeinsame Anstrengungen an verschiedenen Baustellen, durch Befolgung des Verhaltenskodexes für den Vertrieb und Selbstregulierungsmaßnahmen wie den Verein Ehrbarer Versicherungskaufleute oder gut beraten das Image in absehbarer Zeit zumindest "nicht mehr ganz so schlimm" sei.
Autor(en): Matthias Beenken