Urteil gegen Rechtsschutzversicherer: Schwere Schlappe für Schadenmanagement

Rechtsschutzversicherer dürfen in ihren Bedingungen die freie Anwaltswahl nicht einschränken. Das hat das Oberlandesgericht Bamberg in einem Verfahren gegen die Huk-Coburg entschieden (OLG Bamberg - Urteil vom 20. Juni 2012 - Az.: 3 U 236/11) Damit konnte sich die Rechtsanwaltskammer München im zweiten Verfahren durchsetzen. Streitpunkt ist das Schadenfreiheitsrabattsystem der Huk-Coburg. Es sieht eine variable Selbstbeteiligung von bis zu 300 Euro vor. Die Selbstbeteiligung wird aber nicht ausgelöst, wenn der Kunden im Schadenfall einen von der Huk-Coburg empfohlenen Anwalt nutzt.

So informiert der Versicherer seine Kunden wie folgt: "Es steht Ihnen frei, zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen in dieser Angelegenheit einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl zu beauftragen. Wir möchten Ihnen hierfür die Kanzlei (Name der Kanzlei, Anschrift, Telefonnummer, Faxnummer,Emailadresse) empfehlen. Folgen Sie unserer Anwaltsempfehlung und beauftragen Sie die genannte Kanzlei, entfällt die Rückstufung Ihrer Schadenfreiheitsklasse. Dadurch vermeiden Sie eine höhere Selbstbeteiligung im nächsten Rechtsschutzfall." Während das Landgericht Bamberg (Az.:1 O 336/10) die Einflussnahme des Versicherer auf die freie Anwaltswahl noch als vertretbar einstufte, räumte die OLG Bamberg mit diese Rechtsmeinung endgültig auf.

Freie Anwaltswahl darf nicht abgekauft werden
So entgehe dem Versicherten, der sich gegen die Wahl eines Anwalts der Huk-Coburg entscheide, die hierfür in Aussicht gestellte Belohnung. Dieser Nachteil sei eine mittelbare Beeinträchtigung des Rechts auf freie Anwaltswahl. Doch schon eine solche mittelbare Beeinträchtigung lässt nach Einschätzung des OLG Bamberg das Recht nicht zu. "Das Landgericht hat die Bedeutung des § 129 VVG verkannt. Gemäß § 129 VVG darf vom Recht auf freie Anwaltswahl nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden darf. Hierdurch wird § 127 VVG zur sogenannten halbzwingenden Vorschrift, also zu einer gesetzlichen Regelung mit verbraucherschützendem Charakter, von der nicht abgewichen und auf die nicht von vorneherein verzichtet werden darf". Die Kunden dürfen sich das Recht auf freie Anwaltswahl nicht einfach abkaufen lassen, meint das OLG.

Motivationssysteme am Ende
Die Entscheidung ist eine schwere Schlappe für das Schadenmanagement der Rechtsschutzversicherer. Immerhin melden sich rund 40 bis 50 Prozent der Kunden, die ein Rechtsproblem haben, noch ohne eigenen Anwalt bei ihrem Versicherer. Durch den Einsatz von Partneranwälten, mit denen die Versicherer Rationalisierungsabkommen geschlossen haben, können die Versicherungsunternehmen deutlich Kosten sparen. Immerhin zahlt die Branche jährlich schätzungsweise 1,8 Milliarden Euro an Rechtsanwaltsgebühren. Die Versicherer verweisen zudem darauf, dass sie schon in eigenem Interesse- um ihre Prozesschancen zu erhöhen - nur besonders qualifizierte Anwälte als Partner empfehlen. Damit hätte eine standardisierte Anwaltsempfehlung der Assekuranz zudem die Chance gegeben "Prozesshansel" unter den Anwälten aus den Schadenfällen herauszuhalten.

Nach Einschätzung der Huk-Coburg hat das Gericht somit "verbraucherfreundliche Bedingungen verboten". Ähnliche Geschäftsmodelle praktizieren beispielsweise die Concordia und die Deurag. Bisher wirkt das Urteil aber nur gegen die Huk-Coburg. Wird die Empfehlung mit Kopplung an das Schadenrabattfreiheitssystem nicht unterlassen, muss der Versicherer mit einer Strafe von 250.000 Euro rechnen. Gegen das Urteil ist aber eine Revision zum Bundesgerichtshof(BGH) zugelassen.

"Das Urteil zwingt uns, unsere Kunden schlechter zu behandeln, als wir es eigentlich wollen", kommentiert Ulrich Eberhardt, Vorstandsmitglied der Huk-Coburg-Rechtsschutzversicherung die Entscheidung. Daher erwägt der Versicherer, nach Prüfung der Begründung, eine Revision beim BGH einzulegen.

Bild:© Stephanie Hofschläger/

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

Alle Branche News