In den ersten Stellungnahmen zu der vergangene Woche vom Europäischen Parlament beschlossenen, neuen Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) wird hervorgehoben, dass Versicherungsvermittler in Sachen Vergütung weniger scharf reguliert werden als Finanzvermittler. Das ist so pauschal nicht richtig.
Die Insurance Distribution Directive, die die geltende EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie IMD ablöst, hat letzte Woche eine . Wenn nun auch der EU-Ministerrat zustimmt, kann sie ins Amtsblatt der EU und damit auch kurze Zeit später in Kraft treten.
Manche Medien haben fälschlich gemeldet, die Richtlinie würde erst 2017 in Kraft treten, dabei wurde das Inkrafttreten mit der Übergangszeit für die Umsetzung verwechselt. Diese beträgt zwei Jahre ab Inkrafttreten und wird nach jetzigem Stand Ende 2017 oder Anfang 2018 auslaufen.
Umsetzung noch vor der Bundestagswahl?
In diese Phase fällt allerdings die Bundestagswahl im Herbst 2017. Ministerialrat Dr. Erich Paetz vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zeigte sich auf der DKM optimistisch, dass die Umsetzung der IDD noch vor dem einsetzenden Bundestagswahlkampf gelingen kann. Angesichts der vielen Neuerungen der Richtlinie ist dies eine durchaus mutige Aussage.
Beispielsweise ist ein Kernanliegen der Richtlinie die Behandlung von Interessenkonflikten. Diese werden beispielsweise dann erkannt, wenn ein Vermittler zwischen Versicherer und Kunde steht und vorgeblich den Kunden an dessen Bedürfnissen orientiert berät, tatsächlich aber möglicherweise Anreizen des Versicherers wie Vergütungen, Geschäftsplänen, Weisungen, eingeschränktem Produktangebot und Ähnlichem unterliegt.
Abstrakte Mitteilung der Vergütungsart reicht Kritikern nicht
Solche Interessenkonflikte sollen den Kunden deutlich gemacht und ihm damit Gelegenheit gegeben werden, sie kritisch zu hinterfragen. Der über Jahre ausgehandelte Kompromiss in der IDD dazu lautet, dass der Vermittler dem Kunden lediglich mitteilen muss, welche Art von Vergütung er erhält, und von wem.
Das ist Kritikern zu wenig. Beispielsweise meint Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, dass die neue Richtlinie zwar einen deutlichen Fortschritt in Sachen Verbraucherschutz bedeutet. Aber: „Das Ziel gleicher Rahmenbedingungen für Produkte, die direkt miteinander im Wettbewerb stehen, wurde jedoch verfehlt. So dürfen Vermittler von Kapitallebensversicherungen weiterhin Provisionen kassieren, ohne die Beträge den Kunden offenlegen zu müssen. Beim Vertrieb von Investmentfonds müssen die Vermittler dagegen Transparenz herstellen.“
Tatsächlich sieht die IDD jedenfalls nach dem letzten, bekannten Textstand von Anfang November deutlich mehr vor als nur die erwähnte abstrakte Information (Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe e).
Vertriebssteuerung stark eingeschränkt
Das beginnt in Artikel 17 Absatz 1 mit der Aussage, „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Versicherungsvertreiber bei ihrer Versicherungsvertriebstätigkeit gegenüber ihren Kunden stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln.“ Das „bestmögliche Interesse“ kann die interessante Frage aufwerfen, ob damit selbst Vermittler, die durch einen Vertreter- oder einen Anstellungsvertrag an einen Versicherer und dessen Interessen gebunden sind, im Zweifel gegen die Interessen ihres Auftraggebers oder Arbeitgebers verstoßen müssen.
Noch deutlicher wird der dritte Absatz desselben Artikels: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Versicherungsvertreiber nicht in einer Weise vergütet werden oder die Leistung ihrer Angestellten nicht in einer Weise vergüten oder bewerten, die mit ihrer Pflicht, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, kollidiert. Insbesondere trifft ein Versicherungsvertreiber keine Vorkehrungen durch Vergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise, durch die Anreize für ihn selbst oder seine Angestellten geschaffen werden könnten, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl der Versicherungsvertreiber ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnte.“
Mit dieser Aussage werden die klassische Vertriebssteuerung und damit die wirtschaftliche Freiheit von Versicherern beschränkt, über die bevorzugt abzusetzenden Produkte zu entscheiden. Das ist ungefähr so, als würde man einen Autohersteller zwingen, seinem Kunden einen spritsparenden Kleinwagen zu verkaufen, wenn dieser seinen objektiven Bedarf erfüllt, obwohl der Kunde eigentlich lieber einen verbrauchsintensiven, großen SUV haben möchte.
Was ist das „bestmögliche Interesse“ des Kunden?
Weiter stellt sich die Frage, wer festlegt, was „den Bedürfnissen des Kunden“ entspricht. Abgesehen von wenigen Pflichtversicherungen und vielleicht noch der Privathaftpflichtversicherung gibt es zwischen Verbraucherschützern und Versicherern kaum Einigkeit darüber, welche Versicherungsprodukte dem „bestmöglichen Interesse“ von welchen Kunden entsprechen.
Häufiger wird von Verbraucherschützern unterstellt, dass Verbraucher absolut rationale Wesen seien, die ein hohes Interesse an Finanzmärkten besitzen und deshalb ihre Vorsorge planvoll und renditeträchtig über Jahrzehnte hin mit je nach Marktlage wechselnden Finanzinstrumenten betreiben. Solche Kunden brauchen keinen Versicherer, der sie mit sanftem Druck dazu anhält, auch wirklich für das Alter und nicht für das nächste neue Auto zu sparen.
Wieder andere Verbraucherschützer setzen dem das radikale Gegenmodell einer (Wieder-) Ausweitung der gesetzlichen Versicherungen als Königsweg guter Vorsorge entgegen. Allein daran erkennt man, dass es kein brancheneinheitliches Verständnis der besten Interessen der Kunden gibt, die als Maßstab für die Erfüllung dieser IDD-Anforderung taugen.
Mitgliedsstaatenoption als Einfallstor für Regulierungswut
Ein weiterer wichtiger Hinweis: Laut Artikel 22 Abs. 2 desselben IDD-Entwurfs dürfen „die Mitgliedstaaten (…) hinsichtlich der nach diesem Kapitel zu erteilenden Auskünfte strengere Vorschriften beibehalten oder erlassen, sofern sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind“. Das heißt mit anderen Worten, dass beispielsweise die vom Abgeordneten Giegold vermisste Provisionsoffenlegung oder gar ein Provisionsverbot weiterhin möglich sind, abhängig von der politischen Großwetterlage hierzulande. Diese Mitgliedsstaatenoption war notwendig, um denjenigen EU-Ländern entgegenzukommen, die heute schon weitergehende Vorgaben besitzen.
Was der Artikel 29 Absatz 3 des IDD-Entwurfs sagt
Besonders nahegelegt wird das bei Versicherungsanlageprodukten, also für einen Großteil der kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen. Artikel 29 Absatz 3 des IDD-Entwurfs führt dazu aus: „Die Mitgliedstaaten können den Vertreibern strengere Anforderungen vorschreiben, die Sachverhalte betreffen, die durch diesen Artikel geregelt werden. Insbesondere können die Mitgliedstaaten zusätzlich das Anbieten oder Annehmen von Gebühren, Provisionen oder nichtmonetären Vorteilen einer dritten Partei für die Erbringung einer Versicherungsberatungsleistung verbieten oder weiter einschränken.“
Daher ist es derzeit deutlich zu früh, von einer nur smarten Regulierung des Themas Vermittlervergütungen zu sprechen. Dem deutschen Gesetzgeber, an einigen Stellen aber auch der Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA, wird viel Spielraum gegeben, den Wettbewerb am Versicherungsmarkt durch Regeln zur Vergütung nachhaltig zu verändern.
