"Derzeit sind 22 Unternehmen in einer ernsten wirtschaftlichen Lage", behauptete der Bund der Versicherten (BdV) in einer Presseveröffentlichung am 30. Juli 2020. Soweit noch nicht geschehen, rechnen die Verbraucherschützer damit, dass diese Gesellschaften künftig in einen Run-Off gehen werden.
Die Bestände werden dann an Verwaltungsgesellschaften verkauft. „Im schlimmsten Fall müssen die Versicherten hinnehmen, dass ihre Verträge an eine Abwicklungsplattform verkauft werden, die dann zusammen mit der Aufsicht die Garantien kürzt und schließlich die Versicherten zum Zwangssparen verurteilt werden und kein Geld sehen“, wird Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV, in der Mitteilung zitiert.
Liste mit „angezählten“ Lebensversicherern
Der Verein versendet auf Anfrage die Liste „22 angezählte LV (Lebensversicherer – die Red.)“. Diese Versicherer werden als kurz vor einem wirtschaftlichen Knockout stehend dargestellt. Es sind: Bayerische Beamten LV a.G., Concordia oeco LV-AG, Debeka Leben V.V.a.G., DEVK LV a.G., Ergo LV AG, Frankfurt Münchener LV AG (vormals Arag LV AG), Frankfurter LV AG, HDI LV AG, Huk-Coburg-LV AG, Landeslebenshilfe V.V.a.G., Neue leben LV AG, Nürnberger Beamten LV AG, Öffentliche LVA Oldenburg, PB LV AG, R+V LV a.G., Rheinland LV AG, Signal Iduna LV a. G., Sparkassen-Versicherung Sachsen LV AG, Süddeutsche LV a.G., Universa LV a.G., VPV LV AG und VRK LV AG (vormals Familienfürsorge LV AG).
Recht erlaubt Übergangsmaßnahmen
Die Aussagen stützen sich laut BdV auf eine gemeinsame Analyse der Solvenzberichte (SFCR) der Lebensversicherer 2019 mit dem Analysten Carsten Zielke. Die dargestellten Unternehmen weisen entweder eine „reine“ Solvenzquote unter 100 aus, haben eine „negative“ Gewinnerwartung oder beides. Dabei dürfen alle Versicherer nach geltendem Aufsichtsrecht für eine Überganszeit bis 2032 bilanzielle Erleichterungen nutzen. Sie führen dann zu einer höheren Bedeckung durch Rückstellungen. Diese Werte liegen aktuell bei allen deutschen Lebensversicherern meist deutlich über 100 Prozent.
Aussagen „geschäftsschädigend“
Daher nennt die Bayerische Versicherung, die Aussagen über die Bayerische Beamten LV a.G. auch „geschäftsschädigend“ und einen „massiven Eingriff“ in den Geschäftsbetrieb. Die Behauptungen wären durch die Fakten nicht gerechtfertigt. Mittlerweile hätten anderer Medien die falsche Darstellung der "Studie" von Kleinlein/Zielke bereits mit einer Richtigstellung korrigiert und die Bayerische Beamten LV a.G aus der „Pseudo-Liste“ gestrichen. Solche Korrekturen scheinen den BdV aber wenig zu stören, denn der Versand der Liste „angezählte LV“ stammt vom 4. August 2020. Derzeit befindet sich die Bayerische aber bereits in „ernsten Gesprächen“, um auch vom BdV eine entsprechende Korrektur und Richtigstellung zu erhalten.
Run-Off nicht geplant
Auch andere Versicherer sehen sich falsch dargestellt. So befinde sich auch die R+V LV a.G nicht in einer „ernsten wirtschaftlichen Lage“. „Jeder Kunde kann sich darauf verlassen, dass die R+V auch in Zeiten von Niedrigzinsen sämtliche finanziellen Verpflichtungen dauerhaft erfüllt“, stellte ein Sprecher des Unternehmens klar. Die Gesellschaft besitze als Teil der Genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken die dafür notwendige Finanzstärke und eine solide Risikotragfähigkeit. Ein Run-Off sei zudem nicht geplant. „Wir tun alles dafür, dass sich unsere Kunden um ihre Garantien und Rückkaufswerte keine Sorgen machen müssen“, so der Sprecher.
Auch die Nürnberger Versicherungsgruppe wehrt sich gegen die Aussagen der Verbraucherschützer. Die Nürnberger Lebensversicherung AG (NLV) stehe mit überdurchschnittlichem Marktanteil, hervorragender Finanzstärke und attraktiven Überschussbeteiligungen bei ihren Kunden für Stabilität und Sicherheit. Weiter erläuterte das Unternehmen: „Die Exklusivtarife für den öffentlichen Dienst wurden in der Vergangenheit sowohl von der Nürnberger Beamten Lebensversicherung AG (NBL) wie auch von ihrer Muttergesellschaft NLV angeboten. Aus strategischen Gründen hatten wir uns entschieden, zukünftig die Produktlinie für den öffentlichen Dienst nur noch unter unserer Kernmarke NLV zu vermarkten.“ Für Kunden mit bestehenden Verträgen bei der NBL ändere sich nichts. „Sie bekommen alle zugesicherten Leistungen“, betonte ein Sprecher.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek