Bundeskanzler Olaf Scholz möchte, dass mehr Menschen bis zur Regelaltersgrenze arbeiten und nicht früher in Rente gehen. Erstaunlich, denn hatte nicht seine Partei SPD vor acht Jahren die so genannte Rente mit 63 Jahren durchgesetzt?
Langsam treten die negativen Auswirkungen der sozialdemokratisch geprägten Rentenpolitik der vergangenen Jahre klarer zu Tage. Eine gravierende Folge der Rente mit 63 Jahren ohne Abschläge ist der Fachkräftemangel in fast allen Branchen, denn mehr als zwei Millionen Beschäftigte haben seit ihrer Einführung davon Gebrauch gemacht. Mit einer Rolle rückwärts will Scholz nun erreichen, dass künftig mehr Menschen bis zum offiziellen Renteneintrittsalter von 67 Jahren arbeiten. Zu viele Beschäftigte würden bereits mit 63 oder 64 Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Wörtlich sagte er in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe: „Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Das fällt vielen heute schwer.“ Wie er diesen Anteil steigern will, lässt Scholz allerdings offen.
Appelle werden nicht reichen
Klar ist, dass Appelle das Problem alleine nicht lösen werden. Warum die Menschen früher in Rente gehen, kann viele Gründe haben. Auf jeden Fall ist es für sie offenbar attraktiver als in ihrem Job weiterzuarbeiten. Wenn Menschen diese gesetzliche Möglichkeiten annehmen, darf man es ihnen aber nicht zum Vorwurf machen. Aus individueller Sicht ist die Entscheidung sinnvoll, aus gesamtgesellschaftlicher Sicht fatal – auch wegen der fehlenden Einnahmen und erhöhten Ausgaben der Rentenkasse.
Die SPD bediente mit der Rente mit 63 ihre Kernwähler. Das sind Facharbeiter der geburtenstarken Jahrgänge, die mit 15 Jahren ihre Lehre begannen und später gut verdienten. Diese fehlen jetzt dem Arbeitsmarkt, der Fachkräftemangel hat sich durch diese Klientelpolitik verschärft.
Umlagesystem wird kollabieren
Zwar ist die Ampelkoalition mit großen Plänen zur Rentenreform gestartet, hat das Thema bisher nicht umgesetzt. Zugegebenermaßen waren mit dem Ukrainekrieg, Corona und explodierenden Energiepreisen andere Themen im Vordergrund. Aber dass der demografische Wandel die Finanzierung des Umlagesystems in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Reform erodieren lässt, ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Die Politik ist aber gerade dabei, dieses Problem auf die nächste Bundesregierung zu verschieben.
Die Ampel hat im Koalitionsvertrag eine weitere Anhebung des Rentenalters ausgeschlossen. Gleichzeitig das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent abgesichert werden, mit einer anderen Haltelinie soll verhindert werden, dass der Beitragssatz bis 2025 über 20 Prozent steigt. Damit hat sich die Politik jeden Handlungsspielraums beraubt. Da der Zuschuss des Bundeshaushalts in die Rentenkasse 2025 bei knapp 100 Milliarden Euro liegen wird, dürfte auch hier das Ende der Fahnenstange erreicht sein.
Renteneintritt flexibilisieren
Was bleibt, ist in erster Linie eine Flexibilisierung des Renteneintritts, wie es zum Beispiel die Regierungspartei FDP vorschlägt. Wie in Schweden könnten die Bürger innerhalb eines bestimmten Zeitkorridors entscheiden, wann sie in Rente gehen. Je früher sie gehen, umso weniger Rente erhalten sie. Letztendlich muss die Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Dafür hat sich auch der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums ausgesprochen.
Reformbedarf auch in der privaten Altersvorsorge
Die geplante Aktienrente wird das Problem in der gesetzlichen Rente nicht lösen können, da sie zu schwach ausgestattet ist und schlicht zu spät kommt. Neben der gesetzlichen Rente müsste es jetzt endlich auch losgehen mit der Reform der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Das Bundeskabinett hat daher Ende 2022 die Einsetzung einer „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ beschlossen, die das Problem angehen soll. Bis Mitte nächsten Jahres sollen Ergebnisse in Form eines Abschlussberichtes vorliegen. Es bleibt zu wünschen, dass echte Reformen dann auch zeitnah umgesetzt werden. Die Zeit drängt!
Übrigens: Eine kleine, aber hilfreiche Reform der Riester-Rente wäre mit einem Federstrich umsetzbar, man müsste nur die hundertprozentige Beitragsgarantie kippen.
Autor(en): Bernhard Rudolf