Bildquelle: ©Helma Spona / Picscout
Die Insurance Distribution Directive, die die geltende EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie IMD ablöst, hat letzte Woche eine . Wenn nun auch der EU-Ministerrat zustimmt, kann sie ins Amtsblatt der EU und damit auch kurze Zeit später in Kraft treten.
Manche Medien haben fälschlich gemeldet, die Richtlinie würde erst 2017 in Kraft treten, dabei wurde das Inkrafttreten mit der Übergangszeit für die Umsetzung verwechselt. Diese beträgt zwei Jahre ab Inkrafttreten und wird nach jetzigem Stand Ende 2017 oder Anfang 2018 auslaufen.
Umsetzung noch vor der Bundestagswahl?
In diese Phase fällt allerdings die Bundestagswahl im Herbst 2017. Ministerialrat Dr. Erich Paetz vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zeigte sich auf der DKM optimistisch, dass die Umsetzung der IDD noch vor dem einsetzenden Bundestagswahlkampf gelingen kann. Angesichts der vielen Neuerungen der Richtlinie ist dies eine durchaus mutige Aussage.
Beispielsweise ist ein Kernanliegen der Richtlinie die Behandlung von Interessenkonflikten. Diese werden beispielsweise dann erkannt, wenn ein Vermittler zwischen Versicherer und Kunde steht und vorgeblich den Kunden an dessen Bedürfnissen orientiert berät, tatsächlich aber möglicherweise Anreizen des Versicherers wie Vergütungen, Geschäftsplänen, Weisungen, eingeschränktem Produktangebot und Ähnlichem unterliegt.
Abstrakte Mitteilung der Vergütungsart reicht Kritikern nicht
Solche Interessenkonflikte sollen den Kunden deutlich gemacht und ihm damit Gelegenheit gegeben werden, sie kritisch zu hinterfragen. Der über Jahre ausgehandelte Kompromiss in der IDD dazu lautet, dass der Vermittler dem Kunden lediglich mitteilen muss, welche Art von Vergütung er erhält, und von wem.
Das ist Kritikern zu wenig. Beispielsweise meint Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, dass die neue Richtlinie zwar einen deutlichen Fortschritt in Sachen Verbraucherschutz bedeutet. Aber: „Das Ziel gleicher Rahmenbedingungen für Produkte, die direkt miteinander im Wettbewerb stehen, wurde jedoch verfehlt. So dürfen Vermittler von Kapitallebensversicherungen weiterhin Provisionen kassieren, ohne die Beträge den Kunden offenlegen zu müssen. Beim Vertrieb von Investmentfonds müssen die Vermittler dagegen Transparenz herstellen.“
Tatsächlich sieht die IDD jedenfalls nach dem letzten, bekannten Textstand von Anfang November deutlich mehr vor als nur die erwähnte abstrakte Information (Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe e).
Vertriebssteuerung stark eingeschränkt
Das beginnt in Artikel 17 Absatz 1 mit der Aussage, „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Versicherungsvertreiber bei ihrer Versicherungsvertriebstätigkeit gegenüber ihren Kunden stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln.“ Das „bestmögliche Interesse“ kann die interessante Frage aufwerfen, ob damit selbst Vermittler, die durch einen Vertreter- oder einen Anstellungsvertrag an einen Versicherer und dessen Interessen gebunden sind, im Zweifel gegen die Interessen ihres Auftraggebers oder Arbeitgebers verstoßen müssen.
