Rückversicherer mit dem Rücken zur Wand

Insgesamt gesehen sollen die Rückversicherer weltweit große Probleme haben – das jedenfalls vermuten Branchenkenner. Allein bei den vier Hurrikans der letzten Monate ist eine Gesamtschadensumme von rund 50 Milliarden Euro aufgelaufen. Für Teile davon müssen die Rückversicherer finanziell gerade stehen. Außerdem sollen Rückversicherer in eine Zivilklage involviert sein, die der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer gegen den weltgrößten Versicherungsmakler Marsh & McLennan angestrengt hat. Die Rückversicherer hierzulande halten dagegen. Sie stehen nach eigenen Aussagen nicht mit dem Rücken zur Wand.

Vielmehr verfügen sie nach eigenem Bekunden über gute Karten – gerade wegen der schlechten Witterungseinflüsse und Naturkatastrophen sowie noch nicht abschätzbarer Haftungsprobleme in der Pharma-Industrie für die Erneuerungsrunde mit den Erstversicherern. Als Trumpf spielen sie unter anderem auch die riesigen Schadensummen durch Hurrikans und Taifuns der letzten Wochen aus. Das sei für sie Anlass genug, um von ihren Kunden höhere Prämien einfordern zu müssen.

Positiv für die Verhandlungen
"Die jüngsten Hurrikanereignisse werden sich nach unserer Einschätzung positiv auf die Vertragsverhandlungen zum 1.1.2005 auswirken", erklärt dazu Wilhelm Zeller, Vorstandsvorsitzender der Hannover Rück. Der Chef des weltweit fünftgrößten Rückversicherers aus Hannover ergänzt: "Der von vielen Marktteilnehmern erwartete Preisabrieb im Katastrophen-Rückversicherungsgeschäft dürfte nun ausbleiben."

Insider sehen das inzwischen genauso. Wenn keine Teuerung eintrete, so werde das Prämien-Niveau aber zumindest gehalten und rutsche nicht mehr ab.

Höhere Preise schwer durchsetzbar
Rund 221 Milliarden Euro (entsprechend 143 Milliarden US- Dollar) machen die gezeichneten Bruttoprämien des Jahres 2003 der 15 großen Rückversicherer weltweit aus, zu denen die Münchener Rück als Marktführer zählt. Die Erstversicherer meinen, dass das finanzielle Polster der Rückversicherer in den letzten Jahren recht komfortabel angewachsen sei. Marktteilnehmer bezweifeln daher, ob höhere Preise auch durchgesetzt werden können.

Die sehen sich gegen die steigenden Forderungen der Rückversicherer gewappnet und wollen ihnen nur zögerlich entsprechen. Denn sie haben ihr eigenes Risikomanagement ausgebaut und können entsprechend Paroli bieten und den Rückversicherungsschutz eingrenzen.

In der Branche wurde unterdessen jede neue Hurrikan-Meldung von "Charley", "Frances", "Ivan" und "Jeanne" mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Analysten gingen soweit, dass sie befürchteten, einzelne Rückversicherer müssten ihre Gewinnprognosen zurückfahren.

Hier winkt die Hannover Rück ab. "Trotz der ungewöhnlich hohen Großschadenbelastung sind wir zuversichtlich, einen Jahresüberschuss von 300 Millionen Euro erzielen – ein Wert, mit dem wir unser Eigenkapital-Renditeziel von über zwölf Prozent nach wie vor erreichen", entgegnet darauf Wilhelm Zeller.

Günstigeres Schadenbild
Beim Klassenprimus in München sieht es etwas anders aus: "Trotz des inzwischen günstigeren Schadenbilds macht es die Gesamtbelastung einschließlich Hurrikan Jeanne deutlich schwerer, unser Ergebnisziel 2004 (zwei Milliarden Euro nach Steuern) zu erreichen", ist von Münchener-Rück-Vorstand Stefan Heyd zu erfahren, der unter anderem für Grundsatzfragen des Rückversicherungsgeschäfts zuständig ist.