Noch deutlicher wird der dritte Absatz desselben Artikels: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Versicherungsvertreiber nicht in einer Weise vergütet werden oder die Leistung ihrer Angestellten nicht in einer Weise vergüten oder bewerten, die mit ihrer Pflicht, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, kollidiert. Insbesondere trifft ein Versicherungsvertreiber keine Vorkehrungen durch Vergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise, durch die Anreize für ihn selbst oder seine Angestellten geschaffen werden könnten, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl der Versicherungsvertreiber ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnte.“
Mit dieser Aussage werden die klassische Vertriebssteuerung und damit die wirtschaftliche Freiheit von Versicherern beschränkt, über die bevorzugt abzusetzenden Produkte zu entscheiden. Das ist ungefähr so, als würde man einen Autohersteller zwingen, seinem Kunden einen spritsparenden Kleinwagen zu verkaufen, wenn dieser seinen objektiven Bedarf erfüllt, obwohl der Kunde eigentlich lieber einen verbrauchsintensiven, großen SUV haben möchte.
Was ist das „bestmögliche Interesse“ des Kunden?
Weiter stellt sich die Frage, wer festlegt, was „den Bedürfnissen des Kunden“ entspricht. Abgesehen von wenigen Pflichtversicherungen und vielleicht noch der Privathaftpflichtversicherung gibt es zwischen Verbraucherschützern und Versicherern kaum Einigkeit darüber, welche Versicherungsprodukte dem „bestmöglichen Interesse“ von welchen Kunden entsprechen.
Häufiger wird von Verbraucherschützern unterstellt, dass Verbraucher absolut rationale Wesen seien, die ein hohes Interesse an Finanzmärkten besitzen und deshalb ihre Vorsorge planvoll und renditeträchtig über Jahrzehnte hin mit je nach Marktlage wechselnden Finanzinstrumenten betreiben. Solche Kunden brauchen keinen Versicherer, der sie mit sanftem Druck dazu anhält, auch wirklich für das Alter und nicht für das nächste neue Auto zu sparen.
Wieder andere Verbraucherschützer setzen dem das radikale Gegenmodell einer (Wieder-) Ausweitung der gesetzlichen Versicherungen als Königsweg guter Vorsorge entgegen. Allein daran erkennt man, dass es kein brancheneinheitliches Verständnis der besten Interessen der Kunden gibt, die als Maßstab für die Erfüllung dieser IDD-Anforderung taugen.
Mitgliedsstaatenoption als Einfallstor für Regulierungswut
Ein weiterer wichtiger Hinweis: Laut Artikel 22 Abs. 2 desselben IDD-Entwurfs dürfen „die Mitgliedstaaten (…) hinsichtlich der nach diesem Kapitel zu erteilenden Auskünfte strengere Vorschriften beibehalten oder erlassen, sofern sie mit dem Unionsrecht vereinbar sind“. Das heißt mit anderen Worten, dass beispielsweise die vom Abgeordneten Giegold vermisste Provisionsoffenlegung oder gar ein Provisionsverbot weiterhin möglich sind, abhängig von der politischen Großwetterlage hierzulande. Diese Mitgliedsstaatenoption war notwendig, um denjenigen EU-Ländern entgegenzukommen, die heute schon weitergehende Vorgaben besitzen.
Was der Artikel 29 Absatz 3 des IDD-Entwurfs sagt
Besonders nahegelegt wird das bei Versicherungsanlageprodukten, also für einen Großteil der kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen. Artikel 29 Absatz 3 des IDD-Entwurfs führt dazu aus: „Die Mitgliedstaaten können den Vertreibern strengere Anforderungen vorschreiben, die Sachverhalte betreffen, die durch diesen Artikel geregelt werden. Insbesondere können die Mitgliedstaaten zusätzlich das Anbieten oder Annehmen von Gebühren, Provisionen oder nichtmonetären Vorteilen einer dritten Partei für die Erbringung einer Versicherungsberatungsleistung verbieten oder weiter einschränken.“
Daher ist es derzeit deutlich zu früh, von einer nur smarten Regulierung des Themas Vermittlervergütungen zu sprechen. Dem deutschen Gesetzgeber, an einigen Stellen aber auch der Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA, wird viel Spielraum gegeben, den Wettbewerb am Versicherungsmarkt durch Regeln zur Vergütung nachhaltig zu verändern.
Bildquelle: ©Helma Spona / Picscout
Autor(en): Matthias Beenken