Die Münchener-Rück-Gruppe ist von den Wirbelstürmen im Atlantik und im Pazifik allerdings weniger stark betroffen als zunächst angenommen: Während ihre Erstversicherer keine Belastungen haben, rechnen die Rückversicherer der Gruppe aktuell mit einem Gesamtbetrag von rund 500 Millionen Euro vor Steuern:
  • Für Hurrikan Charley konnte die Gruppe die Schätzung auf 75 Millionen Euro reduzieren.
  • Für Frances rechnet sie mit 65 Millionen Euro,
  • für Ivan mit 215 Millionen Euro.
  • Jeanne belastet voraussichtlich mit bis zu 100 Millionen Euro.
  • Schäden der Taifune Songda und Chaba im Pazifik belaufen sich für die Münchener-Rück-Gruppe auf circa 40 Millionen Euro.


Imageschaden nicht einschätzbar
Diese Schäden sind zwar hoch, aber einschätzbar. Weniger einschätzbar ist dagegen die Situation, an deren Front der Rückversicherer aus München jetzt Schadenbegrenzung betreiben muss: Im Zusammenhang mit einem möglichen Betrugsskandal dem Vorwurf der Marktmanipulation in den USA fiel auch der Name der Münchener Rück. Der Imageschaden könnte beträchtliche Ausmaße annehmen.

Die Münchener-Rück-Tochter Munich-American RiskPartners ist allerdings nicht – wie zuvor in anderen Berichten veröffentlicht – vom New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer mit angeklagt worden. Spitzer ermittelt wegen vermeintlicher Manipulationen zu ungunsten der Kunden bisher gegen den Versicherungs-Makler Marsh & McLennan und trat damit eine Lawine los.

Aktien gingen in den Keller
In deren Sog gingen die Aktien von Versicherern, die in die illegalen Zahlungs-Manipulationen wenn auch nur mit der Nennung ihrer Namen verwickelt sein sollten, in den Keller. Die American Re teilt dazu nun mit, dass die zu der US-Gesellschaft gehörende Munich-American RiskPartners nicht angeklagt worden sei. Sie arbeite allerdings mit der Staatsanwaltschaft zusammen. Die New Yorker Staatsanwaltschaft hatte zuvor verkündet, dass Anklage gegen den weltgrößten Versicherer AIG und andere US-Gesellschaften der Branche wegen unzulässiger Bevorzugung einiger Kunden erhoben in Kooperation mit Marsh & McLennan.

Während die Rückversicherungs-Branche die Risiken aus Naturkatastrophen wegen moderner Prognose-Systeme inzwischen so gut einschätzen können, dass sie auch in den Ergebnissen nicht mehr ständig drauf zahlen müssen, wird der Imageschaden schwerer auszubügeln sein.

Ein weiteres Problem: Ungenügende Reserven für das US-Haftpflichtversicherungsgeschäft stellen nach Ansicht von Rating-Agenturen eine Bedrohung für die Rückversicherungsbranche dar. Das derzeit auffälligste Beispiel für diese These ist nach Branchenkenner-Meinung die Converium Holding AG, Zürich, die sich im Juli wegen zu geringer US-Reserven zu einer Gewinnwarnung gezwungen sah und sich härtesten Wettbewerbs-Bedingungen ausgesetzt sieht.

Die Münchener Rückversicherungsgesellschaft AG und die Hannover Rückversicherung AG treten inzwischen mit Vehemenz Äußerungen des Converium-Managements entgegen, wonach die US-Reserven ein Problem der gesamten Branche seien. Die beiden Branchen-Riesen aus Deutschland haben nach eigenen Aussagen dieses Problem nicht.

"Überleben" wird schwierig
Es brodelt im Markt. Schwieriges überleben für die Kleinen. So hat die Gothaer Rückversicherung hat ihr Geschäft schon letztes Jahr eingestellt. Das Unternehmen wird derzeit "abgewickelt". Und: Die niederländische Finanzgruppe ING gibt ihr privates Rückversicherungsgeschäft in den USA auf. Sie wird nach eigenen Angaben ihren Bestand an den britischen Rückversicherer Scottish Re übertragen. Die Transaktion führt bei ING zu einem Verlust von 500 Millionen Euro.

Autor(en): Ellen Bocquel

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